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Forscher entdecken Angriffsziel für eine Impfung gegen Hirntumoren

Heidelberger Forscher nutzen zum ersten Mal eine Mutation in Hirntumorzellen, um eine Krebsimpfung zu testen.
Elektronenmikroskopische Aufnahme einer CD4+ T-Helfer-Zelle. Diese starten die spezifische Immunantwort im Körper. Bild: NIAID / Flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Im Jahr 2012 erkrankten weltweit rund 260.000 Menschen an einem bösartigen Hirntumor und im gleichen Jahr starben etwa 190.000 Patienten an einer solchen Erkrankung. Dabei machen Gliome, also Geschwüre aus den Stützzellen (Gliazellen) des Gehirns, 80% aller bösartigen Hirntumore aus. Nach der Diagnose leben 50% der Patienten noch ein Jahr, 25% noch zwei Jahre. Krebsforscher am deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg haben jetzt zum ersten Mal eine Impfung gegen Gliome an Mäusen erfolgreich getestet. Die Ergebnisse der Studie erschienen vor wenigen Tagen im Wissenschaftsmagazin Nature.

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Gliom im Orbitofrontalen Kortex (hinter den Augen) eine 28jährigen Mannes. Bild: Blondis / Wikipedia | Lizenz: Public Domain

Gliome, wie der Tumor im Bild oben, teilen eine wichtige Eigenschaft, die sich die Forscher und Ärzte aus Heidelberg zunutze machten. Die meisten Gliome tragen nämlich eine ganz bestimmte Mutation. Bei dieser Mutation ist der DNA-Bauplan für das Protein IDH1in einem DNA-Baustein verändert. Und dieses Protein präsentieren alle Gliomzellen auf ihrer Oberfläche. Es könnte dem Immunsystem als ein Kennzeichen dienen, dass eine Zelle zu einem Gliomtumor gehört.

Denn genau solche veränderten Proteine kann das Immunsystem erkennen. Tut es auch bei manchen Gliompatienten, aber bei weitem nicht deutlich genug, um eine ausgewachesene Immunantwort gegen den Tumor in Gang zu setzen. "Eine so häufige und hochspezifische Mutation ließ uns Immunologen sofort aufhorchen: Ein solcher Aminosäure-Austausch verleiht dem Protein in den Krebszellen neuartige immunologische Eigenschaften, die von den körpereigenen Abwehrzellen erkannt werden können", erklärt Prof. Dr. Michael Platten, Leiter der Studie in einer Pressemitteilung des Forschungszentrums.

Um jedoch für das Immunsystem erkennbar zu sein, müssen krankhafte und krankmachende Moleküle (Antigene) sich erst an ein Präsentiermolekül namens MHC2 heften. Das MHC2 tragen zum Beispiel die Fresszellen des Immunsystems auf ihrer Oberfläche. Sie erkennen Krankheitserreger und unbekannte Stoffe im Körper und fressen sie auf. Dann zerlegen sie die Moleküle in kleine Abschnitte und präsentieren diese auf ihrer Oberfläche—in einem MHC2. In der Grafik unten präsentiert eine Fresszelle (APC: Antigen-präsentierende Zelle) solch einen Abschnitt. Sobald eine T-Zelle den Abschnitt am MHC2 einer Fresszelle „sieht", triggert das eine Kaskade an Immunantworten, inklusive Antikörperproduktion und Herstellung von Fresszellen (Macrophagen) und Killerzellen, die alles angreifen was dem Antigen gleicht.

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Der Trick der Heidelberger Forscher war es nun, den mutierten Teil vom IDH1 selbst auzufbauen und zwar so, dass er perfekt an MHC2 andocken kann. Dieser speziell designte IDH1-Abschnitt wurde dann „präparierten" Mäusen als Impfstoff gespritzt, deren Immunzellen nicht das Mause-MHC2 sondern, dank eines gentechnischen Eingriffs, das menschliche MHC2 trugen. Obendrein hatten sie Gliome im Gehirn—die perfekte Versuchsanordnung, um eine Immunantwort zu testen die auch im Menschen funktionieren soll.

Als die Forscher diesen Mäusen die selbstgebauten IDH1-Proteinstücke spritzten, konnten sie nach wenigen Tagen zwei Reaktionen in den Körpern der Mäuse messen: Erstens hatten sich große Mengen von Immunzellen gebildet, die spezifisch die Abwehrreaktion gegen alles einleiteten, was nach dem veränderten IDH1-Abschnitt aussieht und zweitens stoppte  diese Immunantwort das Wachstum der Gliome in den Mausgehirnen. Doch nicht nur das: gesunde Gliazellen mit den nicht-mutiertem IDH1 wurden nicht vom Immunsystem angegriffen.

„Niedriggradige Gliome können meist nicht vollständig operativ entfernt werden und kehren daher häufig wieder. Die Patienten würden also sehr von einem Impfstoff profitieren, der verhindert, dass der Tumor wieder auftritt." betont Prof. Wolfgang Wick, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Neuroonkologie am DKFZ. Diese Studie ist möglicherweise der erste Schritt auf dem Weg zu Krebsspezifischen Impfstoffen, die die Diagnose Hirntumor zu einem Schreckgespenst der Vergangenheit machen könnten.