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Ich habe bei einer Sicherheitsfirma gearbeitet und mich nicht für meine Vagina entschuldigt

Warum deine berufliche Laufbahn nicht bei rassistischen und sexistischen Versagern enden sollte.

Foto von Flickr, Mark Crossfield; CC BY 2.0

Man sollte keine Jobs annehmen, die auf Facebook ausgeschrieben werden. Schon gar nicht, wenn eine private Sicherheitsfirma das tut. Ich hab es trotzdem getan. Weil mir die zwei 15h-Schichten à 23 Franken die Stunde halfen, bis zum Ende des Monats über die Runden zu kommen. Bisschen prollig herumstehen, Eintritte kontrollieren, wie schwer kann das schon sein?

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Also zog ich eines schönen Tages meine Sommerkleider aus, wurde in eine Einsatzhose gesteckt, mit einem Funkgerät ausgestattet und sah plötzlich aus wie eine Kampfsau. Ich fand es anfangs noch lustig. Wie Miss Undercover rückwärts schauen. In der Einsatzzentrale war es dann nicht mehr so lustig. Überall standen diese stämmigen Jungs herum, pafften, fluchten und schauten mit leeren Blicken auf den Boden. Irgendwo auf einem Plastikstuhl war eine Mitarbeiterin am Heulen.

Meine Stimmung sank spätestens beim Briefing ins Bodenlose weiter. In meinen zwei 15h-Schichten war je nur eine Stunde Pause vorgesehen. Verpflegung? Fehlanzeige. Ich ass drei Tage lang mitgebrachte Sandwiches. Geschlafen habe ich auf dem Boden eines nahegelegenen Kickbox-Trainingsraums. Duschen? Haha. Nope.

Foto von Flickr, Mark Crossfield; CC BY 2.0

Mein „Einsatzleiter“, der gerne auch so angesprochen wurde, erklärte mir darauf, wie man eine Person durchsucht, welche Drogen ich herausfischen müsse und stellte mich an die Front. Okay. Irgendwann folgte der erste Anschiss von einem menschlichen Rottweiler, der mich konsequent mit „Härzchäferli“ ansprach. Ich sei zu freundlich. Also bekam ich Verstärkung. Mein neuer Kumpel erzählte von seiner Barstreet-Erfahrung und warum sich Girls nicht fragen müssen, warum man sie anfasst, so lange sie sich wie Nutten anziehen.

Ich tat das, was dumme Männer am schnellsten abschreckt und sagte, ich sei Feministin. „Hör mir auf mit dem. Ich habe vier Schwestern“, kam postwendend zurück. Die Frage, ob er denn nicht wolle, dass diese anständig behandelt werden, konnte er mir leider nicht beantworten. Auch nicht, ob man den Jungs vielleicht nicht mal beibringen sollte, fremde Menschen nicht anzufassen, statt den Mädchen Kleidervorschriften zu geben.

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Meine erste Pause an diesem Tag wurde aufgeheitert durch ein reizendes Gespräch meiner Fascho-Arbeitsgspändli über „all die Neger da draussen“. Natürlich sagte niemand was Kritisches zu ihrem Rassismus aus Langeweile.

Meine zweite Schicht war dann irgendwie erträglicher. Ich versuchte zu verstehen, warum die Männer in dieser Branche so ticken. Was einen netten Typen zum chauvinistischen und sexistischen Wichser macht. So als Hobby-Polizist hast du es schon nicht leicht. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich wohl auch schon diverse Club-Türsteher betrunken angepöbelt.

Auch wenn man keine ganze Berufsgattung in einen Topf werfen kann: Zumindest in diesem Team war an keinem ein Volkswirtschafts-Genie verloren gegangen. Das ständige Rumprotzen verleitete mich auch nicht zur Schlussfolgerung, dass dort alle intakte Egos und Selbstbilder vor sich hertragen.

Foto von Flickr, Mark Crossfield; CC BY 2.0

In den letzten Stunden verlor ich die Nerven ganz. Ich sah, wie vier Arbeitskollegen einem dunkelhäutigen Mann unter Gebrüll Handschellen anlegten. Ich weiss nicht, was der angestellt hat. Aber so schmächtig wie der war, hätte es nicht vier Typen gebraucht, um ihn zu überwältigen. Irgendwann schmissen sie ihn rückwärts auf den Boden.

Als ich nach dem Toitoi-Besuch meine Hände waschen wollte, sagte einer, der Kanister auf der Wiese sei bloss als Trinkwasser gedacht. Ich erklärte ihm, dass ich meine Tage habe und dort draussen einigen tausend Menschen ans Handgelenk fassen müsse, dass ich jetzt sehr wohl meine Hände waschen würde und mich nicht für meine Vagina entschuldige.

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Foto von FlickrWolfangFoto; CC BY 2.0

Später kam der Bigboss und sagte uns, wir können leider nicht mehr in der Unterkunft schlafen, da sie am nächsten Morgen dort Material abholen müssen. Ich schaute ihm in die Augen und machte ihm klar, dass er mich schon tragen müsse wenn er echt denkt, ich würde nach meiner Schicht drei Stunden am Bahnhof auf den Zug warten. Erneut wurde ich von einem grossen Mann mit kleinem Ego bloss leer angestarrt.

Als meine Survival Camp nach einem starken Regenguss endlich vorbei war, konnte ich meine Uniform zurückgeben. Ich stand zu diesem Zeitpunkt zusammen mit vier bewaffneten Muskelpaketen auf kleinem Raum. Also fragte ich, ob ich kurz ins Büro könne. Natürlich konnte ich das nicht. Weil der „Boden sonst nass werde“. Okay.

Ich frohlockte also irgendwann Richtung Freiheit, teilte meinen Schlafsack mit einem anderen durchfrorenen Girl, nahm den ersten Zug nach Hause und schwor mir, das niemals wieder zu tun. Am nächsten Tag hatte ich einen Hautausschlag weil meine Uniform-Hosen wohl noch nie gewaschen wurden.

Fuck my life.