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Bald kann sich jeder DIY-Heroin aus genmanipulierter Hefe brauen

Bioingenieure haben einen modifizierten Hefestamm entdeckt, der mit Hilfe eines einfachen Bier-Brau-Sets den Wirkstoff Morphin produzieren kann.
Bild: Mark Nesbitt and Delwen Samuel via Wikimedia. Lizenz: Public Domain.

In Zukunft könnten experimentierfreudige Hobbyköche mit Hilfe eines einfachen Bier-Brau-Sets in ihrer Küche Morphium oder Heroin aufkochen. Wissenschaftler von der UC Berkley und der Concordia Universität haben eine Methode entwickelt, um den zentralen Opium-Wirkstoff Morphin aus Zucker und einer speziellen, genmanipulierten Hefe herzustellen. Mit ihrem Bierhefeverfahren wollen die Bioingenieure den Aufwand für die Herstellung von Schmerzmitteln drastisch reduzieren. Bisher basiert die Herstellung von Opiaten mit Morphingehalt stets auf dem Abbau von Schlafmohn—eine Pflanze, die sowohl aufwendig zu kultivieren ist als auch weltweit strengen Regularien unterliegt. Nach sieben Jahren Forschungsarbeit ist es John Dueber und dem Mikrobiologen Vincent Martin jetzt gelungen, das Opiumalkaloid Retikulin mit Hilfe des Glukoseersatzes Tyrosin zu synthetisieren. In einer Studie in der Fachzeitschrift Nature Chemical Biology erklären sie, wie sie mit ihrem genmanipulierten Hefestamm die ersten, wichtigen Stufen der Morphinherstellung nachvollziehen konnten.

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Alles, was man braucht, ist ein Bier-Brau-Set, den benötigten Hefestamm und Grundkenntnisse in Sachen Gärung

„Zum Retikulin zu gelangen, ist der kritische Punkt. Die nachfolgenden molekularen Schritte, bei denen Kodein und Morphin entstehen, wurden bereits [von anderen Forschern] beschrieben", erklärte Martin die Bedeutung ihrer Entdeckung in einem Pressestatement. In einem zusätzlich veröffentlichten Kommentar warnen Politikwissenschaftler vor den Gefahren der Entdeckung: „Theoretisch kann sich jetzt jeder mit Hilfe eines Bier-Brau-Sets für Zuhause jene Hefe kultivieren, die dann den Wirkstoff Morphin produziert. Alles, was man braucht, ist Zugang zu dem benötigten Hefestamm und Grundkenntnisse in Sachen Gärungsprozessen", so Kenneth Oye, Tania Bubela und J. Chappell H. Lawson in der Fachzeitschrift Nature.

Die gelbe Färbung der Hefezellen verrät, dass wichtige Enzyme produziert wurden, die auch in jenen Metaboliten des Schlafmohns enthalten sind, auf denen die Herstellung von Opiaten und Betäubungsmitteln beruht. Bild: William DeLoache / UC Berkley.

Den Forschern geht es darum, die Kosten der Herstellung therapeutischer Schmerzmittel zu verringern, weshalb ihre Studie unter anderem auch von mehreren US-Ministerien wie dem Verteidigungs- und dem Energieministerium unterstützt wurde. Das synthetische Fertigungsverfahren könnte aber auch die Produktion mancher Krebsmittel oder von Antibiotika vereinfachen, da Retikulin, das sonst in Schlafmohn enthalten ist, auch für diese Mittel verwendet wird. Vince Martin ist sich aber auch im Klaren, dass seine Entdeckung leicht missbraucht werden kann, wie er mir erklärte. Die Herstellung des zugrundeliegenden genmanipulierten Hefestamms sei zwar schwierig gewesen, aber jetzt könnte jeder, der an den Stamm herankommt, ihn leicht zweckentfremden. „Es ist wie mit jeder Dual-Use-Technologie, wie der Atombombe und der Atomenergie—die Technik kann für gute und schlechte Dinge genutzt werden. Aber so lange es Regularien gibt, gibt es auch die Hoffnung, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen", erklärte mir Martin. In dem Kommentarartikel von Nature empfehlen die Politikwissenschaftler dann auch, dass die Arbeit mit den manipulierten Hefestämmen nur auf lizensierte Forscher und Anlagen beschränkt bleiben solle. Auch Unternehmen, die DNA synthetisieren und verkaufen, sollten reguliert werden, um die Verbreitung zu verhindern. Dennoch gibt auch Bioingenieur Dueber zu, dass es äußerst schwierig sein dürfte, effektive Kontrollen umzusetzen: „Wenn das Wissen um einen Opium-produzierenden Hefestamm erstmal öffentlich wird, dann könnte theoretisch jeder mit molekularbiologischen Grundkenntnissen die Entwicklung nutzen."