Leben auf der Überholspur: Meine Liebesaffäre mit Luxuskarren und einem Profisportler
Illustrationen von Feroze Alam

FYI.

This story is over 5 years old.

The Outta My Way, I’m Walking Here Issue

Leben auf der Überholspur: Meine Liebesaffäre mit Luxuskarren und einem Profisportler

Wie bin ich nur hinterm Steuer eines 120.000-Euro-Maserati gelandet, der gerade in ein paar parkende Autos gerast ist? Eine Geschichte über Liebe und darüber, wie einfach es ist, sich die krassesten Karren zu leihen, wenn man darüber schreiben will.

Mein erster Zusammenstoß lief einigermaßen glimpflich ab. Das Auto—ein geschmackvoller, uralter Kombi—gehörte meinen Eltern. Ich war 18 und unterwegs, um unseren dämlichen blonden Terrier vom Hundefrisör abzuholen. Ich bog zu schwungvoll auf den Parkplatz ein, unterschätzte die Spannweite meiner Kotflügel und streifte einen geparkten japanischen Sedan. Die silberne Farbe unserer beiden Wagen vermischte sich und unsere Stoßstangen verwickelten sich auf eine Art und Weise, von der ich mir wünschte, es wäre eine optische Täuschung. Ich hatte keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte, und war fast erleichtert, als gleich darauf die Besitzerin des anderen Autos erschien, eine abgeklärte Mutter, die Mitleid mit mir hatte. Sie sagte, ich solle mir keine Sorgen machen und langsam zurücksetzen. Die beiden ineinander verkeilten siamesischen Gefährte voneinander zu trennen war leichter, als ich gedacht hatte. Als dann die Seite ihres Wagens mit seinen neuen Verzierungen sichtbar wurde, zuckte sie nur gleichmütig mit den Achseln und meinte, dass es unnötig wäre, Telefonnummern auszutauschen. Das sei zu viel Aufwand. Ihr Auto wäre alt und ich wäre neu als Fahrerin und sollte aus diesem Vorfall lernen.

Anzeige

Ich war 30, als ich feststellen musste, dass das nicht passiert war. Denn mein zweiter Autounfall verlief fast genauso wie mein erster. Diesmal war er nur lauter, es stand mehr auf dem Spiel, und die Folgen waren schwerwiegender, jetzt, da ich in New York lebte. Und wieder gehörte das Auto, in dem ich fuhr, nicht mir. Ich hatte den Maserati Gran Turismo—tiefergelegt und mit einer Schnauze wie eine Disney-Figur—geschickt in einer feinen, kleinen Parklücke auf der 18. Straße untergebracht. Als ich wieder wegfahren wollte, drehte ich das Lenkrad ganz nach rechts und gab—wie ich glaubte—ein kleines bisschen Gas. Doch die Beschleunigung war atemberaubend. In einer Sekunde schoss der Wagen quer über die leere Straße und krachte in zwei geparkte Autos auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es ging so schnell, dass ich nicht mit den Augen folgen konnte. Als ich den Knall hörte, dachte ich, ein Kran in der Nähe hätte etwas Schweres fallenlassen, und erst, als ich um mich herum Leute rufen hörte, ich solle den Motor ausstellen, wurde ich aus meiner Trance gerissen.

Eines der Autos, in das ich hineingefahren war, war über den Bordstein gerutscht und hatte ein Parkschild umgehauen, das beinahe die Fensterscheibe einer West-Elm-Filiale zerbrochen hatte. Ich schaltete die Parkfunktion ein und fing an zu schluchzen, geschüttelt vom Schleudertrauma, entnervt vom ohrenbetäubenden Geheule der Autoalarmanlagen und in Angst vor der grausamen Rache der Autobesitzer. Es war Samstag, die Fashion Week hatte gerade begonnen und die Straßen waren voller Touristen. Passanten machten Fotos. Eine Freundin hat mir später folgenden Tweet weitergeleitet: „Alte weiße Frau schrottet Maserati", und so ganz Unrecht hatten sie nicht. Wie ich so kauernd, mit hängenden Schultern und meiner Oma-Sonnenbrille im Wagen hockte, sah ich wirklich ganz schön alt aus.

Anzeige

***

Vor diesem Zwischenfall kam Fred (was nicht sein echter Name ist). Er war der Grund, warum ich einen Maserati im Wert von 140.000 Dollar fuhr, zumindest der Hauptgrund. Vor Fred war ich sehr selten in New York Auto gefahren, weil es mir vor Fußgängern graute, die einfach so auf die Straße rennen, vor Lieferwagen, die mitten auf der Straße stehen und vor Taxifahrern auf der Jagd nach Fahrgästen.

Meine erste Begegnung mit Fred war voyeuristischer Natur. Sie ereignete sich zu der Zeit, als ich noch im College war und ein Wochenende im Sommerhaus seiner damaligen Freundin verbrachte, wo ich in ihr Schlafzimmer stürmte, während sie bei helllichtem Tage Sex hatten. An diese Szene ursprünglicher Lust erinnerte ich mich acht Jahre später zurück, als ich mich mit Fred in einer Bar in der Lower East Side traf. Einen Monat zuvor hatte ich in einer Sportkneipe gesessen und ihm aus einer Laune heraus eine SMS geschrieben. „Ich schaue gerade Baseball", oder so. Jetzt saßen wir uns in roten Samtsesseln gegenüber und lächelten uns an, beide angenehm überrascht. Fred war Profi-Baseballspieler geworden, machte aber gerade eine Zwangspause, um Verletzungen an Handgelenk und Schulter auszukurieren. Er hatte ein afro-kubanisches Äußeres und eine griechisch-römische Statur, trug Dreadlocks und Tattoos. Er hatte Bambi-Augen und beneidenswert lange Wimpern. Er hatte einen Roman aus der Perspektive eines angesagten bisexuellen Rap-Kritikers geschrieben, er war ein Genie an der Drummachine und las Gedichte von Annie Dillard. Es war Liebe auf den zweiten Blick, und ich wollte einen Kuss.

Anzeige

Als wir frisch zusammen waren, wollte er mir beibringen, seinen alten BMW längs einzuparken. „Tut mir leid", sagte ich immer wieder, während ich versuchte, spät abends auf einer Einbahnstraße vor seiner Wohnung in Bushwick den Wagen rückwärts einzuparken. Ich versuchte es sechs Mal, und beim sechsten Mal gelang es mir so halbwegs. Er nahm noch ein paar Korrekturen vor, und als wir zu seiner Wohnung gingen und in das hell erleuchtete Treppenhaus traten, legte er seinen Arm um mich und sagte: „Keine Sorge, du schaffst das schon."

***

Dann fuhr Fred mit einem Ex-Teamkollegen nach Louisiana, um wieder fit zu werden. Sie trainierten, stemmten Gewichte, ernährten sich vernünftig und übten, Bälle zu schlagen. Ich vermisste ihn und das Autofahren auch. Um ihn zu besuchen, mietete ich mir einen Wagen bei einem zwielichtigen Autovermieter, der meine Bankkarte akzeptierte und mein fröhliches Geplapper mit einem grauenvollen kobaltblauen Mustang belohnte. Auf meiner nächtlichen Fahrt auf dem Highway nach Gonzales, durch 80 Kilometer Sumpfland und Morast bei einem Tempo von knapp 150 km/h, versank ich im Polster. Ich fuhr gegen Mitternacht vom Flugplatz los und kam gegen 12:30 Uhr bei Fred an.

Als die Saison anfing, fuhr ich häufig zu Auswärtsspielen, wobei selbst die Heimspiele Auswärtsspiele für mich waren. Ich schloss ein Car-Sharing-Abo ab, um zum Stadion auf Long Island zu fahren. Ich nahm die New-Jersey-Bahn nach Camden und brachte auch die Pistazien von „Pom Wonderful" mit, die sein Vater und ich so gern aßen und deren Schalen man im Stadion, wie er sagte, ruhig unter die Sitze werfen durfte.

Anzeige

Wir waren schon unterwegs, als Fred eine SMS schickte, um uns Bescheid zu sagen, dass er sich beim Aufwärmen an der Schulter verletzt hatte und nicht spielen konnte. Pflichtbewusst sahen wir uns das Spiel trotzdem an, mitsamt dem Schluss­feuerwerk, das vor der Skyline von Philadelphia aufleuchtete. Wir warteten auf ihn, während er unnötigerweise duschte und mit der Mannschaft essen ging, was er als Sportsmann für seine Pflicht hielt. Schließlich stieg er hinten in den Toyota seiner Mom, und sein Dad fuhr uns nach Hause. Es regnete. Fred war deprimiert und das zog auch unsere Stimmung herunter, und seine Mom legte kubanische Musik auf, um uns aufzuheitern. Er nahm meine Hand. Ich konnte mir vorstellten, wie er sich fühlte—zumindest bildete ich mir das ein. Wieder mal hatte er seine Chance als Schlagmann vertan, weil ein Muskel den Geist aufgegeben hatte.

***

Alles fing an, als mein Arbeitgeber mich zur Eröffnungs­veranstaltung der Olympischen Spiele in London schickte, wo ich den entzückenden Aristokraten Charles Gordon-Lennox traf, den Earl of March and Kinrara und rechtmäßiger Erbe des zehnten Herzogs von Richmond. Lord March lud mich auf Goodwood ein, seinen prächtigen georgianischen Landsitz, wo sich reiche Männer in altertümlichen Kostümen jedes Jahr treffen, um alte Automobile über die Rennbahn rasen zu sehen. Ich wurde in einem Rolls-Royce abgeholt und gewann die Sympathie meines unbeirrbaren Chauffeurs, als ich bat, bei einem Pommes-Drive-in vorbeizufahren. Dann tauschten der Fahrer und ich die Plätze. Auf der falschen Straßenseite in einem Koloss im Wert von 200.000 Pfund Sterling mit der Federung eines Baisers näherte ich mich schüchtern einem Kreisverkehr, und mein bis dahin phlegmatischer Begleiter explodierte und brüllte mich an: „Entscheiden Sie sich!" Ich gab leicht Gas und wir glitten um eine Hecktür herum auf die schmale Autobahn—ein ordentliches Manöver, für das er mich beglückwünschte.

Anzeige

Als ich wieder in New York war, schrieb ich einen kriecherischen Artikel, der den gewünschten Effekt hatte—nicht, einen Scheich zu einem Kauf zu überreden (obwohl, wer weiß), sondern konkurrierende Automobilhersteller anzuregen, mir verlockende Angebote zu machen. Als Bentley mich einlud, ihre Fabrik in Crewe, England, zu besuchen, schlug ich ihnen stattdessen vor, mir eine Reihe von Bentleys zur Testfahrt auf den Straßen von New York zur Verfügung zu stellen. Sie kamen meiner Bitte nach und schickten hintereinander drei Wagen, einen Continental, einen Mulsanne und einen Barnato, wobei Letzterer eher eine etwas größere Handtasche war als ein Wagen, aber ich konnte damit leben.

***

In einem Bentley Continental GT—damenhaft und noch einigermaßen dezent mit einem Wert von 250.000 Dollar—fuhr ich sechs Stunden nach Lancaster, Pennsylvania, wo Fred gegen seinen Willen in ein Team einer niedrigeren Liga getauscht worden war. Für mich hatte der Abstieg einen Vorteil: Er war näher an New York. Ich parkte auf dem Parkplatz der Spieler. An den Autos der Jungs konnte man sehen, dass sie noch vor Kurzem in höheren Ligen zu Hause gewesen waren: viele Audis, Lexus und ein Mercedes-M-Klasse-Truck. Butch Hobson, Freds Trainer, kam mit ihm durch eine Seitentür und ging zu einem typischen Männer-Pick-up, der neben mir parkte. Butch, der eine heiße Saison lang die Red Sox trainiert hatte und gefeuert worden war, nachdem er sich Kokain mit der Post hatte schicken lassen, musterte mich und das Auto anerkennend. „Nicht schlecht", sagte er, während Fred die Augen verdrehte und ich nach dem Knopf suchte, um die Beifahrertür zu entsperren.

Anzeige

Nachdem wir unser Wiedersehen über den weichen Sitzteiler aus Leder hinweg auf einem verlassenen und von Fabrikflutlicht beleuchteten Parkplatz gebührend gefeiert hatten, ließ ich Fred, der der bessere Fahrer war, ans Lenkrad. Auf dem Weg zu seinem Langzeithotel überholten wir einen hohen Pferdewagen der Amish und kamen schließlich am Hotel an, das sich für seine Bar rühmte—eine Art Erlebnisspielplatz für Erwachsene mit Holztürmchen und Fußgängerbrücke, der von Wochenendgästen nur so wimmelte.

„Willst du was trinken?", fragte ich Fred. Ich dachte, es könnte vielleicht ganz lustig sein, zu unwiderstehlichen Partyhits peinlich herumzutanzen. „Ganz bestimmt nicht", antwortete er.

Er sagte, ihm gefiel der Ersatz-Audi besser, den er ein Jahr zuvor gefahren hatte, als sein eigener Wagen in der Werkstatt war, als der Bentley, mit dem ich gekommen war. Damals kamen wir beide in unseren neuen Jobs nicht klar und wollten uns nicht daran gewöhnen. Wahrscheinlich hatten wir beide Angst, dass unsere besten Jahre hinter uns lagen. Wir waren relativ dicke Fische in relativ großen Teichen gewesen, und jetzt schwammen wir in unbekannten Gewässern und durchliefen persönliche Identitätskrisen. Ich ging damit um, indem ich rumfuhr und zu rauchen anfing. Fred hatte den Ruhm gekostet und musste sich nun mit dem Niedergang abfinden. Seit er nicht mehr in der ersten Liga spielte, bekam er seltener Sportartikel umsonst, weniger hübsche Mädchen versorgten ihn mit Energydrinks und er durfte seltener umsonst fliegen. Wir versuchten, unsere Unzufriedenheit dem anderen gegenüber nicht raushängen zu lassen, aber er konnte sich nicht so gut verstellen wie ich.

Anzeige

Am nächsten Tag durchwühlte er meine Handtasche—nicht den Bentley—nach seinem oder meinem Handy und entdeckte dort meine Menthol-Zigaretten und einen 30 Zentimeter langen Knusperriegel. Ohne es rhetorisch zu meinen, fragte er mich, was mit mir los sei. Das konnte ich nicht beantworten, also hielt ich an einer Tankstelle. Der Wagen schluckte Benzin, wie andere Wasser tranken, und die Benzinrechnung war jedes Mal dreistellig. Ein paar arbeitslose Säufer, die vor der Tankstelle herumhingen, kamen herübergestolpert, um unsere Mondlandung zu begutachten. Der großzügige Fred zahlte die Runde. „Ist das Ihr Auto?", fragte einer der Säufer.

„Ja", antwortete ich. „Das hat er mir zum Geburtstag geschenkt."

„Können Sie mal die Haube aufmachen?", bat ein anderer Bursche mit grauem Haar. „Solche Kutschen kriegen wir hier nicht oft zu sehen."

Ich kämpfte eine Minute lang mit der Verriegelung, bis Fred mir zu Hilfe kam. Der Motor war mit poliertem Metall ummantelt, das sehr teuer aussah und unter dem sich zahlreiche Kolben versteckten, aber ansonsten konnte keiner von uns viel damit anfangen.

***

Als Nächstes fuhr ich einen Cadillac, einen großen, schnellen Escalade. Damit fuhren wir nach Norden und verbrachten dort ein grauenvoll verregnetes Wochenende mit schreienden Babys. In Detroit bekam ich einen anderen Caddy. Dort flogen wir hin, um der ersten von drei Sommerhochzeiten beizuwohnen. Er roch nach Vanille und hatte dessen Farbe, und war langweiliger als ein Prius, sodass ich auf einem der breiten Highways in Michigan kurzzeitig am Steuer einschlief. Zum Glück—oder auch nicht—kam der Wagen nicht von der Spur ab. Die Hochzeit fand in Homer statt und danach fuhren wir zum unteren Teil der oberen Halbinsel und verbrachten die Nacht an einem Ort namens Manistee. Obwohl Hochsaison herrschte, war die Stadt menschenleer. Selbst im Kasino war kein Mensch. In unserem historischen Hotel war es still wie im Grab. Es war wie in The Shining, nur langweiliger. Wir spazierten am Ufer eines großen Sees entlang und stritten uns über Außerirdische. Als wir nach Detroit zurückfuhren und die Außenbezirke der bankrotten Stadt erreichten, stritten wir ebenfalls. „Urbanen Verfall finden nur Weiße poetisch", sagte Fred und ich musste zugeben, dass er recht hatte.

Anzeige

Der nächste Wagen war besser: ein Maserati Quattroporte—ein Viertürer—mit dem wir zur nächsten Hochzeit nach Newport, Rhode Island, fuhren, die noch immer nicht unsere eigene war. Sie fand in einem Jachtklub am Wasser statt, in der Nähe einer großen Brücke. Darunter dümpelten weiße Segelschiffe im Wasser. Der Bräutigam war ein Freund von Fred aus einer niedrigeren Liga. Seine Mutter fürchtete, dass der Wagen, dem Hochzeitspaar die Schau stehlen würde. Da schlug Fred, der meine Taktlosigkeit vorausahnte und schlichten wollte, vor, dass wir seinen Freund und dessen wunderschöne Braut zur Bar in der Stadtmitte fahren würden, wo die Feier weiterging. Ich fuhr gut: Im zähfließenden Verkehr konnte sich das glückliche Paar der Öffentlichkeit zeigen, und ich spielte fetzige Liebeslieder.

Am nächsten Morgen verkündete Fred, dass er in die Wüste fahren wolle. „Du kommst also nicht mehr mit zu meinen Eltern?", fragte ich betont gleichgültig. Sie erwarteten uns zum Mittagessen an einem Strand in Massachusetts.

„Tut mir echt leid", sagte er. Sein Freund Ty (was nicht sein echter Name ist) hatte zwei Karten für Burning Man ergattert, und das konnte er sich nicht entgehen lassen.

„Wenn er zum Burning Man fährt, heißt das, er will Schluss machen. (Dort sind Telefone nicht erlaubt)", sagten Freunde von mir, die sich damit auskannten, aber ich fühlte mich ihm und meiner Rolle als seine coole Freundin verpflichtet.

Anzeige

***

Zehn Tage später mietete ich seine Lieblingsmarke und wartete in einem schnittigen blauen Audi R5 am Flughafen auf ihn. Ich hatte gehofft, er würde mich dafür besonders zärtlich begrüßen, doch er schien erschöpft, verstaute seine verstaubte Tasche im Kofferraum und starrte nur aus dem Beifahrerfenster. Freds „Burning Man"-Name—jeder bekam einen—war King Louie, weil er Louis Armstrong imitiert hatte, während er an einer behelfsmäßigen Bar arbeitete. Er hatte einem unscheinbaren Hippie-Jungen einen Drink serviert, und der hatte seine Brieftasche aufgeklappt. Der Junge sah dünn und zerbrechlich aus, aber er gab ihm das stärkste LSD, das er je probiert hatte. Er und Ty schmissen einen Trip nach dem anderen und trampten am nächsten Morgen nach Reno. Und jetzt musste er nach New York zurück, um wieder einer Hochzeit beizuwohnen, zu der ich nicht eingeladen war. Er war völlig verkatert, hatte verschlafen und seine Mitfahrgelegenheit zum Hudson River Valley verpasst. Ich war ziemlich sauer wegen all dem, aber da ich das Auto und auch Lust zu fahren hatte, erklärte ich mich bereit, ihn auf dem Weg zu einem Oldtimer-Treffen in Connecticut rauszulassen.

„Wie war's im Zelt?", fragte ich scheinbar harmlos, aber mit passiv-aggressivem Unterton. Das Zelt hatte er ein paar Wochen zuvor in Vermont gekauft, und wir hatten darin einmal auf der abschüssigen Wiese meiner Eltern übernachtet.

Er sagte, er habe furchtbare Kopfschmerzen. „Ich weiß nicht, was du von mir willst."

Anzeige

„Stell dir vor, du müsstest eine Produktbewertung bei Amazon abgeben", erklärte ich. So ging es eine Weile weiter. Ich fuhr eine lange Auffahrt, die mit Tannen gesäumt war, zu einer hüttenartigen Behausung hoch. Er stieg aus und knallte die Tür zu. Beim Oldtimer-Treffen setzte ich mich in einen Jaguar E-Type aus den frühen 70ern, der nicht mehr fahren konnte, und nahm mir eine Stunde, um mich zu beruhigen. Später rief ich Fred vom R5 an, den er so grausam verschmäht hatte. Er sagte mir, er würde wahrscheinlich mit dem Baseball aufhören und für eine Weile nach Nicaragua gehen. Fred war eine Liga zu hoch für mich, und ich hatte mir nur eingebildet, mit ihm mithalten zu können.

Am Freitag, nachdem wir Schluss gemacht hatten, erwachte ich und fuhr ich ins Büro und bearbeitete einen Artikel über eine japanische Keratin-Behandlung, bei der die Haarfollikel regeneriert und der Haarwuchs angeregt werden. Dann schrieb ich meinem Kumpel bei Maserati eine SMS, um ihn zu fragen, ob er mal wieder ein Auto für mich übrig hätte. Die Produzenten und Lieferanten von Gegenständen mit astronomisch bezifferten Preisschildern hatten die Angewohnheit, sich ohne zu Murren meinen Wünschen zu beugen. Auch diesmal hatte ich Glück. Mein Freund hatte ein flottes kleines Gefährt, das er mir übers Wochenende zur Verfügung stellen konnte. Am Montag bräuchte er es aber zurück, denn dann müsste es in Richtung Süden zu einer Versteigerung nach Miami transportiert werden.

***

Innerhalb von 24 Stunden fuhr ich mit diesem Wagen von einer verrückten Aktion zur nächsten. Erst fuhr ich einen Mann namens Ray Christiano Irving, den ich in einem Restaurant irrtümlich für den Rapper T.I. gehalten hatte, zum Flughafen. Er hatte ein Selbsthilfebuch mit dem Titel The Formula geschrieben und sprach über seinen Bruder und seine Mutter, deren Leben den schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn veranschaulichten. Als sich sein Flug verspätete, küssten wir uns kurz und sahen uns die Rapper-Parodie von Doc Brown und Ricky Gervais auf dem winzigen Display seines Smartphones an. Mein Handy war schon seit Stunden tot und ich fühlte mich frei und ungebunden.

Als ich über die Williamsburg-Brücke in die Stadt zurückfuhr, wurde ich vom Göttlichen ergriffen und Demut erfüllte mich. Wer hatte sich dieses Szenario ausgedacht, fragte ich mich. Im Radio liefen die passenden Songs, und der Himmel hinter den Häusern erstrahlte in mattem Gold. Meine erste und vermutlich einzige ernsthafte religiöse Erfahrung ereignete sich in meinem letzten geborgten Auto.

Nachdem ich es vor meiner Wohnung an der Ecke East, 108., in Harlem geparkt hatte, sah ich, dass mein Bruder und seine Freundin auf der Feuerleiter vor meinem Haus saßen. Da er mich auf dem Handy nicht erreicht hatte, hatte Fred meinen Bruder angerufen. „Ja, sie ist gerade angekommen", sagte Ben und reichte mir sein Handy.

„Ich habe versucht, dich anzurufen", sagte Fred. „Du fehlst mir. Ich bin in der Stadt. Sollen wir uns in Williamsburg treffen?"

Was für eine Frage! Fred saß mit dem unerschütterlichen Ty in einer Bar namens Levee—„eine Pseudo-Metal-Bar für Wochenendtouristen", sagte Ty. Dann fuhren wir zu einer anderen Kneipe namens Woods. Dann zu einer Feierabend-Tanzparty. Fred und ich küssten uns vor aller Augen, was wir vorher nie getan hatten. Wir küssten uns so, wie wir es sonst nicht mal zu Hause gemacht hatten. Zusammen betrachteten wir den Sonnenaufgang. Das Auto parkte vor einem Fahrradständer voller Citi Bikes. Er schlief, während ich nach Hause fuhr. Als er aufwachte, setzte ich ihn am Haus seines Freundes in der Nähe vom Union Square ab, und eine Stunde später fuhr ich den Maserati zu Schrott.

***

Es war schön, so lange es anhielt. Ein zeitlich begrenzter Höhepunkt in meinem Leben—wunderbar, aber unwirklich—von dem ich mich irgendwann wieder verabschieden musste. Nachdem er zwei andere Autos zerquetscht hatte, wurde der Maserati abgeschleppt und generalüberholt. Fred flog nach Managua. Ich kündigte meinen glamourösen Job. Für den Rest des Jahres verzichtete ich aufs Autofahren, doch im Sommer gab ich mich kurzzeitig mit einem Penner ab, um an seine Autos heranzukommen. Er hatte zwei: einen Piaggio MP3 und einen beigen Toyota Sienna, bei dem er die Rücksitze durch übereinandergestapelte Orientteppiche ersetzt hatte. Eine Weile fuhr ich mit Letzterem durch die Stadt und saß hinter ihm auf dem Motorrad. Aber damit ist jetzt Schluss. Der Typ war ein Volltrottel; bei ihm vermisste ich Fred nur noch mehr, und schließlich gab ich ihm den Laufpass. Ich steig auf kein Motorrad mehr, außer es gehört mir und ich fahre selbst.

Illustrationen von Feroze Alam