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​'Dragon Age: Inquisition' zerstört mein Leben und es ist mir egal

Bereue ich es, seit Wochen meine Wohnung nicht mehr zu verlassen, um schwule Magier anzuflirten und Drachen zu töten? Ja. Würde ich es wieder tun? Definitiv.

Es gab einmal eine dunkle Zeit in meinem Leben, als ich meine Abende und Wochenenden damit verbracht habe, feiern zu gehen und jede Nacht nicht länger als drei Stunden zu schlafen. Vergessen war die Zeit, in der man noch gemeinsam vor dem Super Nintendo hockte und den Spaß seines Lebens hatte. Die Controller und Point-and-Click-Adventures waren Alkohol, Zigaretten und allem, wozu man frenetisch Raplyrics mitbrüllen kann, gewichen. Doch dann sagte ein Bekannter „Ich muss dir ein Spiel leihen, das ist ziemlich super" und mein Leben änderte sich für immer. Das Spiel hieß Dragon Age Origins, lief überraschenderweise absolut problemlos auf meinem 500-Euro-Laptop und erinnerte mich wieder daran, wie sehr ich Videospiele liebe.

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Das Fantasy-Epos, in dem die Dunkle Brut, angeführt von einem Erzdämon im Körper eines Drachen, über die Spielwelt Ferelden herfällt, erzählte zwar keine wahnsinnig innovative oder vom Grundsatz her neue Geschichte. Dafür bot Origins die Möglichkeit, sich mit jeweils ausgewählter Klasse (Mensch, Elfe, Zwerg), getroffenen Entscheidungen und gesellschaftlichem Hintergrund des Spielecharakters eine komplett eigene Spielerfahrung zu schaffen.

Die Hexe Morrigan ist bereits seit Origins dabei. Seither sind ihre Brüste aber kleiner geworden. (Alle Screenshots von der Autorin)

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich Verabredungen in dieser Zeit unter dem Vorwand abgesagt habe, dass ich krank/müde/mit lebenswichtigen Dingen beschäftigt sei. Irgendwann kam von vielen meiner Bekannten aber nur noch eine Reaktion: „Spielst du wieder das Spiel?" Nach rund 60 Stunden Spielzeit habe ich schließlich aufgegeben, es zu leugnen. Ich habe nicht nur jeden der sechs verschiedenen Anfänge gespielt, sondern die komplette Story als solche zweimal beendet—einmal als gefeierte Menschenkönigin über ganz Ferelden, einmal als psychotische Elfengeliebte eines ehemaligen Assassinen, der mich zu Beginn des Spiels töten wollte. (Es sagt womöglich ziemlich viel über mich als Mensch, dass der zweite Durchlauf wesentlich befriedigender war. Sorry, Alistair.)

Dragon Age 2 wiederum fand zwar im selben Spieluniversum statt, verfolgte aber eine komplett andere Geschichte und hatte sowohl von den Charakteren als auch der konkreten Story und Spielmechanik her nicht mehr all zu viele Schnittpunkte mit dem hochgelobten Vorgänger. Statt differenzierter Auflevelungsmöglichkeiten und der Option, auch mitten in einer Mission stundenlange Gespräche mit seinen Teammitgliedern führen zu können, gab es vereinfachte Skillbäume, reduzierte Dialoge und deutlich actionbetonteres Gameplay. Ich war ziemlich enttäuscht—was mich natürlich trotzdem nicht davon abgehalten hat, auch DA2 zweimal durchzuspielen.

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Das ist Iron Bull. Er mag Drachen, Gewalt und Alkohol.

Am 23. November, ganze drei Jahre später, ist mit Dragon Age: Inquisition der dritte Teil der Saga erschienen. Dabei hatte ich es fast schon geschafft, mich ein für allemal von der Reihe loszureißen. Jahrelang hatte ich auf jedes Fitzelchen Information zu Inquisiton gewartet. Ich bin mit den hungrigen Augen einer Süchtigen durch die Business-Area bei der letztjährigen Gamescom gelaufen, weil ich von irgendjemandem gehört habe, dass EA erste Spielszenen zeigen wird. Doch nichts passierte. Je länger sich das Warten hinzog, umso mehr geriet DA:I für mich in den Hintergrund. Es kamen andere Spiele—Far Cry 3, The Last of Us, die Mass Effect-Reihe—mit denen ich ganze Wochenenden im Bett verbringen konnte. Erst als das Rezensionsexemplar bei mir auf dem Schreibtisch landete, spürte ich wieder dieses leichte Kribbeln in der Magengegend.

Drei Stunden später hing ich mit glasigen Augen und in Jogginghose vor dem Bildschirm. Ich hatte es nicht einmal geschafft, die groben Entscheidungen meiner alten Spielstände für Teil 3 zu importieren, geschweige denn, mich zufriedenstellend lange mit der individuellen Gestaltung meines Spielecharakters auseinanderzusetzen. Ich musste durch Wälder schleichen, wichtige Entscheidungen treffen und auch die letzte Kiste im tiefsten Dungeon looten. Welches Teammitglied sollte ich dieses Mal romancen und wie super-awesome ist es eigentlich, dass es jetzt endlich Pferde im Spiel gibt? PFERDE! Ich war wie ein Junkie, der mit zitternden Händen nach der Nadel greift. Ich brauchte meine Dosis Fantasy-RPG und ich brauchte sie sofort.

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90 Prozent meiner Zeit im Spiel verbringe ich damit, epische Pferde-Screenshots zu machen.

Dabei kommt die Handlung in Inquisition ziemlich langsam ins Rollen. In Dragon Age geht zwar im Allgemeinen nichts wirklich schnell—weswegen die Teile auch ein absoluter Albtraum für Leute sind, die hauptberuflich etwas zu Spielen sagen müssen. Selbst nach 30 Stunden im Spiel weiß ich aber noch nicht, warum genau meine Figur dazu auserwählt ist, grüne Risse im Himmel zu schließen, von denen aus Dämonen die Welt übernehmen wollen. Trotzdem vergehen die Stunden, in denen man nach den letzten Überresten eines verschwundenen Kämpfers sucht, wie Minuten. Gestern habe ich nur aufgehört zu spielen, weil der Akku meines Controllers leer war—und ich nach 30 Minuten in hockender Position vor dem USB-Aufladeport meiner Playstation echt Rückenschmerzen gekriegt habe.

Dann guckt man auf die Uhr, stellt fest, dass man in fünf Stunden aufstehen und ins Büro muss, und hasst sich ein bisschen. Oder die Charaktere, die einem große Stücke seiner Lebenszeit geraubt haben. Ich glaube, ich habe ganze vier Stunden in einen meiner Begleiter investiert—Fragen stellen, Zustimmen, die große Versöhnung mit seiner Familie initiieren wollen—bis er mir schließlich verraten hat, dass er nicht auf Frauen steht. Das sind diese Momente, die einen dann doch wieder in die Realität zurückzerren.

Dragon Age: Instagram

Was Dragon Age dem wahren Leben voraushat: Man kann in den nächsten Burgturm gehen und mit dem Templer mit der sexy Gesichtsnarbe rummachen, den man sich parallel warmgehalten hat. Das ist allerdings auch einer der Punkte, die mich an meiner geistigen Gesundheit und meiner Position als erwachsene Arbeitnehmerin in der realen Welt zweifeln lassen: Wie viel Zeit und Mühe ich darauf verwenden kann und will, virtuelle Charaktere besser kennen zu lernen—beziehungsweise ihnen und meiner Spielfigur in unangenehmen Cutscenes dabei zuzusehen, wie sie rumknutschen oder Sex haben.

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Eigentlich bin ich ein bisschen glücklich, dass mich Online-Rollenspiele wie World of Warcraft nie interessiert haben. Dragon Age hat man irgendwann—je nach Sammelwut gerne auch erst nach über 100 Stunden—durch. MMORPGs hingegen hören nie auf. Ich hoffe, dass mir meine Freunde verzeihen können, wenn ich in den kommenden Wochenenden „gesundheitlich zu angeschlagen" fürs Ausgehen bin und unter der Woche einfach keine Zeit habe, weil ich im Büro „echt viel zu tun" habe.

Es gibt eine unentschuldbar große Anzahl an Personen, die den ganzen Tag fancy Kleider tragen und mit schlechtem französischen Akzent sprechen.

Mein seriöses Ich weint ob der Tatsache, dass ich meine Besessenheit weder journalistisch noch durch technische Randdaten untermauern kann. Aber so ist das vielleicht, wenn man verliebt ist. Vielleicht ist der erste Teil der Reihe damals genau zur richtigen Zeit erschienen. Vielleicht bin ich anfällig für Filme, Serien und Spiele, die eine so umfangreiche Welt eröffnen, dass ich unaufhaltsam hineingezogen werde. Vielleicht ist Dragon Age mein Herr der Ringe und ich werde irgendwann eine dieser gruseligen Personen, die irgendeine Fantasiesprache lernen und nur noch komplizierte Elfen-Flechtfrisuren tragen.

Wenn dem so ist, werde ich es mit Stolz tun. Und hoffen, dass ich niemals anfange, Fanfictions zu schreiben.

Wenn ihr wissen wollt, wie viel Lisa über Videospiele wirklich zu sagen hat, folgt ihr bei Twitter.