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Wie ein Stalker Ex-Napoli-Star Quagliarella das Leben zur Hölle gemacht hat

Ex-Nationalspieler Quagliarella hat am Wochenende geweint. Warum? Weil ein jahrelanger Albtraum vorbei ist. Schlimme Gerüchte und Morddrohungen hatten ihn aus Neapel vertrieben. Einem dreisten Polizisten sei Dank.
Foto: Screenshot/YouTube/VB Channel/Quagliarella commosso

Der frühere italienische Nationalspieler Fabio Quagliarella hat am Wochenende bei einem Interview nach Spielende Tränen der Erleichterung vergossen. Die hatten nichts damit zu tun, dass er im Spiel gegen Cagliari kurz zuvor sein fünftes Saisontor erzielt und seinem Team Sampdoria Genau so zumindest einen Punkt gesichert hatte. Der gestandene Profi zeigte sich gerührt, weil ein Stalker, der ihm und seiner Familie jahrelang nachgestellt hatte, am Freitag zu vier Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Ein Stalker, der Quagliarella und seiner Familie das Leben zur Hölle machte und den Stürmer mit einem Lügenkonstrukt aus Neapel vertrieb. Doch eins nach dem anderen.

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In der Saison 2009/2010 landeten Briefe in der Poststelle des SSC Neapel. Brisante Briefe. Briefe, in denen eine anonyme Person behauptete, Napoli-Stürmer Fabio Quagliarella auf Drogen-Partys mit Mafiamitgliedern gesehen zu haben. Quagliarella war erst Anfang der Saison, nach vielen Jahren in Norditalien, in seine Heimat am Golf von Neapel zurückgekehrt. Doch schon nach einer Spielzeit kehrte er dem SSC den Rücken – weil immer neue Vorwürfe gegen ihn auf dem Schreibtisch von Napoli-Präsident de Laurentiis vorlagen.

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Der anonyme Schreiber war ein Polizist namens Raffaele Piccolo. Und der hatte eine Fantasie, die alles andere als piccolo war. Er gab an, dass Quagliarella an illegalen Fußballwetten teilgenommen hatte, er kam mit Pädophilie-Vorwürfen um die Ecke. Und für sein Mobbing-Opfer selbst hatte er ein besonderes Präsent parat: Morddrohungen gegen ihn und seine Familie.

Das Dreiste: Er nahm Kontakt zu Quagliarella auf und bot seine Hilfe als Polizist an, wollte ihm bei den Nachforschungen und dem Aufsetzen einer Anzeige helfen. Doch der Fußballprofi durchschaute das Spiel und zeigte am Ende Piccolo an. Indes fühlte sich Quagliarella in Neapel nicht mehr sicher und vermisste auch den Rückhalt vonseiten des Vereins.

Foto: Imago

„Nach den Verleumdungen, die 2010 nach Castelvolturno (wo der SSC Neapel sitzt, Anm. d. Red.) geschickt wurden, forderte der Präsident mich erst auf, es ruhiger angehen zu lassen und vorübergehend in ein Hotel zu ziehen. Anfangs rief er mich jeden Tag an, am Ende gar nicht mehr", zitiert die Gazzetta dello Sport Quagliarella.

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Quagliarella wechselte schließlich zu Juve. Was eine Menge Kritiker auf den Plan rief. Der Junge aus der Nähe von Neapel, der jahrelang beim FC Turin gespielt hatte, endlich bei Napoli gelandet war und jetzt, nach nur einem Jahr, zurück nach Turin ging. Und dann auch noch zum verhassten Rekordmeister. Und während sich die Leute das Maul über Quagliarella zerrissen, dufte der nichts sagen, durfte nicht über die wahren Motive seines Wechsels sprechen.

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„Alle sprechen über dich, alle urteilen über dich, aber du musst wegen der laufenden Ermittlungen die Klappe halten. Ich bin nicht eines Tages aufgewacht und wollte weg aus Neapel. Ich war nach 12-13 Jahren endlich wieder zu Hause, fühlte mich pudelwohl. Der Grund (für meinen Weggang, Anm. d. Red.) war einfach dieser. (…) Ich musste mich zusammenreißen, weil es nicht leicht war. Das wünsche ich keinem."

Auch nach seinem Wechsel zu Juve ging der Albtraum weiter. Quagliarella fühlte sich weiterhin verfolgt, die Drohungen gegen ihn und seine Familie rissen nicht ab.

„Es bräuchte eine ganze Sendung, um zu erzählen, was ich erlebt habe. Das war ein Albtraum, der vier, fünf Jahre andauerte. Fernab des Fußballs nicht mehr unbeschwert leben zu können, war hart, vor allem für meine Familie", berichtete der Angreifer gegenüber Sky.

Darum ist er jetzt umso erleichterter – und der italienischen Justiz auch dankbar: „Ich muss der Justiz danken, die haben eine tolle Arbeit gemacht, einem Polizisten vier Jahre und acht Monate zu geben, bedeutet, dass ich mehr als Recht hatte." Außerdem betonte der 34-Jährige, dass es nicht immer leicht war, fokussiert zu bleiben. „Mir ging es schlecht, meiner Familie ging es schlecht, ich habe dennoch immer versucht, auf dem Platz konzentriert zu sein. Am Ende musst du auflaufen, während die Leute vieles nicht wissen. Wir werden sehr gut bezahlt und darum ist es auch richtig, dass wir auf dem Platz unsere Leistung bringen."

Die italienischen Sky-Moderatoren meinten während des Interviews, dass mit der Verurteilung von Piccolo jetzt Quagliarellas zweite Karriere beginnen könne. Eine Karriere, bei der sich der Fußballer endlich keine Sorgen mehr machen muss, wenn er oder seine Kinder das Haus verlassen.

Und dann wäre da noch eine zweite Lesart seiner krimitauglichen Geschichte: Wenn wir über Fußball-Profis sprechen, regen wir uns gerne über deren Millionen-Gehälter auf. Was wir dabei vergessen: Die jungen Männer verlieren nicht nur ein Großteil ihrer Freiheit (Ernährung, Alkohol, Partys etc.), sondern ebenso ihre Anonymität. Und genau für diese Tatsache – dass er eine Person der Öffentlichkeit ist – musste Quagliarella teuer bezahlen. Mal ganz davon abgesehen, dass er unfaire Anfeindungen unkommentiert über sich ergehen lassen musste.