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Popkultur

Der Papa der Gremlins will mehr als nur kreischende Busen

Wir haben mit Joe Dante gesprochen, einem der witzigsten Horror-Filmemacher der letzten 35 Jahre. Er liebt Pacific Rim und hält die Situation in Syrien für ziemlich verrückt.

Joe Dante ist ein äußerst lieber Kerl mit grauem Haar und einigen Klassikern im Filmemachersack: The Howling, Gremlins 1+2, Explorers, Innerspace, Amazon Women on the Moon, The 'Burbs, Small Soldiers und etliche zwielichtige Serienepisoden. Am meisten hat mich jedoch verwundert, dass der Horror-Grampa, Folgen der Serie Police Squad (Vorläufer von Die nackte Kanone) gemacht hat und sogar bei dem teen-revolutionären Rock and Roll Highschool mitgemischt hat.

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Während sich vor zwei Dekaden alle die Hälse heiser geschrieen haben und/oder vor Ekel ohnmächtig wurden bei Horror-Orgien wie Lord of Illusions oder Gesichter des Todes, bevorzugte ich immer den subtileren Film-Mindfuck des Herrn Dante (bitte entdeckt Innerspace wieder), versehen mit vereinzeltem Kichern.

Ich hatte nun die große Ehre ein Skype-Gespräch mit eben diesen großen Regisseur, Joe Dante, zu führen, wobei wir uns beide als ziemlich unfähig in Sachen Internetkommunikation herausstellten. Unsere Namen richtig zu schreiben und den Online Status korrekt einzustellen war komplizierter als gedacht.

Vielleicht lag es auch eher an meinem Unwillen zu akzeptieren, dass ich im dunkel-tristen Wien um 8 Uhr in der Früh gesprächsbereit sein sollte, während Joe Dante gerade den Sonnenuntergang auf einer Veranda in Hawaii genießt. Aber der anfänglichen Probleme zum Trotz gelang es uns letztlich doch noch eine Unterhaltung, ganz ohne Tränen und ohne dass eine Assistentin gefeuert werden musste.

VICE: Spreche ich mit Joe Dante? Wie lang können wir reden?
Joe Dante: Hallo, ich hab nix zu tun. Morgen drehe ich halt wieder.

An was arbeitest du gerade?
Ich habe einige Episoden der TV-Serie Hawaii Five-O gemacht. Da drehen wir gerade weiter.

Du kommst fürs /slash Filmfestival und in Kooperation mit dem Österreichischen Filmmuseum nach Wien. Freust du dich schon und was hältst von unseren cinephilen Institutionen?
Es klingt alles sehr toll und ich kann es kaum erwarten, die Leute und alles zu sehen. Und Österreich, ich war auch noch nie da, aber viele Leute erzählen mir, wie schön es dort ist. Das kann nur gut werden.

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Ich habe vor kurzen deinen letzten Film The Hole gesehen, ein leicht abstrakter Horrorfilm mit einigen für dich klassischen und amüsanten Elementen. Wie funktioniert diese Stilistik, die du irgendwie erfunden hast, und der extrem starke Wiedererkennungseffekt? Gibt es ein Rezept?
Da gibt es eigentlich kein Rezept. Ich muss gleich vorweg sagen: Ich mache keine Filme, die ich mir nicht auch selbst im Kino ansehen würde. Wenn mir jemand ein Skript gibt und ich mir denke, den Mist würde ich mir niemals anschauen, kann ich mit dem Material auch nicht arbeiten.

Also machst du alle Projekte immer zu deinem Film.
Der Anspruch, den Film zu „meinem" Film zu machen und ihm meinen Stempel aufzudrücken, ist natürlich ein Streitpunkt. Die Leute, die mir das Geld geben, möchten natürlich den geradlinigsten und anständig profitablen Streifen bekommen, der möglich ist und den JEDER lieben wird. Ich denke aber nicht, dass das der Weg ist, um interessante Filme zu machen. Ich habe in meiner Karriere so viele Reibereien mit Produzenten hinter mir, aber meistens war ich fähig, mich zu behaupten und die Filme letztlich zu „meinen" Filmen zu machen.

Hast du dahingehend Vorbilder, also ich meine stiltechnisch?
Alle meine Lieblings-Regisseure haben einen starken Wiedererkennungseffekt. Wenn ich damals den Fernseher eingeschaltet habe oder heute auf den Classic-Channel klicke, und einen alten Schinken sehe, ich erkenne zum Beispiel an Hand des Lichts oder bestimmter Kameraeinstellungen sofort, welches Studio den Film gemacht hat oder welcher Regisseur dahintersteht. „Ah, das kommt mir bekannt vor, ein Colombia Pic, und der ist von dem und dem." Und das nur, weil alle Regisseure, die mich interessieren, einen eingehenden persönlichen Stil haben.

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In deinem Fall wäre der wiedererkennbare Stil weniger ein Kameraeffekt, sondern eher, was du mit den Filmfiguren anstellst. Man hat bei deinen Filmen wie Explorers, The 'Burbs', Small Soldiers und eben auch bei The Hole immer gleich so eine Verbindung mit den Charakteren, der Gruppe, mit den Kids, das Publikum gehört sofort zur Bande dazu. Wie schafft man so eine Atmosphäre?
Das ist wohl allgemein das Geheimnis, wie man das Publikum und die Protagonisten einer Geschichte zusammenschweißt. Beim Filmemachen sind die Charaktere dein einziges Werkzeug, außer man entscheidet sich, 90 Minuten durchgehend alles in die Luft zu jagen. Gerade bei einem kleinen Film wie The Hole, der insgesamt mit nur fünf verschiedene Drehorten und letztlich sieben Charakteren auskommt, fand ich diese Miniwelt der Figuren und die Herausforderung, wie man Leute da hineinziehen könnte, recht spannend. Hey, wenn einem die Charaktere eines Films egal sind, dann wird einen auch die Handlung nicht interessieren.

Eine Schlüsselszene in The Hole scheint genau dafür sehr repräsentativ: Wie die drei Kids mit Rollerblade-Helmen und Paintball-Gewehren das spooky Loch im Keller bewachen und plötzlich die Mutter reinplatzt. Wir sind als Publikum Teil der irren Mission und stehen vor dem verständnislosen Eindringling.
Wenn man ein Kind ist, bastelt man sich diese eigene Welt und wenn da Erwachsene eindringen, fällt alles auseinander und schrumpft auf eine fantasielose Größe zusammen–nur wegen den Autoritätsfiguren. Und dieses Mindset, in dem sich Kinder befinden, wenn sie alleine sind und ihre eigenen wirren Welten erschaffen und bewohnen, ist dasselbe, wie bei uns Filmemachern! Es ist der gleiche ernüchternde Schrecken für uns, wenn das Studio bei der Tür reinkommt und die Nase in unsere Welt steckt. Der Unterschied ist nur, dass die Mutter im Film ihre Kinder liebt, was auf große Studios wohl eher nicht zutrifft.

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Gibt es ansonsten noch außergewöhnliche Auffälligkeiten bei deinen Filmen?
Ich wurde auch schon darauf aufmerksam gemacht, dass es bei mir nie so richtige Bösewichte gibt. Die Typen, die normalerweise die Bad Guys sein müssten, werden bei mir oft mehr sympathisch, mitleiderregend oder man versteht sie einfach irgendwie. Ich versuche solche Figuren klar und nachvollziehbar darzustellen und auch die Art, auf die sich das Publikum mit ihr identifizieren kann. Wir haben alle unsere dunkle Seite und auch die Bösen haben gewisse Motivationen. Meine Lieblings-Bad-Guys sind immer die gewesen, die trotz ihrer Verbrechen teilweise Mitleid oder Wohlwollen hervorrufen. Das ist einfach interessanter. Raymond Burr in Das Fenster zum Hof ist ein gutes Beispiel. Der leidet offensichtlich unter seiner fürchterlichen Frau, weshalb er sie dann eben auch umbringt, aber am Ende wimmert er aufgelöst zu James Stewart: „Was kann ich tun, was willst du?" Da tut mir Burr dann richtig Leid.

Das ist kein klassisch schwarzweißmalerisches Star-Wars-Gut-und-Böse.
Genau, und ich meine bei The 'Burbs sind die Klopeks die vermeintlichen Bad Guys und man ist sich den ganzen Film hindurch gar nicht sicher, ob das überhaupt stimmt. Der Twist am Ende ist: Oh doch, sie sind tatsächlich Schweine. Auch bei The Howling, einem meiner ersten Filme, gibt es diesen fiesen Doktor, der offensichtlich der Bösewicht ist, aber objektiv betrachtet verwaltet er nur ein Erholungsresort (Dee Wallace im Whirlpool!) beziehungsweise eine Werwolf-Kolonie, die lernen möchte, was es heißt, ein Mensch zu sein. Das ist doch auch irgendwie rührend und nachvollziehbar.

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Die Puppen und Kreaturen haben dann bei dir schnell die Bad Guy-Rolle übernommen. Was noch auffällt, ist, dass im Vergleich zu dem, was auf dem /slash filmfestival noch alles an Splatter und Trash-Gore läuft, The Hole ein ziemlich blutloser Film zu sein scheint.
Einerseits ist der Film ja als eine Art Retro-80ies-Revival konzipiert und die Produzenten drängten in Richtung „Horror-Film für die ganze Familie", wobei ich ehrlich gesagt nicht weiß, ob so etwas überhaupt noch existiert. Hinsichtlich des Grausamkeits-Levels ist der Film eigentlich mehr „Stephen-Kingish" als „slasherisch".

Interessant, weil dieses 80er-, 90er-Jahre-Gefühl tatsächlich bei The Hole sehr stark zur Geltung kommt. Warum kannst du deinen eigenen Stil eigentlich erfolgreich und unterhaltsam wiederbeleben, während Typen wie Oliver Stone bei Savages ihre eigene alte Stilistik ausgraben, die dann nur peinlich und mies wirkt?
Ich weiß jetzt nicht, ob man das vergleichen kann. Hängt davon ab, was du im Film sagen willst und was du damit vorhast. Offensichtlich ist The Hole an ein bestimmtes Zielgruppenpublikum vermarktet worden, genau wie damals Explorers. Meine brutalsten und blutrünstigsten Filme habe ich am Anfang meiner Karriere gemacht. Wie eben The Howling, den wir als Rated-R auf den Horror Markt geworfen haben, weil wir ihn nicht als „Werwolffilm" verkaufen konnten, da das zu altmodisch geklungen hätte. Also haben wir so getan, als wäre es ein Slasher.

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Was hälst du von der Entwicklung der ultrabrutalen Slasher und Horrorfilme heutzutage?
Es ist schon witzig, zu sehen, wie sich mittlerweile die Verstümmelung des menschlichen Körpers zu einer Lachnummer entwickelt hat. Meine 17-jährige Nichte lädt am Samstagabend ihre Freunde ein und sie lachen sich quer durch die Final Destination-Reihe. Mit 17 denkst du nicht daran, tot zu sein. Der Tod ist nicht real, nur ein Gag. Dann wird man älter und plötzlich ist der Tod gar nicht mehr so lustig, weil er plötzlich neben dir im Bus sitzt. Deshalb hat meine Generation einen anderen Zugang zum Horror als das vorherrschende Publikum, das immer jung war und immer jung sein wird.

Das ist also der Grund, warum hauptsächlich junge Leute die grausamen Zerstückeleien im Kino schauen?
Die Liebe zum Erschrecken und Horror beginnt meist als Kind oder Teenager, weil man in der Zeit rebellieren und genau die Filme schauen will, die einem die Eltern nicht erlauben würden. In der Zeit will man den Tod in seiner grausamen Übertriebenheit auslachen und erschrocken im Kinositz herumhüpfen, wie in der Achterbahn eben. Und das ist auch gut so. Aber meine Lieblingsfilme aus dem Genre sind nicht die Metzeleien und Blutorgien. Ich denke da viel mehr an The Haunting, The Innocents, die fand ich toll. Oder ein aktuelleres Beispiel wäre eben The Conjuring und auch The Woman in Black. Die haben diesen klassischen psychologisichen Schrecken der alten Klassiker ganz gut nachempfunden. Ich finde das herausfordernd und vor allem unterhaltsamer, als dieses ständige Abreißen von Körperteilen.

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Ich erinnere mich noch, als ich 10 oder 12 war und bei meiner Oma ferngesschaut habe. Es lief Bill und Ted's Bogus Journey, also nicht einmal ein Horrorfilm, und die landen da irgendwie in der Hölle und verarschen den Sensenmann. Meine Oma fand es richtig scheiße und geschmacklos, wie respektlos der Tod dargestellt wurde. Ich habe das damals überhaupt nicht verstanden.
Ja, aber deine Granny hat es verstanden. Das war eine komplett andere Sichtweise, weil es für dich nicht echt war. Überleg dir mal, wie populär und verflucht erfolgreich diese Filme waren, auch Final Destination, Saw und das ganze neuere Horrorkino. In meiner Zeit galten Horrorfilme als Trash, unter aller Sau und wurden nicht annährend ernst genommen. In keiner Bibliothek hätte man ein halbwegs intelligentes Buch zur Gore-Genre-Geschichte gefunden. Die Filmgeschichte ignorierte diese Sparte über Jahrzehnte hinweg komplett, und jetzt ist es DAS Genre, das trotz allem überlebt hat. Wahrscheinlich wegen dem immer jung bleibenden Publikum, die auf den Geschmack kommen, der sie dann ein Leben lang verfolgt.

Wie hat das Horror-Genre ausgesehen als du jung warst?
Leute in meinem Alter, wir sind die Generation der „Monster Kids". Wir wuchsen in den 1950ern und 1960ern auf, waren frühen SciFi-Filmen mit gigantischen Insekten und radioaktiver Verstrahlung ausgesetzt, die Leute entweder sehr groß oder winzig klein machte. Und dann gab es im Fernsehen damals die Universal Horror-Pictures aus den 30er Jahren. Das war die Filmkost der „Monster Kids" und wir hielten wohl auch die Popularität dieser Filme aufrecht.

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Bei dem Schlagwort „Monster Kid" muss ich an Ray Harryhausen denken, der ja ein großer Spezialeffektmeister ab den 40ern war und den du auch mal interviewt hast. Woher kam der handwerklich orientierte Zugang zu Effekte bei dir?
Als Kind sieht man diese Monster und SciFi-Filme, denkt aber nicht darüber nach, wie die Effekte funktioniert könnten. Man akzeptiert mehr oder weniger, was man sieht, also gerade damals in den 50ern. Ray Harryhausen war auf seinem Gebiet der Spezialeffekte einfach allen haushoch überlegen, viel erfinderischer und einfallsreicher im Vergleich zu anderen Produktionen seiner Zeit. Außerdem hatte er auch das Glück, lange genug zu leben, um von den Leuten, die mit seinen Filmen groß geworden sind und sie lieben, wiederentdeckt zu werden und den verdienten Ruhm zu kassieren. Seinem Mentor Willis O'Brian, der den alten King Kong animierte, erging es schlechter und er starb ohne wirkliche Anerkennung für seine Arbeit zu bekommen.

Ray Harryhausen ist ja traurigerweise im Mai dieses Jahres gestorben.
Ich bin sehr froh, einer der Menschen gewesen zu sein, die Ray damals noch hochleben haben lassen. Das Erstaunlichste ist eigentlich, dass er seine Filmeffekte, die bei heutigen Produktionen hunderte Millionen von Dollar kosten, ganz alleine und für fast null Budget gebastelt hat. Der hat ganz alleine mit seiner genialen Tricktechnik in irgendeiner Garage das geschafft, was heute tausende Menschen kompliziert mit CGI und über einen viel längeren Zeitraum hinweg herstellen. Letzten Endes war es die Persönlichkeit eines einzigen Mannes, die jene Charaktere und Effekte ausgemacht hat, und auch, wenn wir heute diese wunderbar animierten, aalglatten Computer-Monster haben, machen sie nicht denselben eindringlichen Eindruck wie Rays fliegende Untertassen, Monster oder Stop-Motion-Städte-Zerstörungen.

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In diesem Zusammenhang fallen mir die neuen Pirhana-Filme ein. Du hast 1978 ja das Original gedreht, bist also sozusagen der Papa des Fischhorrors. Was hältst du von den Pirhana-Remakes?
Die neuen Pirhana-Filme sind den alten sehr ähnlich. Es ist die gleiche Idee und Prämisse. Die Leute zahlen, um zusehen zu dürfen, wie andere Leute von Monsterfischen gegessen werden. Ich habe in keinster Weise ein Problem mit den neuen Filmen, ich wünschte sogar ein wenig, dass ich damals auch die Möglichkeit gehabt hätte, Computeranimationen zu verwenden statt Attrappen. Es hätte uns die Sache so viel einfacher gemacht.

Was sagst du dann eigentlich zu einem Film wie Pacific Rim von Guillermo Del Toro?
In Bezug auf Pacific Rim sieht man, dass ein wahrer Künstler hinter dem Projekt steht. Deswegen fällt der Film besonders auf–neben Clash of the Titans und den ganzen gesichtslosen Monstern, die in ihrem peinlichen CGI herumlaufen. Genau wie in diesem Godzilla-Remake vor einigen Jahren, falls du dich erinnern kannst. Sie haben es geschafft, Godzilla KEIN Gesicht zu geben, was ich unfassbar bizarr finde. Das ganze Geld, das rausgeschmissen wurde, um das Remake eines Films über ein Monster mit Persönlichkeit zu machen, nur um ein Monster mit keinem Funken an Persönlichkeit zu fabrizieren. (lacht) Was für eine unglaubliche Zeitverschwendung. Der wurde eben von Leuten gemacht, die das Genre nicht verstanden haben.

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Und wie ist diese Sachlage bei Pacific Rim, deiner Meinung nach?
Pacific Rim steht dazu im kompletten Gegensatz, da Del Toro das Monster-Genre tatsächlich liebt! Er trägt seine Einflüsse aus japanischen Monsterfilmen und Anime stolz vor sich her und hat einen wahrhaftig unterhaltsamen Film abgeliefert. Es hat mich ein bisschen traurig gemacht, dass der Film in den Staaten nicht so erfolgreich war, wie er hätte sein sollen. JEDER 10-jährige Junge hätte von Pacific Rim wissen und den Film fieberhaft erwarten müssen. Aber dem war leider nicht so.

Ich fand den Film auch sehr super. Ich habe das Gefühl, dass Regisseure wie Tim Burton und Terry Gilliam, mit deren praktischen Spezialeffekte wir in den 80ern und 90ern groß geworden sind, bei ihren aktuelleren Filmen wegen dem CGI viel zu viel künstlerische Verantwortung und Autorschaft hergeben. Es ist einfach kein Herz mehr dabei.
Ich denke, das trifft den Nagel auf den Kopf. Computer Generated Imagery ist eine sehr anonyme Kunstform, an der ein Haufen Menschen arbeiten. Das kann wunderschön sein und ziemlich eindrucksvoll, aber mit den Schauspielern und tatsächlichen Materialien direkt am Set in Echtzeit zu arbeiten, gewährt einem interessantere Interaktionsmöglichkeiten. Versteh mich nicht falsch, die Praxis ist manchmal schrecklich, ich war auch schon an dem Punkt, wo ich keine Puppen und Attrappen mehr sehen konnte. Aber die Darsteller sind einfach besser, wenn sie ihr Spiel auf etwas Materielles beziehen können.

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Was wäre deiner Meinung nach die Lösung?
Ideal wäre eine Kombination von praktischen Spezialeffekten direkt am Drehort mit dem Einsatz von Computern in der Post-Production. Wenn ich Gremlins heute machen würde, könnte ich die ganzen Puppenspieler im Bild lassen und im Nachhinein mit CG-Effekte aus dem Shot zaubern. Damals mussten wir riesige Zeltstädte unter dem Filmset errichten, wo hunderte Leute mit Monitoren und Steuerdrähten untergebracht werden mussten. Jeder Puppenspieler musste hinter Sofas, Sessel oder in Teilen der Architektur versteckt werden. Die Methode mit dem nachträglichen Ausradieren der Spieler würde die Performance natürlich um einiges verbessern. Sasha Feiner hat einen Gremlin-Fanfilm gemacht, der genau so funktioniert. Er hat die Puppen selbst gebaut und animiert, alles vor einem Greenscreen und dann hat er den gefilmten Hintergrund eingefügt. Echt erstaunlich was Sasha da geleistet hat und ein gutes Beispiel für die Vereinbarkeit dieser beiden technischen Methoden.

Was war der erste Effekt, den du eingesetzt hast–vielleicht schon als Junge?
Damals habe ich noch keine Monsterfilme gemacht, weil ich nicht herausfinden konnte, wie das alles funktioniert. Aber ich kann mich noch erinnern, dass ich alle Kinder der Nachbarschaft eingeladen habe und sie in Cowboy-Hüte und mit Pistolen gefilmt habe. Wir hatten so eine Pferdekutsche aus Karton und für die Totale aus der Vogelperspektive habe ich einfach einen Modellwagen mit einem kleinen Pferd durch eine Westernstadt aus Spielzeug gezogen. Solche Sachen eben. Ich habe nie Horror gemacht, erst als ich dann ins Business kam.

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Warst du ein seltsames Kind, warst du freaky? Also ich meine, ob du oft wilde Fantasien hattest oder Angst vor eigenartigen Dingen? Sagen wir so: Waren damals Gremlins unter deinem Bett?
Die meiste Zeit fürchtete ich mich vor nichts, außer als ganz kleiner Junge, als ich den Film Them! gesehen habe. Da geht es um Riesenameisen, die dummerweise das gleiche Geräusch machen wie die Grillen in meinem Hinterhof damals. Dieser kleine Garten hinter unserem Haus lag direkt bei einem Abrissgelände mit spitzen Steinen und Sand. Es sah jedenfalls aus wie eine kleine Wüste und ich war überzeugt, dass die Riesenameisen dort wohnen und irgendwann durch mein Fenster krachen würden. Dann habe ich auch Tarantula gesehen, in dem es um eine gigantische Spinne geht und da gibt es eine Szene, wo sie nur zirka einen Meter groß ist und natürlich genau unter mein Bett passen könnte. Da traute ich mich dann auch länger nicht aus dem Bett. Aber nach 1957 war es dann vorbei mit den schlechten Horrorfilm-Erfahrungen. Meine Eltern meinten damals immer: „Wenn du dermaßen Angst von diesen Filmen bekommst, warum gehst du sie dann immer wieder ansehen?" Ich konnte mir nicht helfen, ich musste.

Ich habe auf der Internet Movie Database nachgeschaut und gesehen, dass du ein Filmprojekt namens Blackstar Canyon „in Vorbereitung" hast.
(lacht) Was?! Was soll das denn sein, davon habe ich noch nie gehört. OK, pass auf, alles was da auf IMDb steht, musst du mit einer Prise Skepsis lesen. Manchmal kommt ein Titel auf die Liste, weil ich vielleicht einmal ein Skript in den Händen hatte, aber nur weil ich was lese, heißt das nicht, dass es mein nächster Film wird.

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Aber The Man With Kaleidoscope Eyes wird schon passieren, die Bio über Roger Corman und die Entstehung seines LSD-Films The Trip mit Peter Fonda?
Ja, The Man With Kaleidoscope Eyes ist tatsächlich ein Projekt, an dem ich arbeite und das schon ganz gut aussieht. Wir müssen es noch richtig besetzen. Es wird mehr eine Komödie und begleitet Roger Corman durch die 60er.

Du hast auch zwei Episoden von Masters of Horror gemacht. Bei der Folge The Screwfly Solution geht es um Männer, die ihre Frauen umbringen. Hattest du auch schon mal ein Verlangen in die Richtung?
Nein, aber das ist wohl der düsterste Film, den ich jemals gemacht habe, ohne jeden Humor oder so. Das ist eine Geschichte, die ich gelesen habe, als ich zum ersten Mal mit Roger Corman zusammengearbeitet habe. Wir wollten sie verfilmen, aber konnten die Rechte nicht sichern. Dann haben wir die Episode eben gedreht und wenn ich mir das jetzt so überlege, muss ich wahnsinnig gewesen sein, einen eineinhalb-Stunden-Film daraus machen zu wollen. Die Geschichte ist so deprimierend und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand Geld gezahlt hätte, um das zu sehen.

Bleiben wir gleich bei den Frauen. Ich finde, du besetzt deine weiblichen Hauptrollen immer ziemlich super. Meistens Charaktere mit einem dunklen oder morbiden Hintergrund, gleichzeitig cool, hast du da ein bestimmte Vorlage, eine bestimmte Vorstellung.
Heldinnen, die nicht mehr als ein schreiender Busen sind und auf die Fresse fallen, weil sie vor einem Werwolf davonlaufen, finde ich uninteressant. Das sind Märchen-Archetypen und wir sind damit aufgewachsen, aber ich habe meine Vorstellung von Frauen ist eine andere.

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Wobei man sagen muss, dass Haley Bennett von The Hole und natürlich die wunderbare Phoebe Cates ziemlich sexy sind. Auf eine völlig andere Art, aber man ist sofort verliebt.
Oh Mann, Phoebe Cates war damals beim Dreh von Gremlins gerade mal 19 Jahre alt. Wenn du sie da direkt vor dir gehabt hättest, an diesem Set… du hättest dich zuerst einmal kurz niedersetzen müssen.

Also hast du dich, wenn man das zusammenfassend betrachtet, vom klassischen Horror-Business mit Sex und Gewalt sogar eher ferngehalten?
Ich habe schließlich nicht die Filmographie von Brian DePalma, ich habe nicht solche Probleme mit Frauen–ich sage jetzt nicht, dass er solche Probleme mit Frauen hatte, ich meine nur, Leute nehmen es aufgrund der weiblichen Opferrollen in seinen Filmen an. Letztlich ist das auch nur eine dramaturgische Technik, genau wie bei Hitchcock und seinen Frauen. Meiner Meinung nach ist eine interessante Frauenrolle die halbe Miete. Ich bin aufgewachsen mit den Horrorstereotypen, in denen Mädels nur kreischen können mussten. Die SciFi-Filme dieser Zeit waren ein bisschen anders, da es da oft Wissenschaftlerinnen waren und die gleichgestellt zu den männlichen Kollegen dargestellt wurden.

Ich muss auch noch nach dem Typen mit den meisten Cameos in deinen Filmen fragen. Ist Dick Miller dein Lieblingsschauspieler?
Hey, ich habe Dick Miller schon als Kind in Filmen zusammen mit Roger Corman gesehen. Ich fand Dick immer schon einen spannenden Schauspieler. Als die erste Zusammenarbeit mit Roger entstand, entschied ich mich schnell, auch Dick in meinem ersten Film einzubauen. Wir verstanden uns und von da an war Dick Miller Teil meines fixen „Sortiments", wie ich es nenne. Und wenn Regisseure mit Leuten arbeiten, mit denen alles hinhaut und bei denen die Kommunikation passt, dann bleibt man auch bei denen, und nach einiger Zeit hat man ein ganzes Team zusammen. Man versteht sich einfach besser und die Arbeit ist so viel lustiger. Und Dick ist in buchstäblich jedem Film von mir gewesen.

Es gibt Leute, die sagen, er wäre der beste Schauspieler Hollywoods überhaupt.
Ich bin mir sicher, dass er dem nur zustimmen könnte.

Darf ich kurz politisch werden? Ich weiß ja nicht, ob dahingehend Interesse besteht.
Klar, sicher, ich bin ein News-Junkie.

Was ist dein Standpunkt zum Syrien-Konflikt? Bist du für einen Militär-Einsatz?
Ich bin der Meinung, dass hier eine Situation vorliegt, bei der alle nur verlieren können. Beide Seiten in Syrien haben Gräueltaten begangen, beide Seiten hassen einander, der Bürgerkrieg dauert bereits eine Ewigkeit. Und das gilt vielleicht für den ganzen mittleren Osten, der von Rivalität bestimmt scheint. Das sind Menschen, die seit vielen Jahren miteinander in Konflikt stehen. Da ändert sich nichts, egal ob sich eine außenstehende Partei einmischt oder nicht. Auf der anderen Seite sollte darauf reagiert werden, da etwas wahrhaftig Schreckliches passiert ist. Aber ich halte das durch für eine Frage von internationalem Interesse und verstehe nicht, warum ein Land ganz alleine fähig sein soll, so eine Situation zu entschärfen. Wir sollen Verbrechen im Namen der restlichen Welt ahnden. Die restliche Welt sollte sich vielleicht einmal zusammenreißen. Wir sind alle Menschen und deshalb sollten wir das alle auch aus diesem Gesichtspunkt betrachten und beurteilen. Es wurden Übereinkommen unterzeichnet und dann gebrochen. Wir haben es alle mitbekommen, wieso können wir jetzt nicht auch alle zusammenhalten und klar sagen: Diese Typen sollten diese Waffen nicht benutzen oder besitzen? Ich weiß nicht, wann das Interview rauskommt, aber im Moment versucht Syrien diese Waffen an die UN abzugeben. Das wäre mir vollkommen recht, aber ich verstehe nicht, dass die Vereinten Nationen sich komplett aus dem Konflikt herauszuhalten scheinen. Wenn es jemals eine Situation gab, die nach einer UN-Intervention verlangte, dann ist es diese. Auf einmal dreht sich alles um Amerika, das verstehe ich halt nicht.

Vielleicht distanzieren sich Länder, weil der Vorwurf eines „zweiten Iraks" laut geworden ist.
Gut, aber der Irak sagte damals sogar, dass die UN-Inspektoren zurückkommen sollten–stattdessen gab es aber eine Invasion. Das war komplett gestört und jeder weiß das. Aber das in Syrien ist schon eine etwas andere Angelegenheit. Das Problem ist, dass man nicht einfach reinplatzen und die Waffen von dort rausholen kann. Die haben einfach Krieg dort! Wie soll man die Leute ins Land bekommen und sollen die dort dann auch was ausrichten?

Da gibt es wohl keine einfache Lösung.
It's a complete nut!

Am /slash Filmfestival wird Joe Dante persönlich erscheinen um seine Filme The Hole, Explorerers und The 'Burbs einzuläuten und natürlich auch um von euch beäugt zu werden. Das Österreichische Filmmuseum hat ebenfalls eine Kooperation mit ihm laufen und spielt einen Haufen seiner Filme.

Fotos von Filmmuseum Österreich

Das /slash Programm 2013 ist der Wahnsinn!
Wir sezieren die beste Filmschiene der Stadt im kurz bevorstehenden Genre-Kino-Filmfestival der /slasher. Freut euch auf Highlights von Marilyn Manson, Cronenberg Junior, Rob Zombie bis zu Jesse von Gilmore Girls.

Bret Easton Ellis
Bret Easton Ellis hat die zeitgenössische Literatur mit seinem inzwischen aus sechs Romanen und einem Ezählband bestehenden Schaffenswerk um einiges bereichert.

Ein Interview mit Gottfried Helnwein
Anlässlich seiner Ausstellung in der Albertina hat VICE mit Helnwein gesprochen, einem der bedeutendsten österreichischen Künstler.