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Wahlen 2015

Das A bis Z für Schweizer (Erst-)Wähler

Ihr habt keinen Plan wie, was oder warum ihr im Oktober eure Stimme abgeben sollt? Wir dröseln das Chaos aus Listenverbindungen, Kumulieren und Panaschieren für euch auf.
Foto von Marc Schlumpf

Christoph Blocher trimmt seinen Rasen mit der Nagelschere, die Genossen greifen zum Telefonhörer und die Damen und Herren Kandidierenden grinsen bereits von den ersten Strassenlampen—die heisse Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Doch sind wir ehrlich: Nicht einmal gestandene Bürgerinnen und Bürger können bei der Flut aus Listen, Listenverbindungen, Wahlversprechen und Slogans komplett den Durchblick behalten, von Neu- und Jungwählern ganz zu schweigen.

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Nein, Kumulieren hat nichts mit Cumulus-Punkten zu tun. Panaschieren hingegen ist von einem Panaché in der Bar gar nicht so weit entfernt. Warum? Diese und weitere Fragen klären wir für euch in unserem A bis Z zu den Eidgenössischen Wahlen 2015.

Asyl

Der Brennpunkt schlechthin im Moment, nicht nur in der Schweiz. Egal, was die Parteien sonst so vertreten—in den Medien dominiert die Flüchtlingsdebatte. Wie stark sich das Thema jedoch letztlich auf das Wahlresultat auswirken wird, bleibt fraglich. Die Positionen sind mehr oder weniger klar: Die Rechte, angeführt von der SVP, will so wenig wie möglich (ihre Anhänger denken dabei gar an Waffengewalt) und zwingt damit auch die Bürgerlichen der CVP und FDP dazu, die „Ängste in der Bevölkerung" ernst zu nehmen, während SP, Grüne und die restliche Linke auf Solidarität und Menschlichkeit pochen. Kurioses Detail: Die SVP wollte dieses Mal eigentlich gar nicht mit ihrem Dauerbrenner punkten, sondern plante den Fokus auf das Verhältnis Schweiz-EU zu legen. Auf den Flüchtlings-Zug (nicht den aus Ungarn) ist sie natürlich aber gerne aufgesprungen.

Bisherige

Es ist wie überall: Was man kennt, mag man mehr. Wo Bisherige, also bereits 2011 Gewählte, antreten, ist die Chance gross, dass sie auch dieses Mal wieder das Rennen machen—vorausgesetzt natürlich, sie konnten sich aus Skandalen und ähnlichem raus halten. Ihre Parteien haben ihnen einen guten Listenplatz gegeben und sie müssen nicht gegen neue Kräfte antreten. So oder so: Zittern müssen die Bisherigen in den Kantonen Solothurn und Bern. Wegen Bevölkerungsverschiebungen verlieren sie jeweils einen Sitz im Nationalrat.

Cannabis

Wohl kein Land streitet länger und regelmässiger über den richtigen Umgang mit Marihuana als die Schweiz. Und wohl von keinem anderen Land hält sich hartnäckiger das Gerücht, dass Kiffen hier erlaubt sei. Obwohl im Zuge der jüngsten Legalisierungen in einigen amerikanischen Bundesstaaten und angedachten Pilotprojekten in Städten wie Genf das Thema wieder etwas mehr Beachtung fand, versuchen einzig die Piraten mit einer Pro-Initiative die Frage in den Wahlkampf einzubringen.

Direktdemokratische Partei Schweiz

Links wie rechts treten jeweils extremere Parteien mit (eher) marginalen Chancen (und oft kurzer Lebensdauer) an. Neu in den Ring wirft sich dieses Jahr die Direktdemokratische Partei Schweiz DPS, auch genannt PEGIDA-Partei. In verschiedenen Kantonen stellen sie jeweils zwei, drei Kandidaten und hoffen vermutlich, so irgendwann doch noch eine Bewilligung für ihre Märsche „besorgter Bürger" erhalten zu können. Wählerstimmen sind zum Glück aber schwieriger zu kaufen als Facebook-Likes.

Foto von Andrea | Flickr | CC BY 2.0

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Ehe für alle

Die Bewegung Operation Libero hat das Sommerloch genutzt, um im Zuge der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den USA und Irland für dieses Unterfangen Stimmung zu machen. Gut möglich, dass wir in näherer Zukunft über dieses Recht abstimmen werden. Das politische Bild zeigt sich dabei wie gewohnt: Die Linke ist dafür, die Rechte dagegen und in der Mitte kämpft man um eine einheitliche Meinung. Man möchte weder die mehrheitlich zustimmende Stadt-, noch die traditionell konservativ eingestellte Land-Wählerschaft—gerade vor den Wahlen—nicht vergraulen.

Föderalismus

Wahlkreise gibt es eigentlich bei jeder Wahl. In der Schweiz sind sie aber besonders verwirrend, da traditionell: die Kantone. Im Nationalrat werden die einzelnen Kantone nach ihrer Bevölkerungszahl abgebildet. Während im Kanton Zürich 35 Sitze vergeben werden, muss sich etwa der Kanton Glarus mit einem einzigen Sitz zufrieden geben. Im Ständerat hat er da schon mehr zu sagen. Die zweite Kammer gilt als Vertretung der Stände. Unabhängig von seiner Grösse besitzt jeder Kanton zwei, jeder Halbkanton—BS, BL, AI, AR, NO und NW—einen Sitz.

Gott

Der olle Onkel über den Wolken, ob christlich oder nicht, spielt natürlich auch bei diesen Wahlen wieder eine Rolle. Und zwar nicht nur indirekt, indem die religiöse Einstellung auf Sachfragen Auswirkung hat. Mehr denn je mischen sich freikirchliche und evangelikale Kreise in den Wahlkampf ein und stellen—respektive unterstützen—sogar eigene Kandidaten. Dabei scheint ihr Einfluss nicht nur auf offen christliche Parteien wie EDU und EVP beschränkt: Selbst in den Kandidatenlisten der Sozialdemokraten finden sich Anwärterinnen und Anwärter mit einem Fischchen-Sticker auf dem Auto, so etwa der Solothurner Nationalrat Philipp Hadorn.

Foto von Martin Abegglen | Flickr | CC BY 2.0

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Hackordnung aka Listenplatz

Die Reihenfolge (und natürlich auch die Auswahl) der Kandidaten auf den einzelnen Wahllisten ist alles andere als willkürlich. Schon lange vor den Wahlen ringen die Parteien um eine optimale Aufreihung ihrer Kandidierenden. Bei den einen geht es um die Frage der Gerechtigkeit (in Bezug auf Geschlecht oder Alter), bei den meisten um die besten Gewinnchancen. Umso höher oben man steht, umso besser sind diese nämlich, wobei die Ehemaligen in der Regel zuoberst aufgelistet werden.

Immigranten

Alle Asylsuchende sind Immigranten, aber nicht alle Immigranten sind Asylsuchende. Geht es nach der SVP, dann gehört sowieso nur ein ganz, ganz, ganz, ganz kleiner Teil der Ausländer in der Schweiz dazu. So stellt sich auch dieses Jahr wieder die Frage: Was ist ein guter Ausländer? Und haben wir überhaupt noch Platz? Neue Parteien wie Ecopop oder eben die DPS gehen mit diesem Thema auf Stimmenfang. Doch auch die umgekehrte Taktik gibt es: Auf der linken Seite nämlich wird laut darüber nachgedacht, ob das Wahlrecht reformiert und irgendwann auch Einwohner ohne Schweizer Staatszugehörigkeit gewisse politische Rechte erhalten sollen. Für die Wahl im Oktober gilt aber nach wie vor: Ohne Schweizer Pass kein Stimmrecht.

Jungparteien

Die politische Nachwuchsförderung ist das A und O für die Zukunft einer Partei. Wenn wir aber ehrlich sein sollen, dann firmieren die Jugendorganisationen im Wahlkampf meistens vor allem als Wahlhelfer ihrer jeweiligen Mutterpartei, indem sie diese dank Listenverbindungen (siehe weiter unten) unterstützen. Warum sich hunderte Jungpolitikerinnen und -politiker trotzdem die Mühe machen, Flyer zu verteilen und für Fotos zu lächeln? Wer nach oben will, muss klettern, muss sich zuerst profilieren.

Konkordanz

Konkordanz Normalerweise wird die stärkste Partei nach einer Wahl mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Schweiz aber wäre nicht die Schweiz, wenn sie es nicht auch da genauer nehmen würde als andere Nationen. Gut helvetisch setzen wir auch da auf Kompromiss, genauer auf die Konkordanz. Nach den Wahlen nämlich wählt das Parlament die sieben Bundesräte und orientiert sich dabei seit Jahrzehnten an der Wählerstärke der Parteien. Nicht immer aber nach deren vorgeschlagenen Personen, sodass 2007 SVP-Fürst Blocher zugunsten der moderateren Bündnerin Eveline Widmer-Schlumpf abgewählt wurde. Letztere nahm die Wahl dennoch an, wurde darauf aus der SVP ausgeschlossen und diese jammert seither über ihre Untervertretung in der Regierung.

Listen(-verbindungen)

Eine Partei stellt nur eine Liste mit Kandidaten? Falsch! Um ihre Wahlchancen zu erhöhen, treten gerade die grossen Parteien mit mehreren Listen an. Regional unterteilt, Junge, Senioren oder Speziallisten—der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. So tritt etwa gar die SVP im Kanton Zug mit einer separaten Secondo-Liste, genannt „SVP international" an. Geht es dann um die tatsächliche Verteilung von Mandaten, werden die verschiedenen Listen, die sich verbunden haben, wie eine einzige betrachtet. Da so am Ende ein zusätzlicher Sitz möglich ist, gehen auch verschiedene Parteien gemeinsame Listenverbindungen ein.

Milizpolitik

Der Feind jedes Stammtisch-Polterers ist die Classe politique. Was die Rössli-Stumpen-Raucher dabei vergessen: die Schweiz ist eines der wenigen Länder auf der Welt mit einem Milizsystem. Offiziell gibt es in der Schweiz, ausgenommen von der Regierung, keine Berufspolitiker. Toni Brunner (SVP) ist Bauer, Bea Heim (SP) Rhythmik- und Heilpädagogin und Philipp Müller (FDP) Unternehmer mit eigener Baufirma. Der mittlerweile in der Politik aber mit Abstand weit verbreiteste Beruf ist die Juristerei. Deshalb ist es nicht verkehrt, wenn Experten meinen, dass das Schweizer Parlament immer mehr aus Berufspolitikern besteht, deren eigentliche Profession vermehrt in den Hintergrund tritt.

Nichtwähler

48.5 Prozent betrug die Wahlbeteiligung bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2011. Jeder Zweite schmiss sein Wahlkuvert damals also in die Tonne (oder verlor es am Vorabend zwischen Shots kippen und Döner bestellen). Wie man dieses brach liegende Potential an Wählerstimmen nur abholen könnte, fragen sich deswegen alle Parteien. Schmissige Songs à la SVP? Telefonanrufe wie die SP? Oder doch einfach eine Liste gründen, die sich nichtwähler.ch nennt, wie im Aargau geschehen? Wahrscheinlicher aber ist, dass die Zahlen auch dieses Jahr im selben Rahmen ausfallen werden.

Foto von Martin Fisch | Flickr | CC BY 2.0

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OLIGARCHIE?

Gewählt werden will bezahlt sein. Plakate, Flyer, eine professionelle Website oder der Song des Jahres kosten. Über den teuersten Wahlkampf in der Geschichte der Eidgenossenschaft sollen wir uns dieses Jahr freuen dürfen. Von Oligarchie zu sprechen wäre zwar (noch) etwas übertrieben. Trotzdem stellt sich die Frage: Wer zahlt das alles? Anders als in anderen Ländern müssen unsere Parteien ihre Spenden und damit ihre monetären Verklüngelungen nicht offenlegen. Klar ist nur: Alle Parteien werden von Firmen, Interessensverbänden und Privatpersonen in Millionenhöhe unterstützt. Und von den Kandidierenden wird (zumindest in gewissen Kantonalparteien) sowieso erwartet, dass sie mit einem namhaften Betrag ihren Listenplatz mittragen.

PANASCHIEREN UND KUMULIEREN

Du findest, Adrian Amstutz trägt zurecht den Beinamen „George Clooney der Alpen", würdest ihn deshalb gerne wählen, kannst jedoch die SVP nicht ausstehen? Abgesehen davon, dass es nicht die klügste Entscheidung ist, Politiker wegen ihrem Aussehen an die Macht zu bringen, steht dir dabei nichts im Wege. Frei von der Leber weg kannst du nämlich Kandidaten von einer Liste streichen und durch andere Kandidaten ersetzen (panaschieren). Oder, falls eine oder einer einem ganz gut gefällt, die Person gleich doppelt draufschreiben (kumulieren). Oder, wenn du Parteien per se misstraust, die leere Liste verwenden und nach eigenem Gusto kreuz und quer Kandidierende auswählen.

Quereinsteiger

Da es, wie weiter oben ausgeführt, in der Schweiz offiziell keine Berufspolitiker gibt, sind eigentlich alle Kandidierenden Quereinsteiger. Landläufig werden darunter aber Personen verstanden, die vor ihrer Aufstellung zur Wahl gar nie (partei-)politisch tätig waren. Vor allem berühmte Quereinsteiger können sich dabei der Aufmerksamkeit der Medien sicher sein und nützen der Partei als zusätzliche Wahllokomotiven. Der Shootingstar dieses Mal: Roger Köppel. Ob man die politischen Ambitionen des rechtsbürgerlichen Weltwoche-Chefs und Blocher-Verehrers aber wirklich als Quereinstieg bezeichnen kann, lassen wir mal dahingestellt.

Foto von DrJunge | Wikipedia | CC BY 3.0

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Resultatestudio

Vielleicht liegt es an meinem Live-Fetisch, aber: Ohne die gut und gerne sieben Stunden dauernde Berichterstattung des Schweizer Fernsehens wäre das Wählen nur halb so schön. In bester CNN-Manier, soll heissen mit bunten, animierten Infografiken, von sich selbst überzeugten Expertengruppen und keine noch so triste Beiz auf dem Lande scheuenden Aussenreporter wird das Warten inszeniert. Und wenn die ersten Hochrechnungen und Resultate aus kleinen Kantonen dann nach ein paar Stunden voller Spekulationen und heisser Luft kommen, dann strahlt Claude Longchamp, die Fliege der Nation.

Spassparteien

Auch wenn keine andere in diesem Wahlkampf mehr Gaudi und Festbankstimmung verbreitet als die SVP: Unter Spasspartei verstehen wir etwas anderes. Auch dieses Mal haben wir nämlich auch wieder die Wahl zwischen einigen obskuren Vereinigungen, wobei die Unterscheidung zwischen Ironie und Irrsinn selten einfach zu vollziehen ist. So stehen in Zürich die Powerpoint-Partei, im selben Kanton auch eine Anti-Blitzkasten-Partei, in Bern das Chemtrails bekämpfende Alpenparlament und im Kanton Solothurn die Liste „el presidente" zur Wahl, welche aus genau einem einzigen Kandidaten besteht.

Taggeld

Politiker leisten der Gesellschaft unbestritten einen wertvollen Dienst. Diese Aufopferung für das Gemeinwohl wird vom Staat vergütet und zwar mehr als angemessen, wie wir finden. Nur schon die 115 Franken Verpflegungsspesen pro Sitzungstag (mindestens 65 pro Jahr) lassen uns von Filet und Trüffeln träumen. Kommen dazu noch 26'000 Franken jährlich für Sitzungen, 33'000 Franken für Personal- und Sachausgaben, 440 Franken pro Sitzungstag und 4640 Franken für ein 1. Klasse-GA dazu und wir sind bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 7'723 Franken. Nicht schlecht für einen Nebenjob, wie wir finden.

Unbehagen

Welche Sorgen uns Eidgenossen bedrücken, das wollen Studien in unregelmässigen, aber kurzen Abständen von uns wissen und es ist nicht erstaunlich, dass sich auch politische Akteure mit solchen Erhebungen auseinandersetzen. Immerhin soll man die Ängste der Bevölkerung ja ernst nehmen. Erst vor einem Monat wurden die Ergebnisse der jüngsten solchen Umfrage veröffentlicht und überraschten nicht wenig: Anstatt der erwarteten Asyl-Problematik, steht die Furcht vor Krieg an der Spitze, gefolgt von Umwelt/Klima und dem Alltagsstress.

Foto von Dodo von den Bergen | Wikipedia | CC BY 3.0

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Verbandelungen

Natürlich brauchen Politiker ein Netzwerk. Um gewählt zu werden nur schon, um etwas durchsetzen zu können später. Aber entscheidet ein Parlamentarier noch im Namen des Volks, im Hinblick auf dieses, wenn er oder sie gleichzeitig in fünf, zwölf, fünfzehn oder gar 33 Organisationen (Vorstands-)Mitglied ist wie der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri? Natürlich sind dabei die Bürgerlichen die Spitzenreiter, aber auch Linke geben sich in Stiftungen, Vereinen, Gewerkschaften und Dachorganisationen die Klinke in die Hand. Im Gegensatz zur Parteienfinanzierung müssen (bereits gewählte) Parlamentarier diese Interessenverbindungen zwar offenlegen, ob und wie hoch solche Posten aber vergütet werden, bleibt im Dunkeln.

Wiederwahl

Es ist wie überall: Was man kennt, mag man mehr. Wo Bisherige, also bereits 2011 Gewählte, antreten, ist die Chance gross, dass sie auch dieses Mal wieder das Rennen machen, vorausgesetzt natürlich, sie konnten sich aus Skandalen und ähnlichem raus halten, ihre Parteien haben ihnen einen guten Listenplatz verteilt und sie müssen nicht gegen neue Kräfte antreten. So oder so zittern müssen die Bisherigen in den Kantonen Solothurn und Bern: Wegen Bevölkerungsverschiebungen verlieren sie jeweils einen Sitz im Nationalrat.

Xherdan, Xhaka & Co. – die Secondos

Die Stimmbevölkerung besteht längst nicht mehr nur aus Meiers und Studers und Lüthis. Auch Namen wie Luketic oder Malushi, Torres oder Vadaparampil stehen heute in einem Schweizer Pass, rund ein Fünftel besitzt Migrationshintergrund. Den Parteien ist diese Entwicklung nicht entgangen und so portieren sie vermehrt Secondos—in der Hoffnung, neue Wählergruppen für sich zu gewinnen. Dass dies nicht immer klappt, musste 2011 sogar die SP erfahren, deren vornehmlich weltoffene Anhänger bei den letzten Wahlen nach Balkan und anderem Ausland klingende Namen eher von der Parteiliste strichen.

Y-Chromosom

Es ist nicht nötig, aus zwei verschiedenen Chromosomen zu bestehen, aber es hilft ungemein, in der Politik genauso wie anderswo. 58 Frauen sitzen derzeit im 200-köpfigen Nationalrat, nicht einmal ein Drittel. Im Ständerat ist die Situation noch unausgeglichener, dort gehört gerade mal ein knappes Fünftel dem weiblichen Geschlecht an. Natürlichen tragen die Wählenden Mitschuld an diesem Ungleichgewicht, doch auch die Parteien daran nicht unschuldig. Gerade mal sechs Kandidatinnen finden sich unter den 35 Personen, die etwa die SVP Zürich zur diesjährigen Wahl aufgestellt hat und in kleineren Kantonen mit dementsprechend weniger Sitzen wie in den beiden Appenzell balgen sich ausschliesslich Männer um ein Mandat.

Zukunft

Ja, darum geht es. Wir wählen nicht für morgen oder übermorgen, wir wählen für die nächsten vier Jahre (und die Konsequenzen werden wir noch viel länger spüren). Und die Probleme, die die Damen und Herren im Bundeshaus zu lösen haben werden. Oft genug wirkt der Wahlkampf wie eine absurde Zirkusshow, doch bei allem Unterhaltungswert, den auch wir geniessen. Am Schluss sollten nicht die Lautesten, die Reichsten, die Witzigsten nach Bern geschickt werden, so verlockend es auch sein mag, sondern die Fähigsten. Wer das sein könnte, das ist am Ende eure Entscheidung. Wir hoffen, euch mit unserer Berichterstattung die nötigen Informationen dafür zu geben. Und euch nebenbei natürlich auch etwas zu unterhalten.

Daniel Kissling beobachtet die Politik amüsiert und irritiert auf Twitter: @kissi_dk

Vice Schweiz verfolgt die Wahlen 2015 auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild von Marc Schlumpf | Wikipedia | CC BY 3.0