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Wurde die Huffington Post von einem rechtskonservativem Troll gehackt?

Ein verwirrter Musikwissenschaftler prophezeit den Niedergang Deutschlands und das Verbot von Schweinefleisch.

Screenshot des Huffington-Post-Artikels (mittlerweile offline)

Die Huffington Post Deutschland war bislang nicht dafür bekannt, rechten Meinungen ein Forum zu bieten. Um so mehr verwundert es, dass vorgestern in der Blog-Rubrik der Seite ein Artikel erschienen ist, bei dem man sich fragt, ob es sich hier um eine nicht gekennzeichnete Satire im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Experiments handelt oder ob die Huffpost von einem rechtskonservativem Troll gehackt wurde, der munter seine absurden Thesen über den Untergang des Abendlandes verbreitet. Ein Hinweis darauf ist, dass der Beitrag gestern Mittag wieder gelöscht wurde.

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In seinem Beitrag „Flüchtlingskrise: Der Niedergang Deutschlands droht" prophezeit der Autor Dr. Klaus Miehling ein Horrorszenario für die Bundesrepublik Deutschland und wirft mit Vorurteilen, Hetzphrasen und schlichtweg absurden Dummheiten um sich, als hätte ihn die AfD persönlich dafür engagiert. Gleich zu Anfang erklärt Miehling, dass die EU nicht wie allgemein fälschlicherweise angenommen als ein Wirtschaftszusammenschluss gegründet wurde, um den Handel zwischen einzelnen Ländern zu erleichtern, sondern als „ein sozialistisches Umverteilungsexperiment", bei dem „Deutschland die Rolle als Hauptzahler zugedacht war". Auch in der sogenannten Flüchtlingskrise sorgt er sich vor allem um den deutschen Steuerzahler, der immer wieder ausgepresst und abgemolken wird und nun auch noch für Hunderttausende Ausländer aufkommen soll, die niemand eingeladen hat und die Deutschland unmöglich beherbergen kann.

Soweit ließe sich Miehling mit viel Nachsicht noch als konservativer Wirrkopf einordnen, doch was darauf folgt, kann man nicht mehr anders als rechtspopulistische Hetze bezeichnen: Es sei „unvermeidlich", dass durch die Aufnahme von Flüchtlingen auch „Kriminelle und Terroristen" ins Land gekommen seien. Da die meisten der Neuankömmlinge muslimischen Glaubens sind, prophezeit der Autor dem bereits multi-kulti-verseuchten Deutschland ein „Apardheitssystem", in dem es auch für die deutschen Bundesbürger in naher Zukunft kein Schweinefleisch und keine Miniröcke mehr geben werde.

Aber es wird noch besser: „In Schweden, dem zweiten Gutmenschen-Land Europas, ist die Anzahl der Vergewaltigungen zwischen 1975 und 2014 um unfassbare 1.472 Prozent gestiegen und die Kurve verläuft parallel zur Anzahl der bewilligten Asylanträge. Man kann pointiert sagen: Jede Frau, die von einem der in den letzten Wochen unkontrolliert Hereingelassenen vergewaltigt wird, wird auch von der Bundesregierung vergewaltigt." Als Quelle beruft sich Miehring hier auf einen Artikel der StatusQuo NEWS, ein „alternatives Medium", das sich zum Ziel gesetzt hat, seine Leser über Medienmanipulation und das internationale Geldsystem „als Wurzel fast aller persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Probleme" aufzuklären. Angst, für ihre Schandtaten hinter Gittern zu landen, müssten die Flüchtlinge dabei übrigens nicht haben, weil sie schon jetzt „alles tun" könnten, ohne abgeschoben oder verurteilt zu werden. Eine Aussage, die schon angesichts der Verschärfung des deutschen Asylrechts vollkommen realitätsfern ist.

Das einzige, was Deutschland laut Miehling jetzt noch vor dem drohenden Niedergang bewahren könnte, ist ein breites Bündnis aus CSU, AfD und der Initiative Pro Deutschland, die sich alle zu „einer neuen Volkspartei zusammen schließen" sollten. Was dabei fast noch mehr schockiert als der Artikel selbst, ist die Tatsache, dass die Kommentare zu Miehlings Absurditäten fast ausschließlich positiv ausfallen. Ein stolzer Nationaldemokrat freut sich, dass er aufgrund seiner Gesinnung doch nicht überall als „Bodensatz der Menschheit gilt", ein anderer lobt Miehling für seine – Achtung! – Sachlichkeit und seinen „bemerkenswerten Journalismus". Dass Miehling auf den allerletzten Metern etwas zurückrudert und im letzten Satz seines Textes fordert, dass Deutschland ein Zeichen „FÜR Weltoffenheit, FÜR Toleranz und FÜR Menschen in Not" setzen solle, macht alles Vorangegangene nicht weniger schlimm. Und wenn das Ganze am Ende doch bloß ein Scherz sein sollte, ist es ein verdammt schlechter.

Bei Miehling selbst handelt es sich übrigens nicht um ein Pseudonym von Thilo Sarrazin, sondern um einen Musiker und promovierten Musikwissenschaftler, was ihn natürlich zu einem vertrauenswürdigen Experten auf dem Gebiet der Asylpolitik macht. Offensichtlich war Miehling schon immer ein Freund kontroverser Meinungen. Ein Beweis dafür ist seine Theorie, das Popmusik für alles Übel in der westlichen Welt verantwortlich sei, worüber er sogar ein 686 Seiten langes Buch mit dem catchy Titel Gewaltmusik – Musikgewalt: Populäre Musik und die Folgen geschrieben hat. Auf seiner Homepage, die zeigt, dass der Musikwissenschaftler auch dem technischen Fortschritt eher skeptisch gegenüber steht, wies er außerdem in der Vergangenheit schon auf ein Video der Bürgerbewegung Pro Deutschland hin und behauptete, die NPD sei nicht wirklich eine rechtsextreme Partei.

Nachdem die Frage nach Miehlings Identität geklärt ist, bleibt allerdings immer noch die Frage offen, warum ein Mensch, der solche Meinungen vertritt, auf der Seite der Huffington Post überhaupt einen Beitrag veröffentlichen konnte. Die Huffington Post hat inzwischen eine Stellungnahme veröffentlicht und begründet, warum sie den Artikel gelöscht hat und warum er überhaupt erst veröffentlicht worden ist (ist „durchgerutscht").