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Restaurant Confessionals

Als nüchterne Barkeeperin kann ich mir die Arschlöcher merken

Mit genügend Alkohol im Blut finden viele männliche Gäste plötzlich den Mut, richtig schlimme Dinge von sich zu geben. In solchen Situationen sitze ich jedoch am längeren Hebel.
Foto fra Flickr-bruger opacity

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Heute äußert sich eine Barkeeperin, die keinen Alkohol trinkt.

Als Barkeeperin, die komplett auf Alkohol verzichtet, bin ich in der Lage, während der Arbeit immer einen klaren Kopf bewahren. Ich weiß außerdem genau, was Alkohol mit Menschen anstellen kann. Und wenn ich ganz nüchtern dabei zusehe, wie sich durch Alkohol verursachte Schwierigkeiten anbahnen, dann werde ich immer wieder daran erinnert, warum ich nicht trinke.

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Versteht mich hier jetzt aber auch nicht falsch: Ich trinke zwar keine Alkohol, liebe meinen Job aber trotzdem über alles und die Barkultur ist mir ebenfalls nicht fremd. Außerdem muss auch ich meine Cocktails und Drinks probieren. Es ist jetzt also nicht so, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, was die Gäste hier erleben. Nüchtern hinter der Bar zu stehen, passt jedoch einfach besser zur mir als die andere Seite der Theke.

Als mir klar wurde, wie viel Geld man als Barkeeperin dank des Trinkgelds verdienen kann, habe ich quasi direkt nach meinem 21. Geburtstag damit angefangen, hinter der Theke zu arbeiten. Der finanzielle Aspekt meines Jobs ist jedoch nicht die einzige Sache, die ich daran liebe. Ich stehe auch total auf die Macht über betrunkene Leute, die damit einhergeht. Im Vergleich zu anderen Tätigkeiten im Gästebereich einer gastronomischen Einrichtung hat man als Barkeeperin mehr Autorität. Die Gäste bringen mir Respekt entgegen, weil wenn sie das nicht machen, gibt es für sie auch keine Drinks.

Ganz egal wie unhöflich oder behämmert ein Gast daherkommt, bei mir bekommt jeder eine Chance. Manchmal weiß ich jedoch auch sofort, dass mir mein Gegenüber total auf die Nerven gehen wird.

Der Großteil meiner Gäste besteht aus Anzug tragenden Geschäftsmännern, die im Finanzsektor tätig sind. Manche von ihnen haben ihre Frauen oder Freundinnen im Schlepptau, aber viele kommen auch allein. Mit ihrem Geld können sich die Zweitgenannten jedoch viel Mut antrinken.

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Ich bin in meiner Bar die einzige Frau hinterm Tresen. Da in meinem Arbeitsumfeld Männer in der Überzahl sind, muss ich mir meinen Respekt hart erarbeiten—und das mache ich, indem ich mich selbstbewusst zeige und nicht unterkriegen lasse. Viele männliche Gäste gehen davon aus, dass ich als Frau immer gut drauf bin und automatisch mit ihnen flirten werde. Sie versuchen die Tatsache auszunutzen, da eine Barkeeperin vor sich zu haben, und sprechen mich deshalb mit Sachen wie „Hey Süße!" oder „Schätzchen!" an. Natürlich erwarten sie dann auch, dass ich mich sofort lächelnd zu ihnen umdrehe, so als ob ich ihnen direkt die Hose aufknöpfen will oder so.

Mit genügend Alkohol im Blut finden einige männliche Gäste auch plötzlich den Mut, richtig schlimme Dinge von sich zu geben. Da gab es zum Beispiel mal einen Stammgast—ein richtig hohes Tier im Finanzbereich. Eigentlich haben wir uns immer gut verstanden und es gab nie Probleme. Als er sich jedoch einmal richtig zuschüttete, wurde er zwar nicht wütend oder gewalttätig, dafür jedoch sexuell gesehen richtig aggressiv und ekelhaft. Er deutete auf irgendetwas hinter mir und ich drehte mich um, um zu schauen, was er denn meinte. Ich fragte ihn verwirrt, auf was ich denn meine Augen richten sollte. Seine Antwort: „Schon gut, ich hab meine Augen ja auf dich gerichtet." Ich wollte ihn fragen, was er mir damit sagen will, und bemerkte dabei, dass er mir ganz unverblümt auf den Hintern glotzte. Schließlich behauptete er auch noch, dass er mir damit ja nur ein Kompliment machen wollte. Ich starrte ihn einfach nur fassungslos an und dachte mir: „Passiert das gerade wirklich?" Im nüchternen Zustand hätte er so etwas nämlich niemals gebracht.

Wenn man in unterschiedlichen Etablissements als Barkeeperin tätig ist, bekommt man auch unterschiedliches betrunkenes Verhalten zu Gesicht. Als ich zum Beispiel mal in einer anderen Bar mit einem stärkeren Club-Vibe arbeitete, kam es zu folgendem Zwischenfall: Eines Abends war die Musik am Dröhnen und alle hatten richtig viel Spaß. Ein Typ saß an einem Tisch mit eigener Bedienung in der Nähe des Tresens. Trotzdem kam er ab und an zur Bar, um sich unter die Leute zu mischen. Irgendwann fiel mir auf, dass er voll wie eine Haubitze war. Genau da fing er auch damit an, irgendetwas über Toiletten herumzuschreien, und wirkte total wütend. Ich deutete ihm den Weg zum Klo und er lallte nur, dass er das schon wissen würde. Schließlich stellte er sich neben den Tresen und pinkelte einfach drauflos, so als ob er ein Urinal vor sich hätte. Das Witzige dabei war jedoch die Tatsache, dass er beim Urinieren auch noch High fives verteilte. Die Vorstellung, dass ein Gast, der einen Tisch inklusive eigener Bedienung für sich und seine Freunde reserviert hatte, irgendwann ganz schamlos den Tresen vollpisst, ist einfach nur unglaublich.

Betrunkene Gäste haben stets noch mehr Durst und versuchen deswegen ständig, kostenlosen Alkohol rauszuschlagen. Egal ob ich ihnen nun einen komplizierten Cocktail oder nur ein Glas Wein vorsetze, sie fragen ohne Ausnahme nach ein bisschen mehr. Ich denke mir dann immer: „Ach, ich soll für dich also meinen Arbeitgeber beklauen?" Ich meine, für die Gäste ist es nur ein bisschen mehr, aber für mich könnte das Ganze schnell zum Kündigungsgrund werden. Und genau hier kommt dann wieder die Machtposition als Barkeeperin ins Spiel: Ich habe kein Problem damit, streng und standhaft zu bleiben. Mir ist klar, dass die betrunkenen Gäste im Gegensatz zu mir nicht mehr klar denken können. Ich muss ihnen jedoch trotzdem verklickern, dass sie mit sowas bei mir nicht durchkommen werden.

Es gibt allerdings auch die seltenen Momente, in denen ich kostenlos etwas mehr einschenke. Warum? Weil ich es kann.

Aufgezeichnet von Tae Yoon.