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Clubkultur

Ena Lind (Mint): „Was viele Jahre im Untergrund passiert ist, wird jetzt sichtbar."

Berlin wird oft „Queer Mekka“ genannt: Clubs buchen mittlerweile auch weibliche DJs—allerdings häufig aus geschäftlichen, nicht aus politischen Gründen.
DJ, Produzentin und Mint-Mitbegründerin Ena Lind. Foto: Promo.

Stolz blickt mich Aerea Negrot in ihrem grünen Blazer vom Flyer der letzten Mint-Party an. Sie ist neben vier weiteren Frauen Hauptakt des Abends. Das ist ungewöhnlich, denn auch in Berlin sind Frauen hinter den Plattenspielern rar. Das Veranstalten von Partys und DJing sind Männer-Domäne, wie der Blick auf das Line-up von Clubs bestätigt. Nach Zahlen von Female Pressure lag 2014 die Bookingquote von Frauen in Elektroclubs weltweit bei gerade mal 9 Prozent. Das wollen Ena Lind und Zoe Rasch ändern. Vor dreieinhalb Jahren haben sie Mint ins Leben gerufen. Erst als regelmäßige Clubveranstaltung, auf der sie weibliche House- und Technoakts präsentieren, dann kam ein Campus mit Musik-Workshops hinzu. Im letzten Jahr haben sie eine Booking-Agentur angeschlossen. Ihre Clubnacht Mint ist zu einer der bekanntesten, elektronischen Queerpartys in Berlin geworden. Sie haben eine Plattform geschaffen, die die Sichtbarkeit von weiblichen DJs und Produzentinnen in der elektronischen Musik verbessert. Wir trafen Ena Lind zum Gespräch.

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Thump: Ena, bei euch treten vor allem Frauen auf, ist Mint eine „Frauenparty"?
Was ist denn eine „Frauenparty"? Ich finde den Begriff merkwürdig. Man spricht doch auch nicht von Männerpartys, wenn hauptsächlich Männer auflegen. Das nimmt man als „normal" hin.

Was ist bei Mint anders?
Mint ist eine House- und Technoparty, bei der überwiegend Frauen auflegen. Nur weil das unüblich ist, muss dafür kein anderer Begriff her. Wir haben einen großen Frauenanteil im Publikum. Männer kommen aber genauso gerne.

Weißt du, woher der Begriff „Frauenparty" kommt?
Als „Frauenpartys" werden oft Partys bezeichnet, die sich an ein weibliches, hauptsächlich lesbisches Publikum richten. Es geht darum, einen geschützten Raum—in dem keine Belästigung stattfindet—zu schaffen. Dort sind dann meist keine oder kaum Männer willkommen. Es ist wichtig zu erkennen, dass sich diese Veranstaltungen den Namen selbst geben. Ich halte es für problematisch, das man bei einer Party, wie Mint denkt – „Ah, weibliche DJs? Frauenparty!"

Wie sehr seid ihr in der Queer-Szene verwurzelt?
In der queeren Szene liegen meine Wurzeln. Dort habe ich angefangen aufzulegen und Events zu organisieren; Ich war jahrelang fast ausschließlich in der Szene international als DJ unterwegs. Seit einigen Jahren breche ich etwas aus meinen gewohnten Mustern aus.

In welchem Club legst du am liebsten auf?
Im ://about blank und im Schwuz. Mir ist es wichtig, dass ein gutes Team hinter dem Club steht, also Bar, Security, Techniker, etc. Das wirkt sich am Ende auch auf das Publikum aus.

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In Berlin gibt es viele Queerpartys, hat das Konjunktur?
Berlin wird oft „Queer Mekka" genannt. Im Gegensatz zu anderen Hauptstädten gibt es sicher sehr viele Queerpartys. Viele Jahre ist das im Untergrund passiert—und für nicht-queere Leute—nicht sichtbar. In letzter Zeit haben Clubs und Promoter da geschäftliches Potenzial entdeckt. Ich bekomme mit, wie sich wirklich große Clubs mit Mainstream-Booking und einem absolut nicht-queeren Publikum plötzlich für Queerpartys interessieren. Das ist „hip", das bringt Leute und auf den Zug springt man gerne mit auf. Das hat aber nichts mit politischer Überzeugung oder geschütztem Raum zu tun.

Bist du für eine Frauenquote in Clubbookings?
Es muss auf jedem Fall Druck auf die Personen ausgeübt werden, die das Ganze in der Hand haben: die Booker. Wir haben ausreichend Erfahrung damit, dass sich sonst nichts ändert. In gewisser Weise passiert das gerade durch die immense Kritik von allen Seiten. Und endlich wird gehandelt. Generell sind Quotenregelungen oft die einzige Möglichkeit. Natürlich ist es für die Ersten, die diese Plätze antreten nicht angenehm. Es braucht immer Zeit, bis sich Strukturen verändern.

Wie hat sich die Club-Szene, was weibliche DJs angeht, verändert?
Die Problematik um Frauen in der Musikszene wird seit ein paar Jahren immer schärfer diskutiert. Medial ist es auch immer wieder ein Thema. Was die tatsächlichen Bookings dann angeht - da liegt noch ein weiter Weg vor uns.

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Liegt das an den Bookern?
Booker buchen vor allem Namen, die ziehen. Wenn wir wenige Frauen in Line-ups sehen, werden die Leute sie auch nicht kennenlernen, somit ziehen sie auch weniger. Das ist ein Teufelskreis.

Du hast mit Zoe Rasch die Herausforderungen für weibliche DJs analysiert. Was ist dabei herausgekommen?
Da gibt es ja eigentlich nicht viel zu analysieren. Die Lage ist klar: Wir haben Mint gegründet, weil Frauen in der elektronischen Musikszene kaum sichtbar sind. Wir haben mit der Klubnacht angefangen, um weibliche DJs so zu fördern. Nach einer Weile merkten wir, dass auf einer ganz anderen Ebene gearbeitet werden kann. Also haben wir den Mint Campus gegründet – eine Workshop-Reihe – bei der man Auflegen und Produzieren lernen kann.

Du bist seit über 10 Jahren im Geschäft. Wie bist du zum Auflegen und Produzieren gekommen?
Ich bin nach Berlin gezogen und habe in einer Bar gearbeitet. Ich habe begonnen, dort öfter aufzulegen und Events zu organisieren. Auf Ebay habe ich mir günstige Plattenspieler und einen Mixer besorgt. Wenn du auf schlechtem Equipment spielen kannst, kannst du es erst recht auf Gutem.

Und wie kam es zur ersten Mint?
Zoe Rasch und ich haben uns auf einem Festival in Bologna kennengelernt. Sie war gerade dabei, sich als Bookerin selbstständig zu machen und nahm mich unter Vertrag. Wir haben zusammen eine Veranstaltung geplant, die wir von Anfang an in einem großen Club gesehen haben. 2013 hatten wir dann die erste Mint.

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Gestartet habt ihr im Bi-Nuu. Heute trifft man euch oft im ://about blank an.
Wir sind in verschiedenen Locations in Berlin, wie im Prince Charles, Else oder Farbfernseher. Wir haben aber unsere eigene Türe. Einmal haben wir uns auf das normale Clubpersonal der Location verlassen und das hat leider nicht geklappt. In dem Punkt sind wir perfektionistisch. Mit dem Blank sind wir sehr zufrieden.

Weil das Publikum mit dem Ort stark variiert?
Wir haben unser Stammpublikum, doch eine Türe, die gut selektiert, ist wichtig.

Euer Alleinstellungsmerkmal war zwei Jahre lang, dass nur Frauen auflegen. Warum habt ihr das geöffnet?
Es legen immer noch hauptsächlich Frauen auf, jetzt gibt es zusätzlich einen männlichen DJ im Booking. Der Grundgedanke von Mint war immer, die Line-ups des Durchschnittsclubs zu spiegeln. Jetzt, wo wir sehen, dass mehr und mehr Booker sich weiblichen DJs gegenüber öffnen, wollen wir das auch. In vielen Line-ups sieht man mittlerweile die „Quotenfrau". Idealerweise haben wir alle irgendwann ein 50:50-Booking.

Wie ist das Feedback darauf?
Hauptsächlich gut. Ich habe am Anfang zwar schon von männlichen Kollegen gehört, sie finden es unfair, dass sie nicht spielen dürfen. Das war nicht wirklich erst gemeint – es zeigt aber auch, wie die meisten Leute immer noch denken. Wenn 90 Prozent der Line-ups rein männlich sind und sich eine Veranstaltung dagegen stellt, ist das plötzlich sexistisch.

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Wie geht ihr mit Kritik im Netz um?
Auf Social Media äußern sich die Leute ganz schnell, weil es anonym scheint. Doch Kritik muss per se nichts Schlechtes sein, und wir nehmen uns das zu Herzen, aber manches muss man ignorieren.

Auf was legt ihr wert?
Für uns ist es ein wichtiges Statement, dass die Frauen, die spielen, auf den Plakaten zu sehen sind. Wir wollen etwas gegen die vielen Poster mit männlichen DJs oder sexualisierten Frauenbildern setzen.

Wie sehen die Pläne für die Zukunft von Mint aus?
Der Mint Campus wächst: In diesem Jahr wird es 16 Workshops geben, darunter Ableton Live oder DJ'ing mit USB-Stick. Außerdem arbeiten wir an einer Mint-Tour, an Kollaborationen mit Clubs außerhalb von Berlin. Ein Festival ist für 2017 geplant.

Weitere Informationen:

Mint auf Facebook

Homepage von Mint

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