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neymar! neymar!

Tunneln statt antanzen—der Fußballtrick der Kreuzberger Taschendiebe

Der Görlitzer Park ist als Drogenumschlagsplatz und krimineller Hotspot bekannt. Nun gibt es dort auch einen Trick speziell für Fußballfans.
Foto: Niko Peters

„Es ist hier anders geworden, leider", sagt David*, als wir an einem Hühnchengrill vorbei in den Görlitzer Park gehen. Das gesamte Gebiet gilt schon seit Längerem als einer der bekanntesten deutschen Drogenumschlagplätze. Während ein Streifenwagen vor dem Eingang des berühmt-berüchtigten Parks steht, laufen wir auf ein Kamera-Team zu. Auf einer der Wiesen wird dort wohl ein Kurzbeitrag für das Vorabendfernsehen gedreht.

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Davids „leider" mag einen zunächst überraschen, weil dem 26-Jährigen genau an dieser Stelle das Handy geklaut wurde. „Ich bin mit meinen Freunden in den Park gegangen und dann kamen zwei, drei nette Herren auf uns zu." Auf deren „Neymar! Neymar!"-Rufe sprang David als Fußballfan an. Auch wenn die Taschendiebe keinen Ball dabei hatten, deuteten sie im Vorbeigehen mit Bewegungen an, David (ohne Ball) einen Tunnel zu verpassen. „Ich hab' da gelacht und bin erstmal weitergelaufen. ‚Scheiße, mein Handy ist weg', hab ich mir da erst später gedacht", führt der Student weiter aus. Denn ungefähr in dem Moment, in dem der imaginäre Fußball durch die Beine rollte, war er auch sein iPhone los. Trotzdem wird er nicht wütend, wenn er an den Görli denkt. Denn für ihn gehören die Dealer am Eingang des Parks, das kriminelle Umfeld und die Mischung aller Alters- und Gesellschaftsschichten auch zu dem düsteren Charme, der den Görli für ihn ausmacht. Dass man dann auch selber mal abgezogen wird, kann dann eben auch mal passieren. Ein Freund von David ist mit derselben Nummer reingelegt worden, dieser stand aber leider nicht für ein Interview bereit.

„Wenn ich an der Stelle vorbeigelaufen bin, habe ich auch manchmal gesehen, wie die das bei anderen machen. Ich gehe da natürlich trotzdem noch lang." Vorsichtiger ist er nach eigener Aussage nicht, sein Verhalten im Park hat er aber trotzdem geändert: „Ich bin danach noch näher an denen vorbeigelaufen und hab denen ins Gesicht gelacht." Geärgert hat es den 26-Jährigen nur im ersten Moment: Es sei bei ihm auch ein bisschen Karma mit im Spiel: Er selbst hat das Handy vorher mal in einem Zug gefunden und behalten, weswegen der Wert der Daten für ihn auch um ein Vielfaches höher war.

„Die Masche ist uns bekannt, aber es gibt keine genauen Zahlen", meint der Kreuzberger Polizeisprecher Stefan Petersen, als VICE Sports ihn nach dem Fußballtrick fragt. Ähnlich wie das Antanzen am Kottbusser Tor fällt auch dieser Trick unter den Taschendiebstahl und ist in dieser speziellen Form nicht separat erfasst. Generell genießt die Gegend nicht den besten Ruf, da die Polizei gegen die dortige Kriminalität nicht wirklich ankommt. Im Vergleich zu 2014 hatten sich beispielsweise die Taschendiebstähle 2015 verdoppelt. Daher sollte man in Zukunft besser aufpassen, denn ein geklautes Handy ist (fast) noch unangenehmer als ein Pana. Auch ohne Ball.