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Popkultur

Snoop über die Jahre

Ein Mann war zu Beginn der 90er-Jahre der Vorreiter des kompromisslos authentischen Stils, den alle Leute unter 40 heute tragen. Dieser Mann nennt sich jetzt Snoop Lion.

Styling: Annette Lamothe-Ramos
Fotoassistenten: Rafael Rios und David Swanson
Mit besonderem Dank an die Milk Studios

In den 2000er-Jahren wurde der Bereich Mode und Stil den renommierten Designern und umtriebigen Kritikern heimlich und quasi über Nacht aus den handcremeverwöhnten Händen genommen. Von fortschrittlichen Bloggern, erschwinglichen Klamottenmarken und, vor allen Dingen: Rappern. Ein Mann war zu Beginn der 90er-Jahre der Vorreiter des kompromisslos authentischen Stils, den alle Leute unter 40 heute tragen. Dieser Mann ist Snoop Dogg—oder, genauer: war Snoop Dogg. Letztes Jahr hat er sich in Snoop Lion umbenannt, nachdem er aus Jamaika zurückgekommen war, wo er das Reggae- und Rastafari-Album Reincarnated aufgenommen hat, in dem nur sehr wenig Rap vorkommt. Es wird Mitte April veröffentlicht, neben der dazugehörigen Filmdokumentation über seine Suche nach Jah. Als einer der ersten Rapper, der die Öffentlichkeit allein durch seinen Lifestyle schockte, stieß Snoop mit dem Doppelschlag von Dr. Dres The Chronic und Doggystyle ins kulturelle Bewusstsein der frühen 90er-Jahre. Diese Alben wurden zur Vorlage für ein Jahrzehnt von Hardcorerap von Künstlern, die das, worüber sie rappten, auch wirklich lebten. Gangmitglieder und Kriminelle aus dem Viertel, die hemmungslos dealten, spritzten, fickten, rauchten, tranken und alle möglichen anderen Sachen machten, die Eltern zur Verzweiflung treiben.

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Snoop folgte ihrem Beispiel und schloss sich dem Stilkonzept an, das immer vielschichtiger wurde und eine herrliche Mischung war aus engen Jeans, Baseballmützen, übergroßen Sweatshirts, adretten Monturen, Sneakers in limitierter Auflage, Flanellhemden, erlesenen Seltenheiten, ausgefallenen Siebdrucken und was einen sonst noch gut aussehen lässt, ohne dass es protzig wirkt. Es gibt keine Regeln mehr. Zum Glück, denn die Mode war auf dem Weg, verdammt vorhersehbar und langweilig zu werden. Vor diesem Hintergrund erschien es uns bloß angemessen, Snoops Looks für diese Modeausgabe mit Schwerpunkt USA aus vergangenen Jahren Revue passieren zu lassen und ihn dazu zu interviewen. Er war sogar so großzügig und hat für uns die originalen Artefakte aus seiner Mottenkiste hervorgekramt. Ich brauche nicht zu betonen, dass ihm dabei zuzu­schauen, wie er sich seinen lilafarbenen Pimpmantel überwirft und zurecht zupft, während er sich im Spiegel bewundert, schon immer ganz oben auf meiner Wunschliste stand. Da er ein extrem vielbeschäftigter Mann ist und keine Zeit zu verschwenden hat, demonstrierte er seine Multitasking-Fähigkeiten und ließ sich während des Interviews die French-Manicure-Nägel auffrischen.

VICE: Ich hatte Angst, dass du vielleicht keinen Bock auf ein Modeshooting über deine alten Looks hast, da du ja jetzt nicht mehr Snoop Dogg, sondern Snoop Lion bist. Aber ich hatte den Eindruck, dass du gar kein Problem damit hattest, dich mit dem Konzept anzufreunden. Du hattest sogar noch die passende Haltung zu jedem Outfit drauf.
Snoop Lion: Ja, das geht ja auch nie ganz weg. Mal verkörpere ich ein bisschen mehr von dem, dann von dem anderen. Und ich befasse mich auch viel mit der Vergangenheit, denn es ist gut, wenn man sich in diese Zeit und in diese Stimmung zurückversetzen und sie wiedergeben kann. Du hast die Mode mitbestimmt, einfach nur, indem du dich selbst verkörpert und Klamotten getragen hast, die du mochtest und in denen du dich wohlgefühlt hast. Aber für das Shooting haben wir schon ein paar ganz besondere Schätze ausgegraben, wie zum Beispiel die Crip Suit. Was hatte es damit auf sich? Ist die auf deinem Mist gewachsen?
Die habe ich zum ersten Mal an Coolio und den 40 Thevz gesehen, eine Rapgruppe, die mit ihm zusammen aufge­treten ist. Der hat den Anzug getragen und er gefiel mir so gut, dass er mir den Kontakt zu dem Typ vermittelt hat, der ihn genäht hat, Perry White, und seitdem trage ich diese Anzüge. Und eh ich mich versah, waren sie ein Teil meines Looks, denn sie waren ein Symbol für das, was ich darstellte. Das war mein Statement, mit dem ich mir einen Platz in der Modewelt eroberte und zeigte, dass ich Stil hatte. Ich bewies, dass ich was davon verstand, was Style heißt, wenn man gleichzeitig Gangster und West Coast ist.

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Hattest du damals irgendwelche Lieblingsdesigner?
Ich war immer eher hinter Sachen her, die mich cool aussehen ließen. Wenn ein Designer, z. B. Tommy Hilfiger, ein geiles Shirt hatte, dann hab ich mir das geholt und mit Schuhen von Capezio und einer Hose von Girbaud oder einem Overall von Guess kombiniert. Ich stand auf die Mode, die ich mir leisten konnte und in der ich gut aussah. Ich hab mich nicht auf irgendwelche Modedesigner versteift, es ging mehr um den Stil, und mir gefielen verschiedene Looks von unterschiedlichen Designern, und die hab ich mir angeeignet und zu meinem eigenen Look gemacht. Aber ein paar Marken bist du im Laufe der Jahre treu geblieben, z. B. Polo und Adidas. Was ist an denen dran, dass du immer wieder und wieder auf die zurückge­kommen bist?
Sie bleiben ihrem Stil treu, und das gefällt mir; dass sie sich nicht verändern, dass sie bei ihrer Machart bleiben, sich an ihr ursprüngliches Konzept halten, und so bin ich auch. Ich trag gerne Klamotten, die das Gleiche repräsentieren wie ich. Und die beiden Marken Polo und Adidas sind dem Streetlook treu geblieben. Sie bleiben bei ihrem Look, und dieser passt zu einem Player wie mir. Fußballtrikots tragen die Leute ja schon ewig, aber ich glaube, du warst der erste Rapper und sogar die erste bekannte Persönlichkeit, die regelmäßig Eishockeytrikots als Modeaccessoires getragen hat. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Bist du Eishockeyfan?
Willst du wissen, wie das kam? Meine Modeberaterin damals, Toi Crawford, hat die Trikots mitgebracht, weil mir die afro-amerikanischen Hoodies von den schwarzen Colleges so gut gefielen. Sie sagte zu mir: „Probier mal das Eishockeytrikot.“ Da war, glaub ich, ein Indianer drauf. Dann war da noch eins mit einem Cannabisblatt. Das hat mir gefallen. Und dann hatte sie noch ein gelb-schwarzes von den Pittsburgh Penguins dabei. Die gefielen mir aus verschiedenen Gründen: Sie sahen gut aus, waren groß und kein anderer hat sie getragen. Also sagte ich: „Die sind für mich, das ist genau mein Look.“ Es fühlte sich einfach gut an.

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Zu der Zeit hast du auch viel Flanellhemden getragen, und heute trägt sie jeder. Das war Anfang und Mitte der 90er noch nicht so. Bei Terry Richardson kann man sich die Flanellhemden gar nicht mehr wegdenken. Fühlst du dich für diesen Trend verantwortlich?
Wir haben die Hemden „Pendletons“ genannt. Die haben daraus ein Fashion-Statement gemacht, dabei war es da­mals das Einzige, was wir uns im Westen leisten konnten. Da sind wir in die Surferläden gelatscht und haben zehn bis fünfzehn von den Dingern zum kleinen Preis ergattert. Die hielten warm und haben das symbolisiert, was wir waren und was wir werden wollten. Das war unsere Kleiderordnung. Sie waren praktisch und modisch zugleich. Deshalb haben sich die Leute so gewundert, als du auf einmal anfingst, wie ein Zuhälter rumzulaufen. Aber andererseits entsprach das damals auch deiner Lebensphase, deshalb hätte sich eigentlich keiner wundern dürfen. Im Gegensatz zu deinem vorigen Stil war dieser jetzt sehr pompös und extravagant.
Ja, das war extravagant und eigenwillig. Und mit diesem Look konnte ich mich identifizieren. Der hat mich repräsentiert, meine Mädchen, meine Autos; der war einfach in der Welt des Pimps verwurzelt. So war der Pimp. Wenn sein Farbkonzept grün-gelb war, trug er grün-gelbe Klamotten, dann war sein Auto grün-gelb, seine Bude war grün-gelb und seine Girls trugen auch grün-gelb; dann ging alles nur um dieses Farbkonzept. Da passte alles zusammen, von Kopf bis Fuß. Es ging um Flair, Glamour und Glitter, und das war alles in der Zeit verwurzelt, in der ich aufgewachsen bin. Ich hatte das von Weitem beobachtet und war ganz angetan davon. Die meisten meiner Onkel haben sich im Pimp-Style versucht, und der Vater meiner Frau war einer der größten Pimps weit und breit. Ich fand den Look faszinierend und war froh, Teil dieser Welt zu sein und diese Mode vor den Augen der Welt tragen zu können. Das war ein tolles Gefühl für mich, denn ich weiß, was der Look bedeutet. Er ist eine modische Ansage. Selbst wenn ich die Nägel gemacht krieg. So macht das ein echter Player. Ein normaler Typ würde sich nie ’ne French Manicure machen lassen, aber ich bin halt nicht normal. Wie lange lässt du dir schon die Nagelspitzen lackieren?
Es geht um pflegen und legen, um schminken und stinken, um schmücken und beglücken, Alter.

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Wo hast du den lila Pelzmantel her, den du beim Shooting anhattest? Ist der maßgeschneidert? So einen hab ich noch nie gesehen.
(lacht) Der kommt aus meinem Pimp-Arsenal. Ich hab viele verschiedene Pelz- und Fellmäntel: Biber, Chinchilla, Lamm, Pferd … Pferd?
Ja, ich hab sogar Pferdemäntel. Ich hab alles, Mann. Alles. Klar? Als ich noch in der Pimpwelt unterwegs war, bin ich zum Shoppen um die ganze Welt gereist, immer auf der Suche nach Sachen, die sonst keiner hat. Denn wenn man bei einem Player auf dem Fest ist, kommen die fettesten Pimps aus der ganzen Welt vorbei und die haben die geilsten Outfits, die man sich vorstellen kann. Also versucht man, die anderen auszustechen. Einmal trug ich einen riesigen schwarz-goldenen Sombrero auf dem Kopf, der mit Diamanten und Strass besetzt war, und meine Girls waren als Mexikanerinnen verkleidet. Das war einsame Spitze. Ich war immer der Boss dort.

Hattest du Stylisten, die dir die Klamotten besorgten? Oder wie hast du diese exotischen Fummel aufgetan?
Ich hatte mehrere Stylisten und hab mich aber auch selbst inspirieren lassen. Der Sombrero hat mir gefallen, weil ich bei vielen Playern schicke Hüte gesehen habe. Aber so einen Sombrero hatte keiner. Bishop Don „Magic“ Juan hat mal einen getragen, und der war von Louis Vuitton. Das ist geiler Stil: ein schicker Anzug und dann der Sombrero. Glaub mir, das ist echte Mode. Ich nehme mal an, damals hast du mehr Schmuck gekauft als heute, oder?
Klar. Ich hab noch ein paar Klunker von früher, aber der meiste Kram gehört der Vergangenheit an. Der musste weg. Der nächste Entwicklungsschritt war der, nennen wir ihn mal so: „Businesslook“. Zu dem Zeitpunkt wurdest du zum kreativen Vorsitzenden von EMI Priority Records ernannt. Und das hat sicher den Ausschlag für die neuen Klamotten gegeben, oder?
Da habe ich mich vom Künstler zum Chef gewandelt. Ich wollte ein erfolgreicher Geschäftsmann sein. Nicht nur künstlerisch tätig sein, sondern auch kapieren, dass ich der kreative Boss bin, weil ich das mache, was die Leute kaufen und sehen wollen. Warum sollte ich dann nicht auch die Fäden in der Hand halten? Das hieß aber auch, dass ich es war, der Leute feuern musste, denn nur so konnte ich die volle Kontrolle über das behalten, was ich tat und sagte. Und das musste man mir äußerlich auch abnehmen. Um eine Rolle gut zu spielen, muss man auch den passenden Look haben. Kein Mensch hätte mich ernst genommen, wenn ich im Jogginganzug aufgekreuzt wäre. Die hätten gedacht, ich will eigentlich joggen gehen. Also hab ich ’nen Geschäftsanzug übergeworfen, damit alle sofort wissen, dass es mir ums Geschäft geht. In meinem Metier geht es um Spaß. Und selbst wenn man den Spaß mal beiseitelässt, ist es eine tolle Geschäftsidee, denn der Job macht nicht nur den Fans Spaß, sondern auch uns, und wir können gar nicht genug davon bekommen und arbeiten rund um die Uhr.

Und das bringt uns zu deinem jüngsten Trip nach Jamaika und deinem neuen Album, das Reggae-Einflüsse hat. Es führte wieder zu einem neuen Look für dich, der aber diesmal etwas spiritueller rüberkommt. Ich nehme an, die Annäherung an die Rastafaris hat deinen Einkaufsstil verändert. Wo kriegst du deine Klamotten heutzutage her, vor allem die weißen Leinenkittel, die du in letzter Zeit gerne trägst.
Ich hab da schon so meinen Laden, wo ich mein Zeug kauf, klar? Beste Rastafari-Qualität, sag ich dir! Aber ich verrat dir nicht, wo der ist, sonst laufen bald alle so rum wie ich. Dann kommst du nächstes Mal zum Interview und siehst genauso aus wie ich. (lacht) Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Das würde ich nicht bringen. Obwohl dein Look schon beneidenswert ist: Gelassenheit, Klasse und eine weltmännische Ausstrahlung in einem.
Das streben wir an. Wir versuchen uns gelassen und entspannt zu fühlen, sind aber auch gerissen, denn wir wollen dabei gut aussehen. Das ist unser Ding im Westen, wir wollen einfach gut aussehen. Wir wollen immer besser aussehen als unsere Freunde, um ihnen die Mädchen auszuspannen. Denn die Ladys hier stehen auf smart gekleidete Typen, denen man anmerkt, dass sie es ernst meinen. Schon in jungen Jahren habe ich die Bedeutung von Mode so verstanden, als wir anfingen, mit Mädchen rumzumachen und sie beeindrucken wollten, oder auch um einen Job zu kriegen, um einen Schritt weiterzugehen und sich weiterzuentwickeln.

Im Laufe deiner Karriere hat sich deine Frisur, passend zu deinen diversen Looks, mehrfach verändert. Dabei finde ich Haare immer nicht so leicht, man kann man so viel falsch machen. So viele Prominente haben versucht, ihre Frisur zu verändern und sind damit jämmerlich geschei­tert. Aber in der Beziehung hattest du bisher noch keine Probleme. Was sagt die Frisur eines Mannes über ihn aus?
Die ist total wichtig. Darum geht’s. Darauf habe ich von Anfang an gesetzt; auf meine Haare habe ich schon immer den Fokus gesetzt. Ich pass immer auf, dass ich gut aussehe, und dass ich immer einen neuen Stil finde, der zu mir passt, und der was Neues bringt. Ich bin mal mit geflochtenen Zöpfen aufgetreten und einmal auch mit Dauerwelle und sah aus wie Shirley Temple. Aber jedes Mal passte es perfekt, jedes Mal sah es echt gut aus, aber es war auch jedes Mal anders. Und auch jetzt, wenn ich mein Haar verdecke, muss ich sagen: Das passt zu mir. Meine Frisur erzählt meine Geschichte; das ist zurzeit mein Weg. Wir zeigen Reincarnated exklusiv im Rahmen unserer Fashion Issue Release Party am 16.4. im Schikaneder in Wien.