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Dieser Ex-Banker hilft Griechenland, Goldman Sachs zu verklagen

Jaber George Jabbour hat schon Portugal per Investmentbanken-Klage zu frischem Geld verholfen. Jetzt rät der ethische Ex-Banker mit einem Brief der Athener Regierung zur Klage.
Bild: Jaber George Jabbour. Verwendet mit freundlicher Genehmigung. via

Die ganze Welt schaut momentan wieder auf Griechenland als ein Land im Auge des finanzpolitischen Schulden-Hurrikans. Es ist ein scheinbar verworrener Kampf um Souveränität, Deutungshoheit, ökonomische Ideologien und politisches Machtkalkül—und nicht zuletzt für viele Griechen ein Kampf um das nackte Überleben am Rande des absoluten Existenzminimums. Chaos, Drama, Manipulation und Zynismus - der erbitterte Kampf um Lösungskonzepte und jede Menge Geld scheint kein Ende zu nehmen.

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Fast unbemerkt beginnt nun eine neue Debatte um alte finanztechnische Tricks, die den Blindflug in die Krise erst ermöglicht hatten: Über Swap-Geschäfte hatte Goldman Saschs von 2001 an dafür gesorgt, die Schuldenbilanz Griechenlands zu frisieren. Die US-Investmentbank Goldman Sachs „half" der Athener Regierung, das eigene Haushaltsdefizit gegenüber der Europäischen Union künstlich niedriger erscheinen zu lassen. So durfte Griechenland der EU beitreten.

„Durch meine Arbeit im Bankensektor wurde mir bewusst, dass Banken öffentliche Institutionen ausnutzen."

Nicht wenige bezeichnen die US Investmentbank als einen der großen Profiteure der Krise. Fast 14 Jahre später könnten ihr nun doch noch rechtliche Konsequenzen drohen: Jaber George Jabbour, der erfolgreiche Berater tief verschuldeter Länder, hat der griechischen Regierung Hilfe im Kampf gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber Goldman Sachs angeboten. Es wird allgemein vermutet, dass Jabbour die Provision für die Swap-Deals als überhöht ansieht.

„Durch meine Arbeit im Bankensektor wurde mir bewusst, dass Banken öffentliche Institutionen ausnutzten, sowohl bei strukturierten Transaktionen, als auch bei komplexen Derivaten und Swap-Deals", erklärte Jabbour schon 2013 gegenüber der portugiesischen Zeitung Público. „Deshalb gründete ich 2009 mein eigenes Business, um öffentliche Institutionen zu warnen, zu unterstützen und ihr Bewusstsein zu schärfen, wenn sie derlei Deals eingehen."

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Jabbour kennt die komplexe Finanzwelt aus dem Effeff—er selbst arbeitete als Senior Analyst bei Goldman Sachs. Laut Medienberichten schrieb er Athen nun einen Brief: Er bot der griechischen Regierung, die händeringend nach Auswegen aus der Schuldenspirale sucht, Hilfe an. Wenn Athen Goldman Sachs verklagt, könnte das Land einen Teil seiner Schulden abbauen.

Die Chancen stehen nicht schlecht. Dass Jabbour es ernst meint, wird schnell klar, wenn man sich anguckt, wie er der portugiesischen Regierung geholfen hat. Mit seiner Beratungsfirma Ethos Capital Advisors hat er für Portugal Kompensationszahlungen von Londoner Banken erstritten—in Millionenhöhe. Auch dabei ging es um komplexe Finanztransaktionen, die das Land während der Finanzkrise eingegangen ist.

Die wenigsten werden sich noch an den berüchtigten, speziell für die griechische Krise entwickelten Währungsswap erinnern. Ein—wenn man es gezielt daraufhin konstruiert—komplexes finanztechnologisches Werkzeug mit gravierenden Folgen. Sogenannte Cross-Currency-Swaps sind an sich keine Besonderheit, aber die von Goldman Sachs speziell designte Version für Athen hatte es in sich. Ein geschickter Weg, um an mehr Profit zu kommen.

Anfang 2002 einigten sich Griechenlands Schuldenverwalter und die US-Bank auf den Cross-Currency-Swap Deal: In Dollar und Yen aufgenommene Staatsschulden von rund zehn Milliarden wurden für eine gewisse Laufzeit in Euro getauscht und dann wieder zurückgetauscht. Im Gegensatz zu herkömmlichen Swaps wurde bei diesem Geschäft mit Wechselkursen gearbeitet, die unter dem tatsächlichen Marktpreis lagen und nicht aktuell waren.

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Als Ergebnis bekam die griechische Regierung eine hohe Einmalzahlung von etwa einer Milliarde Euro. Der Haken: Das Ganze musste mit Zins über andere komplexe Tauschgeschäfte an Goldman über die kommenden Jahre zurück gezahlt werden. Allerdings nicht als normaler Kredit mit normalen Zinsen, sondern in Form eines wiederum komplizierten Derivate-Swaps.

Das schöne Rechensystem der Statistikmeister wird von der Realität gekippt.

So lief das Ganze bis es Goldman selbst zu heiß wurde—der Deal entwickelte sich in eine riskante Richtung: Um die ursprünglichen 2,8 Milliarden Euro zurückzahlen zu können, hatte Griechenland eine Wette abgeschlossen, auf steigende Zinsen. Was die Zahlenmeister von Goldman nicht voraus gesehen hatten: Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 fielen die Zinsen, und die Schulden Griechenlands stiegen mit dem Refinanzierungsmodell an. Das schöne ausgearbeitete Rechensystem der Statistikmeister wurde von der Realität gekippt.

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Um das Problem in den Griff zu bekommen, folgte Griechenland dem Rat von Goldman und startete eine neue Wette: Diese war an die Inflation in der Eurozone gekoppelt. Nur leider verliefen die wichtigsten Kennzahlen für diesen Swap genau gegenläufig zu dem, was Goldman Sachs vorhergesagt hatte.

Der US-Investmentriese verkaufte im Jahr 2005 das Ganze kurzerhand an die griechische Nationalbank weiter und ist seitdem aus der Sache raus. Goldman wird ordentlich verdient haben: Von 500 Millionen Dollar ist die Rede. Genaue Zahlen nennt das Unternehmen bis dato nicht.

Jabbour selbst wollte Motherboard gegenüber keinerlei Stellungnahme abgeben. Erst ein mögliches Gerichtsverfahren oder folgende Ermittlungen könnten mehr Klarheit über die Vorgänge an die Öffentlichkeit bringen. Dass Jabbour sich nicht zu den Details äußern kann und mag, während er Griechenland gegen seinen Ex-Arbeitgeber unterstützt, ist das eine—dass Goldman Sachs sich nicht äußert und seine dubiose Rolle in der Affäre aufklärt, ist das andere. Interessantes Personaliendetail am Rande: EZB-Chef Mario Draghi war zwischen 2002 und 2005 stellvertretender Verwaltungsratschef von Goldman Sachs in London. In dieser Zeit war Draghi zuständig für die Geschäfte mit Staaten und staatlichen Agenturen. Die Frage ist, was er von dem damaligen Deal wusste. Auch er sagt bis heute: gar nichts.

Jabbour zog im Jahr 2004 aus Syrien nach England und machte Karriere im Investment Banking. Später half er dem Irak—nach dem Sturz Saddam Husseins—seine Schulden umzustrukturieren. Danach wechselte er zu Goldman Sachs, bevor er schließlich die Beratungsfirma Ethos Capital Advisors gründete.

Die Arbeit des Ex-Bankers Jabbour in Portugal brachte eine parlamentarische Untersuchung ins Rollen und kostete hohe Beamte und Politiker ihren Job. Ebenfalls flossen Kompensationszahlungen in Millionenhöhe von Banken an den portugiesischen Steuerzahler zurück.

Geschätzte Zahlungen von 500 Millionen Euro sollen den Portugiesen damit erspart worden sein. Für Griechenland wäre das eine Entlastung, die die Bürger angesichts immer neuer Sparauflagen und Privatisierungen händeringend gebrauchen können.