FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Warum am 3D-Drucken genau nichts revolutionär ist

Seit 3D-Drucker vor einem halben Jahr hierzulande durch die Medien schwappten, haben viele Leute Angst. In Wahrheit kann aber auch heute noch nicht jeder alles drucken. Wir sind da, um auch einmal "Chill" zu sagen.

Seit 3D-Drucker vor einem halben Jahr hierzulande durch die Medien schwappten, haben viele Leute Angst. Wie immer, wenn das Social Net und viel zu viel Mundpropaganda involviert sind, wurde auch beim 3D-Drucker aus einem einzelnen Waffendruck-Experiment schnell die neue 3D-Terrormaschine für den Heimgebrauch. Zusammengefasst stand am Ende des Stille-Post-Spiels: Jeder kann mit einem 3D-Drucker alles drucken. Es gibt also drei Sachen, die diese neue Technologie zu einem angsteinflößenden Cocktail kombiniert: „Jeder“, „alles“ und „drucken“, was in diesem Zusammenhang ziemlich nach klick—schwuppdiwupp—fertig klingt. All dem ist nicht so.

Anzeige

Erstens: Nicht JEDER kann.

3D-Drucker, die übrigens seit Jahrzehnten in unterschiedlichsten Fabrikshallen deine Lieblingsprodukte herstellen, hören nicht auf jeden Idioten, sondern nur auf bestimmte fachsprachliche Inputs. Bei 3D-Modellen meistens Code mit vielen Zahlen und Buchstaben, den ein Programm ausgibt, das es erst einmal zu bedienen gilt. Viel wichtiger aber: 3D-Drucker sind arschteuer. So teuer, dass man sie nicht zum Spaß an Weihnachten seinem kleineren Bruder schenkt. In Zahlen: Drucker um 1000 Euro aufwärts, Materialien um mehrere hundert Euro, wenn du dir jede Woche ein paar Sachen drucken willst.

Zweitens: Du kannst nicht ALLES drucken.

Seitdem ein Typ in den Staaten versucht hat, sich eine Waffe zu 3D-drucken, herrscht bei manchen Leuten die ganz große Panik. Wer diese (und andere, gleichartige) Berichte gesehen und anschließend rational darüber nachgedacht hat, weiß über den Haken Bescheid: In einer Handfeuerwaffe entstehen beim Schuss solche physischen Todesenergien wie Hitze und Druck, die besser auch dort drinnen bleiben sollten (und nur vorne an der Mündung das Geschoss rausdrücken sollen). Wenn rundum aber nur Plastik ist—und wir erinnern uns, allgemein erhältliche 3D-Drucker drucken nur Kunststoffe—heißt es Finger weg. Im wahrsten Sinn.

Eure Kinder, die Generation, die noch viel konsumverseuchter sein wird als ihr, können sich mit 3D-Druckern auch nicht einfach ein MacBook Air oder ein neues Deck herzaubern. Nur Plastik, leider. Es gibt natürlich interessante und funktionale Dinge, die nur aus Plastik sind. Leider sind die meisten 3D-Drucker von heute selbst eher klein und können daher keinen Heckspoiler, keine Sexpuppe und nicht mal einen Wasserkrug ausspucken. Beer Pong-Becher müssten sich dagegen ausgehen.

Anzeige

Drittens: Was heißt hier DRUCKEN.

Papier drucken geht heute schnell, schneller zum Beispiel als vor 10 Jahren. Heute klickst du das Drückerchen auf dem Bildschirm an, machst in deinem Schreibtischstuhl eine Vierteldrehung und voilà, liegt da dein Werk „in echt“. Was im Inneren eines Papierdruckers geschieht, ist schon ziemlich komplex: Ein hin und her fahrender Schlitten, auf dem die nach unten offene Tintenpatrone sitzt, speit Farben wie Blau, Rot oder Gelb (oder auch Schwarz) aufs weiße Papier. Je nach Farbe, die du haben willst, mischt der Drucker sie dir aus seinen Grundfarben (die alle in einzelnen Kammern warten) zusammen.

Überlegt euch einfach mal, wie krass das schon ist, bei der Geschwindigkeit wie ein Blatt heute aus einem Drucker fährt. In der dritten Dimension wird es also noch komplizierter. Ein winziger Trichter, aus dem flüssiger (erwärmter) Kunststoff kommt, fährt dein Wunschobjekt Ebene für Ebene ab. Das heißt, bei einer Spielfigur würde der Trichterarm von unten—Sockel—nach oben—Kopf—Millimeter um Millimeter aufbauen, immer eine horizontale Schicht auf einmal.

FAZIT: Die Angst, dass mit 3D-Druckern jeder alles drucken kann, ist komplett grundlos.

Stattdessen ist die Verfügbarkeit von Privatgebrauch-3D-Druckern ein Wahnsinn: Für gewisse kleine Produkte wie Lichtschalter, Türschnallen, iPhone-Hüllen und Batteriefach-Deckeln von Fernbedienungen müsstest du nicht mehr ins Einkaufszentrum oder auf Amazon stürmen, sondern dir einfach die Druckvorlage dafür runterladen und sie selbst drucken.

Anzeige

Die Kreativen unter euch können Produkte selbst erfinden und dann vervielfachen. Sogenannte 3D-Scanner tasten dir sogar deinen Prototypen ab und machen daraus ein virtuelles Modell, das sich wiederum drucken lässt. Unterm Strich verändern die 3D-Drucker, die gerade die Welt beschäftigen, nicht viel. Den Verlust des Geschäfts um die Türschnalle wird dein Möbelhaus verkraften können. Und wenn es klug ist, gründet es rechtzeitig ein Online-Portal mit kostenpflichitigen, funktionsversprechenden und designvollen Türschnallen-Druckvorlagen.

Viel mehr Potenzial trägt die industrielle und professionelle Verwendung von 3D-Druckern: Die Medizin und die Heere versprechen sich Wundheilung durch Befüllung mit frischen Zellen, günstigere und perfekt maßgeschneiderte Schienen (Gipse) und gar Organe. Und auch dein Dealer wird in Zukunft ein 3D-Drucker sein. Das alles dauert jedoch noch ein paar Jahre.

Vielleicht sollten also die Stille-Post-Spieler stattdessen stillhalten und erst mal den Technologiefortschritt der Menschheit genießen—schließlich druckt auch nicht jeder Besitzer eines Papierdruckers anstößigen, verstörenden und verletzenden Inhalt und schadet damit anderen. Übrigens, wer jetzt immer noch einen 3D-Drucker haben will: Der deutsche Versandhändler Pearl verkauft seit kurzem ein solches Gerät um 799,90 Euro und einen 3D-Kopierer (also 3D- Abtaster + Drucker) um 1099,90 Euro.

Folge David auf Twitter.