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„Je Suis Gabalier“ ist der neue Tiefpunkt im FPÖ-Niveau-Limbo

Andreas Gabalier will nicht an den rechten Rand gerückt werden? Kein Problem, dann rückt der rechte Rand einfach näher an Andreas Gabalier.

Das Internet ist bekanntlich sehr gut und vor allem sehr schnell darin, Dinge, die anfangs vielleicht noch völlig ernst gemeint waren, in Running Gags oder Memes zu verwandeln. Seit dem Charlie Hebdo-Attentat im Jänner und dem damals omnipräsenten Slogan „Je Suis Charlie" beispielsweise, sind „Je Suis"-Sprüche in sozialen Netzwerken schon fast in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.

Anfangs fand das Ganze noch in einem halbwegs brauchbaren politischen Kontext statt. Da gab es da etwa „Je Suis Nigeria", als Protest gegen die zu geringe öffentliche und mediale Wahrnehmung der Gräueltaten in Westafrika. Ein bisschen später fingen die Leute dann an, „Je Suis"-Varianten als Sympathiebekundung für alle möglichen und unmöglichen Menschen und Dinge zu verwenden. Spätestens als der Hashtag #JeSuisMoneyboy vor zwei Wochen hierzulande zu einer tatsächlich verwendeten Floskel wurde, war ich davon überzeugt, dass wir eigentlich alles zu dem Thema gesehen hätten, und der „Je Suis Was-auch-immer"-Provokationswert damit so gut wie erloschen war. Aber da war ich wohl naiv und hatte die FPÖ noch nicht auf dem Radar.

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Diese hat sich nämlich gestern in Form von Christian Höbart—ihr wisst schon, jenem Mann, der für die Freiheitlichen im Nationalrat sitzt und Asylwerber vor nicht all zu langer Zeit als „Erd- und Höhlenmenschen" bezeichnet hat—jetzt doch noch geschafft, „Je Suis" für ihre Zwecke zu verwenden, und zwar im Bezug auf Andreas Gabaliers schwer kritisierte und diskutierte Amadeus Award-Rede, in der er, wir erinnern uns, mit der Aussage „Man hats nicht leicht, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht" zum Kopfschütteln und manchen Schwerkonservativen zu Jubelchören verleitet hat.

Ganz offensichtlich empfand Höbart am Ostermontag ebenfalls einen Sympathieschub für die Aussagen von Gabalier, und entschloss sich, das Profilbild seiner Facebook-Page in eine rotweißrote Flagge mit der Aufschrift „Se Suis Gabalier" zu ändern. Wobei, so spontan war es wohl nicht, denn das Ganze ist grafisch sogar ganz nett aufbereitet:

Höbart reiht sich mit seiner Sympathiebekundungen eigentlich ja schon in einer Schlange ein, direkt hinter Krone-Kolumnisten und Motorradgeräusch-Imitator Michael Jeanée und Nicht-mehr-Höchsten-Fallschirmsprung-Rekordhalter Felix Baumgartner, die sich schon letzte Woche hinter Gabaliers Aussagen gestellt hatten. Während Andreas Gabalier in seiner Amadeus-Rede selbst noch bekrittelte, dass er für seine Aussagen sofort an den rechten Rand gerückt werde, übernimmt der rechte Rand jetzt also die Aufgabe einfach eigenständig und rückt näher an Andreas Gabalier.

Dass ein Spruch, der vor zwei Monaten nach einem Attentat mit einem Dutzend Toten zu einem Sinnbild für Meinungsfreiheit wurde, jetzt dafür verwendet wird, um die Seitenhiebe eines Entertainers auf Minderheiten zu verteidigen, lässt einen das Gesicht noch ein wenig tiefer in den Händen vergraben, als es bei den meisten FP-Faux Pas der Fall ist. Selbst wenn Hörbart uns jetzt erklären würde, dass er das Ganze mit einem Augenzwinkern gemacht hätte.

Das Problem ist, dass die FPÖ—oder zumindest ein FPÖ-Politiker, der damit aber nicht allzu weit vom Kanon seiner Partei entfernt liegen dürfte—genau die alte Leier von der "unterdrückten Mehrheit" anwirft. Damit wird einmal mehr das Märchen bedient, dass die Mehrheit die neue Minderheit ist und die Angst derer bedient, die in der Aufmerksamkeit für Minderheiten eine Bedrohung für ihre blanke Existenz sehen.

Diese Angst rührt oft ganz einfach daher, dass für den Geschmack von Leuten wie Gabalier die gesellschaftlich akzeptierte Norm zu wenig in der Öffentlichkeit präsent ist—was nicht nur absurd ist, weil diese Einstellung eben bereits der Norm entsprechen und daher wenig Erwähnung brauchen, sondern was auch noch faktisch falsch ist, weil Heterosexualität, weiße Menschen, Traditionen immer noch den Großteil unserer Alltagswelt und unseres heimischen TV-Programms einnehmen. Irgendwie ist es auch paradox, dass ausgerechnet Politiker wie Höbart mit solchen Aktionen der Debatte über sexuelle Orientierung noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Genau diese Leute sind es nämlich normalerweise, die meinen, dass diesen Minderheitenthemen viel zu viel Bedeutung zugemessen und damit von anderen, „wichtigeren" Themen abgelenkt wird.