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Popkultur

​Teufelsbrut und Sex-Trash: Das Beste beim heurigen "Austrian Pulp" in Wien

Der österreichische Genre- und Exploitation-Film hat einiges zu bieten und hier sind die Pflichttermine—die beweisen, dass keiner versauter ist als die Alpenrepublik. UND Ronnie Urini!
(c) Filmarchiv Austria

Falls neben dir zynische Pseudointellektuelle von der TFM (vormals TheWi) arrogant näseln, dass Österreich keine richtige Filmlandschaft und vor allem kein Untergrund-Genre-Arsenal habe, solltest du erst einmal eine ordentliche Stereowatsche platzieren. Und dann solltest du ihnen das Programm zum Austrian Pulp um die Ohren hauen.

Denn abgesehen davon, dass wir Hedy Lamarr, die erste Nackte im Kino und geniale Erfinderin, vorzuweisen haben und bei uns auch die lange Zeit cineastisch dominanten Rosenhügel-Filmstudios angesiedelt waren, hat dieses Land die teils gestörtesten und versautesten Filme produziert, die sich ein Grindhouse-Fan nur vorstellen kann. Das Beste aus diesem herrlich niveaulosen Fundus läuft auf der Programmierung „Fleisch und Blut" von Austrian Pulp vom 9. Oktober bis 8. November.

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Zusammen mit dem frisch wiedereröffneten Metro Kinokulturhaus, dem Filmarchiv Austria und der Viennale hat Kurator Paul Poet, der leidenschaftliche Sugardaddy von Austrian Pulp, über 40 Filme, Konzerte und Partys organisiert, die unsere unendliche Liebe zu Udo Kiers omnisexueller Erscheinung, Hexenbrüsten und musikalischen versoffenen Lederjacken-Heimatstolz wiedererweckt.

Hier sind die Termine am Austrian Pulp, die ihr auf keinen Fall versäumen solltet—Heil Satan und ein dicker Knutscher für die Welt.

„Geißel des Schnitzelbeats"

Screenshot vom Autor, Montage VICE Media (c) Donau-Film

(Freitag, 9.10., ab 19:30 Uhr, Metro Kino)

Der Eröffnungsabend alleine wird schon in alle Geschichtsbücher der Kino-Party-An(n)alen eingehen, wenn die Austrian Pulp-Schiene von unserem Lieblings-Sexploitation-Film Geißel des Fleisches, mit Herbert Fucking Fux, kaltgestartet wird. Im Anschluss wird dann massig Vinyl auf den Plattentellern schlecht, wenn von DJs Al Bird Sputnik und Alaska Al unter anderen der geniale Geißel-Soundtrack von Gerhard Heinz aufgelegt wird. Schnitzelbeat bedeutet nämlich eine herrliche Perma-Beschallung mit heimischen Rotzrock der 50er und 60er Jahre bis selbst das faulste Tanzfleisch trashig weich geklopft ist. Also hoffen wir gleich mal, dass wir diesen ersten Abend überleben.

„Carl Andersens Horror-Pornos & Musiklegenden"

(Samstag, 10.10., ab 15:45 Uhr, Metro Kino)

Eigentlich ist dieser ganze Samstag Carl Andersen, dem kaputtesten Filmemacher des weirden Wiener Untergrunds, gewidmet. Am Nachmittag beginnt der Memorial-Tag mit der Andersen-Doku Underground der Liebe von unserem lieben Freund und Genre-Experten Martin Nechvatal. Ab 18:00 Uhr bekommen wir dann den pornoesquen I Was a Teenage Zabbadoing aus 1987 aufgetischt und um 20:00 Uhr folgt Mondo Weirdo.

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Der ultimative Absturz dieser Zeitreise ins alkoholvergiftete Wien der Ender 80er wird um 22:00 Uhr eingeläutet: Modell DOO, das sich wiederaufbäumende Elektro-Punk-Duo, das mittlerweile bei Ö1 und Profil gestrandet ist, und natürlich Ronnie „Rocket" Urini, der Erfinder der Nieten in der Jacke und des Sonnenbrillen-im-Keller-Aufbehaltens, treten LIVE auf und dekantieren mit vergilbter Old School-Authentizität eine Dose Musi für unsere klanggeilen Ohren. Beide waren schon damals in Andersens Filme vertreten und zelebrieren den unbesungenen König des österreichischen Horror-Porno-Untergrunds an diesem heiligen Abend genau so, wie es ihm gefallen hätte.

Schulmädchen-Report, 1. Teil: Was Eltern nicht für möglich halten

(c) Filmarchiv Austria

(Mittwoch, 14.10., 18:00 Uhr, Metro Kino)

Hier hat alles begonnen. Softporno-Pate Ernst Hofbauer hat den Deutschen mit der Genesis der Schulmädchen-Reihe die fließende Grenzen zwischen Fake-Aufklärungsversuch und Masturbationsmarathons näher gebracht. Hier erkennt man mit einem Mal, dass es nicht immer Triple-Penetration auf YouPorn sein muss und auch der sexuell abgestumpfteste Selbstbefriediger wird Nostalgieschmetterlinge in der Lendengegend spüren, wenn die 70er-Jahre-Mädchen neugierig auf den Nachbarjungen schielen und sich auf die Unterlippe beißen. Da stören wirklich niemanden unrasierte Beine!

„Hexenschänden leicht gemacht"

Verlassen wir die verspielteren Filme der Alpenrepublikaner und kommen zum waren Vorzeigeschund, den uns keiner zugetraut hätte. Hexen bis aufs Blut gequält—Mark of the Devil und das Sequel Hexen—Geschändet und zu Tode Gequält sind das unvergessliche Vermächtnis des Niederösterreichers Adrian Hoven ans Folterkino.

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(Freitag, 16.10., ab 18:00 Uhr, Metro Kino)

In großen Teilen Europas teils verboten und beschlagnahmt, lassen diese Meisterwerke modernen Torture Porn belächelt in der Ecke liegen. Abgerundet wird das Double Feature mit einem Publikumsgespräch zwischendurch und einem genialen Epilog, wenn um 22:15 Uhr Collega Nechvatal seine zweite Doku Hexenjagd in Mauterndorf präsentiert, um uns die bestürzten Reaktionen lokaler Bauern auf diese (achtung, Wortschöpfung) „Hexploitation"-Filme zu zeigen. Diese Schande ist ein Wochenend-Pflichttermin.

Necronomicon – geträumte Sünden

(c) Filmarchiv Austria

(Samstag, 17.10., 22:30 Uhr, Metro Kino)

Adrian Hoven hatte auch hier seine Finger im Spiel und zwar als Produzent und Darsteller. Eine Stripperin macht es Jahrzehnte einer Santanico Pandemonium vor und hypnotisiert poposchwingend die ganze verdammte Teufelsbrut. Sogar Fritz Lang applaudierte damals bei der Berlinale diesem Erotikschmankerl und die Kostüme—die wenig bedeckten, wenn überhaupt welche getragen wurden—stammen von niemand Niedrigeren als dem jungen Karl Lagerfeld. Wenn das nicht ein paar Köpfe sprengt!

Rasputin – Orgien Am Zarenhof

(c) Filmarchiv Austria

(Mittwoch, 21.10., 20:45 Uhr, Metro Kino)

Rasputin ist, wie wir wissen, ein Garant für Versautes—warum hätten sie ihn auch sonst kastrieren, vergiften, erschießen und ertränken sollen. (Gut, außer vielleicht, weil es zum damaligen Zeitgeist gepasst hat, aber wir wollen hier nicht historisch-diskursiv werden.) Diese Rasputin-Version ist mehr ein smoother Rammelrusse, der Bäuerinnen fruchtbar fickt—und das sogar in einer wunderbar aufgepeppten, restaurierten Fassung des Films, der die Softsex- mit den parallel gedrehten Hardcore-Elementen vereint. Splatter und schlechte Schauspieler treffen aufeinander wie nackte Haut im Dark Room. Wieder ist es unser heiliger Ernst Hofbauer, der in Billigformat einen supersexy Historienfilm basteln wollte und ein Trash-Bibel mit vielen Kaukasenbrüsten geschaffen hat.

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Exit … Nur Keine Panik

(Sonntag, 25.10., 16:00 Uhr UND Freitag 6.11., 20:30 Uhr, Metro Kino)

Wenn im VW-Käfer Schlangenlinien gefahren werden und das dichte Haar eines jungen Hanno Pöschl im Wind weht, will man auch direkt im Wurstl-Prater ein paar Girls nachjagen und die neuen Aufriss-Sprüche ausprobrieren: „Kann man sich bei euch zwa a bisserl vaginamäßig wichtig machen?" Franz Novotny hat hier Strizzis, billige Weinräusche und einen Hauch Proto-Punk der Anfang 80er in einen liebenswerten Gaunerfilm kondensiert. Wien war ziemlich lässig, notgeil und hatte vor allem etwas gegen Espresso-Maschinen.

Das Mädchen mit dem Mini

(c) Filmarchiv Austria

(Mittwoch, 28.10., 23:00 Uhr UND Freitag, 6.11., 22:45 Uhr, Metro Kino)

Wie wäre es wohl, die Welt aus der Perspektive eines betagten, bladen und vor allem notgeilen Mannes zu erleben? Diese in Wien wahrscheinlich nicht oft gestellte Frage beantwortet der dialogschwere Busenfilm punktgenau und ganz ohne Sinn und Tugend. Oskar Fronz—der im Zweiten Weltkrieg im Widerstandskampf gegen die Nazis aktiv und begeisterter Schundheft- bis Pornoafficionado war—versuchte hier einfach auch mal, Kino zu machen.

Eigentlich ist Fronzens Kollege Paul Milan ja schuld an dem hauptsächlich extemporierten Müll für alltägliche Vouyeuristen der Badesaison. Man kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr raus, aber gerade das ist doch eine Form von solidem Filmerlebnis.

Schamlos & Die Toten Fische

(c) Filmarchiv Austria

(Samstag, 7.11., 20:00 Uhr, Metro Kino UND Sonntag, 8.11., 20:30 Uhr, Metro Kino)

Das Abschlusswochenende ist noch einmal sehr dicht programmiert und nach so vielen schönen Schundproduktionen des Österreichkinos hat man sich die Kür bis zum Schluss aufbehalten. Schamlos am Samstag ist als absolutes Muss des gesamten Austrian Pulp-Ergusses einzustufen. Udo Kier, der gefühlt in jedem zweiten Genre-Film Europas dabei ist, bringt homoerotische Zuhälter-Coolness ins Puff. Zwischen den hier choreographierten Schlägereien und Swingereien könnte Russ Meyer fast neidisch werden. Wir können nichts bestätigen, aber vielleicht dürfen wir den Großen der Großen sogar an diesem Samstag im Metro Kino begrüßen—also der, der sich auf Smudo Vier reimt.

Am Sonntag wird mit Die Toten Fische dann das Vertrauen in die heimische Filmschaffenskunst aufs Höchste beflügelt. Kurator Paul Poet bezeichnet Michael Syneks Nachkriegsklassiker aus 1989 als stilistisch vergleichbar mit Tarkowskijs Stalker oder Der Prozess von Orson Welles. Ein Protagonist, von dem man das Auge nicht abwenden kann, schleppt sich durch eine verschwommene unscharfe Stadt, pulsierend voll mit österreichischem Fatalismus. Dieser wunderbare Film wurde jahrzehntelang unter Verschluss gehalten und verschmäht, aber bekommt am Austrian Pulp seine wohlverdiente Bühne. Eine respektvolle Verneigung vor Synek und vor Austrian Pulp.

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