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Was passiert, wenn Corona in Gefängnissen ausbricht

Wir haben alle Bundesländer gefragt, wie sie verhindern, dass sich SARS-CoV-2 in ihren Gefängnissen ausbreitet.
Die vergitterte Krankenstation eines Gefängnisses
Die vergitterte Krankenstation in der JVA Tegel || Fotos: imago images | Rolf Kremming

Freiheit in Zeiten von Coronavirus bedeutet, selbst entscheiden zu können, wie neurotisch man darauf reagiert: Eher Nudeln und Dosenpfirsiche horten oder sich einfach mal die Hände waschen? Menschen in Gefängnissen haben diese Freiheit nicht. Sie müssen sich darauf verlassen, dass die Justiz sich um sie kümmert.

Am Dienstag schrieb Bild von "Corona-Alarm im Kölner Knast", der sich jedoch als Fehlalarm herausstellte. Es sei nicht mal ein Verdachtsfall gewesen, sagte das nordrhein-westfälische Justizministerium gegenüber VICE. Ein Inhaftierter sei lediglich wegen grippeähnlicher Symptome auch auf SARS-CoV-2 getestet worden. Trotzdem bleibt die Frage: Wie geschützt sind Inhaftierte vor Epidemien und wie würden Gefängnisse auf einen Corona-Ausbruch regieren? Wir haben diese Frage allen Landesjustizministerien geschickt. Einige verwiesen in ihren Antworten nur knapp auf die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts, an die man sich halte. Andere schickten umfangreiche Pläne für den Ernstfall. Nur Hessen antwortete gar nicht auf unsere Anfrage.

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Infizierte Inhaftierte – so viel vorweg – meldete kein Bundesland. Und sollte es doch so weit kommen, das zeigen viele Antworten, sind deutsche Gefängnisse bereit.

Wie sich Gefängnisse auf SARS-COV-2 vorbereiten

In vielerlei Hinsicht sind Gefängnisse besser auf SARS-CoV-2 vorbereitet als die Außenwelt. Der Weg zur nächsten Arztpraxis ist kürzer – die meisten Gefängnisse haben eine Krankenstation. Außerdem kennt sich das Personal meist mit Infektionskrankheiten aus. Hepatitis C oder Tuberkulose treten in Gefängnissen besonders häufig auf, schreibt das Justizministerium in Schleswig-Holstein.


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Ein weiterer offensichtlicher Vorteil, zumindest in diesem Fall: In Gefängnissen gelten viele Regeln. Zum Beispiel Hygieneverordnungen und Pandemiepläne. In manchen Gefängnissen hat man sie hinsichtlich Corona aktualisiert und weist die Mitarbeitenden mantraartig darauf hin. "Wie bei Influenza und anderen akuten Atemwegsinfektionen wurde darum gebeten, Husten- und Nies-Etikette sowie gute Händehygiene einzuhalten", heißt es dazu beamtensprachlich aus Mecklenburg-Vorpommern. Und das Justizministerium Sachsen erklärt, warum man auf die Einhaltung der Hygienepläne besonders achte, nämlich weil "die Klientel der Gefangenen und das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum stets ein erhöhtes Risiko für die Verbreitung von Infektionskrankheiten bieten".

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Außerdem wichtig: ein ordentlicher Vorrat an Hygienezeug. In Mecklenburg-Vorpommern gingen die Gefängnisse aufgrund eines Erlasses des Justizministeriums auf Shoppingtour. Atemschutz, Handschuhe, Händedesinfektion, wasserdichte Kittel und Schutzbrillen seien wenn nötig neu angeschafft worden. Aber auch Gefängnisse in anderen Bundesländern stockten ihre Besenkammern auf. Von tonnenweise eingelagerten Spaghetti berichtete allerdings niemand.

Und die Gefangenen? Die werden in vielen deutschen Gefängnissen aktuell besonders gründlich auf Covid-19-Symptome untersucht, wenn sie neu dazukommen. In Sachsen und Brandenburg fragt man neue Gefangene, ob sie sich in den letzten Wochen in Risikogebieten, in denen das Coronavirus aufgetreten ist, aufgehalten haben oder Kontakt zu Personen aus Risikogebieten hatten. Auch wenn keine JVA direkt von Corona betroffen ist, wirkt sich das Virus zumindest in Baden-Württemberg indirekt bereits auf Inhaftierte aus. Die Gefängnisse haben den Gefangenenbesuch auf das gesetzliche Mindestmaß – eine Stunde pro Monat – reduziert.

Während hysterische Reaktionen auf Corona in Freiheit hauptsächlich nerven, können sie auf engem Raum in Gefängnissen zur Gefahr werden, nämlich dann, wenn eine Panik ausbricht. Das Justizministerium in Mecklenburg-Vorpommern bat die Mitarbeiter seiner Gefängnisse deshalb um einen "besonnenen Umgang mit der aktuellen Herausforderung, um Beunruhigungen bei Gefangenen und Bediensteten zu vermeiden".

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Was nach der Entdeckung des Virus passiert

Solange nur der Verdacht einer Infektion besteht, würden die meisten Gefängnisse die inhaftierte Person in der eigenen Zelle isolieren. Das bedeutet: kein oder weniger Hofgang und keine Teilnahme an Freizeitmaßnahmen. Weil der Knastalltag dann noch langweiliger wird, als er eh schon ist, würde man in Schleswig-Holstein ein paar Regeln lockern. "Telefonate, der Briefverkehr und die Möglichkeit für Gefangene, über Skype mit ihren Außenkontakten zu kommunizieren, werden ausgeweitet und explizit unterstützt, um einen Ausgleich zu schaffen", schreibt das Justizministerium.

Sobald eine inhaftierte Person positiv auf Covid-19 getestet wird, würden die JVAs den Fall ans Gesundheitsamt melden und die Person auf eine Quarantänestation verlegen. In manchen Gefängnissen gibt es die bereits, in anderen werden sie gerade erst eingerichtet. In Schleswig-Holstein befinde sich gerade eine bestehende Justizvollzugseinrichtung "in Vorbereitung, um in eine Krankenanstalt für Covid-19 Patienten umgewidmet zu werden", schreibt das Justizministerium. Und In NRW stehen im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg Plätze bereit, um akut erkrankte Covid-19-Patienten stationär aufzunehmen.

In anderen Gefängnissen gibt es gar keine Quarantänestationen. Aus Rheinland-Pfalz heißt es dazu: "Hierfür wird auf das allgemeine Gesundheitssystem zurückgegriffen." Der Gefangene müsste in eine Klinik verlegt werden. Das wäre unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen der Fall.

Erkrankte Gefangene, die eigentlich entlassen werden sollten, müssen keine Angst haben, ihren Knastaufenthalt verlängern zu müssen. In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt würde man sie in ein Krankenhaus verlegen – es sei denn, sie möchten im Gefängnis bleiben, dann müssten sie das beantragen.

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