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Interviews

"Ich will kein bürgerliches Leben führen" – Mimiks im Gespräch

Mimiks zählt inzwischen zu den erfolgreichsten Rappern des Landes. Doch diese Position macht für ihn als Mensch auch unbekannte Problemfelder auf.
Foto: Pressebild

Mimiks veröffentlicht heute sein neues Album Jong & Hässig Reloaded, die Neuauflage seines legendären Debüt-Mixtapes. Der 26-jährige Luzerner war schon vor zehn Jahren Bestandteil der Untergrund-Rapszene und erarbeite sich in den letzten fünf Jahren einen hohen Stellenwert in der Mundartrap-Wahrnehmung. Spätestens seit seinem Debütalbum VodkaZombieRamboGang ist er Beweis dafür, dass unangepasste Rapmusik auch in der Schweiz erfolgreich sein kann – die Platte stieg direkt auf Platz eins der Schweizer Hitparade ein. Mimiks spielt in allen Belangen in der obersten Liga des Rapgames unseres Landes. Er ist in erster Linie einfach mal ein begnadeter Rapper und bringt überdurchschnittliches Talent mit. Was ihn aber auch von der grossen Masse abhebt, sind sein nicht zu stillender Hunger und sein eiserner Wille, zu den relevantesten Rappern der Schweiz zu gehören. Diese Kombination aus Talent und Disziplin macht ihn nicht nur zum Zugpferd und Aushängeschild seiner 041-Clique, sondern auch zu einem der erfolgreichsten Rapper des Landes.

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Und wer Mimiks kennt, weiss: Angel Egli, so der Schweiz-Spanier bürgerlich, ist ein Getriebener. Irgendetwas in ihm treibt ihn ständig zu Höchstleistungen, er will sich stets verbessern und das Beste aus sich herausholen. Im Fall von Mimiks kann schon fast von vollendeter Selbstoptimierung gesprochen werden. Hinter dieser Fassade steckt jedoch ein bedachter, sensibler und liebenswürdiger junger Mensch, der beginnt, Frieden mit sich selbst zu schliessen und sich so zu nehmen, wie er ist. Ich habe Mimiks getroffen und mit ihm über Selbstbewusstsein, Geldsorgen in seiner Vergangenheit, kommende Sponsoringdeals und sein aktuelles Social-Media-Verhalten gesprochen.

Noisey: Beim Durchhören von Jong & Hässig Reloaded ist mir vor allem eins aufgefallen: Du klingst überzeugt von dem, was du tust. Bist du das auch wirklich?
Mimiks: Auf diesem Album bin ich das zu hundert Prozent, ja. Ich bin mehr als zufrieden mit dem Resultat. Es ist der Höhepunkt meines bisherigen musikalischen Schaffens. Und darum rede ich auch sehr gerne darüber. Aber: Ich bin natürlich immer noch auch einfach Mensch und nicht immer gleich von allem überzeugt, was ich tue oder wie ich handle. Auch ich habe Momente, in denen ich mich nicht entscheiden kann, an mir selbst zweifle oder frustriert bin.

Aber du bist schon ein wenig ein Workaholic, oder?
Ich bin grundsätzlich eher ein fauler Mensch. Wenn es jedoch um Musik geht, sieht das aus irgendeinem Grund anders aus. Da würde ich mich eher als getrieben bezeichnen. Es ist eine Mischung aus purer Leidenschaft zur Musik und dem Antrieb, gesehen, gehört und wahrgenommen zu werden. Und darum ist die Musik eigentlich auch das Einzige, was ich in meinem Leben mache, hinter dem ich zu hundert Prozent stehen kann.

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Du wirkst im Vergleich zu den vorherigen Produktionen weniger verkrampft und definitiv entspannter. Wo stehst du persönlich im Leben?
Ich bin in verschiedenen Lebensbereichen sehr zufrieden. Ich fühle mich im Vergleich zu einigen Jahren zuvor ausgeglichener und geerdeter. Ich achte im Allgemeinen viel mehr auf mich selbst und auf meine Gesundheit. Ich trinke viel weniger Alkohol, versuche mich ausgewogen und gesund zu ernähren, treibe Sport und versuche Dingen, die mich unglücklich machen, einfach keinen Platz in meinem Leben zu geben. Überraschenderweise gelingt mir das alles sehr gut. Aber es gibt natürlich immer noch Bereiche, mit denen ich eher schlecht klarkomme.

Es steckt also doch eine zerbrechliche und sensible Person hinter der Fassade von Mimiks?
Das weiss ich, ehrlich gesagt, gar nicht so genau. Erstens weil es keine klare Trennlinie zwischen mir als Person und dem Rapper Mimiks gibt. Und zweitens weil ich mich als Mensch irgendwie diesbezüglich nicht ganz so klar definieren kann und mich manchmal selbst verwirre: Es gibt Momente, da sehe ich ein kleines Kätzchen auf der Strasse und beginne fast zu heulen vor Glück. Aber da sind auch die Momente, in denen ich mit etwas wirklich Traurigem konfrontiert werde und es passiert rein gar nichts in mir. Das macht mir dann irgendwie auch Angst.

Und welche Lebensbereiche sind es, die dir immer noch Mühe bereiten?
Ich habe immer noch Schwierigkeiten, mit allem Administrativen: Mit Rechnungen, Steuern und all diesen Dingen. Ich mag das nicht, es fühlt sich für mich einengend und wie in einem Gefängnis an. Wahrscheinlich hat das aber auch damit zu tun, dass Geldsorgen und finanzielle Unsicherheit ein treuer Begleiter in meinem Leben waren. Eigentlich ist das schon so, seit ich denken kann.

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Inwiefern waren denn Geldsorgen präsent in deinem bisherigen Leben?
Ich wurde von meiner alleinerziehenden Mutter aufgezogen. Auch wenn ich in der Schweiz aufgewachsen bin und nie Hunger leiden oder auf der Strasse leben musste, kann ich ganz klar sagen: Ich komme für Schweizer Verhältnisse aus der Unterschicht. Mit wenig Geld klarzukommen oder eben gar kein Geld zu haben, war immer wieder eine konkretes Problem in meinem Leben.

Das hat sich nun aber geändert, oder?
Diese Situation hat sich erst seit dem letzten Album entspannt. Mit meinem jetzigen Standing innerhalb der Musikszene habe ich quasi einen Lohn von vier- bis sechstausend Franken im Monat. Das ist für Schweizer Verhältnisse wahrscheinlich ziemlich durchschnittlich. Plus halt die Vorzüge, die du geniesst: Du arbeitest für dich selbst, kommst viel herum, lernst ständig Menschen kennen und verdienst dein Geld mit etwas, was dir Spass macht.

Was passiert, wenn der Erfolg ausbleibt oder das Standbein der Musik wegbricht?
Ich glaube, falls das eintreffen würde, dass ich aus irgendeinem Grund keine Musik machen könnte, würde ich einen ganz alternativen Weg einschlagen. Ich kann mir sehr schlecht vorstellen, ein normales, bürgerliches Leben zu führen. Wenn du es einmal geschafft hast, aus diesem Leben auszusteigen und zum Beispiel das Leben eines Künstlers pflegst, willst du nie wieder zurück. Natürlich bist du als Künstler nicht ausserhalb des Systems, aber irgendwie geniesst du eben doch die Freiheiten, die ich vorhin genannt habe.

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Was ist eigentlich so schlimm an einem normalen, bürgerlichen Leben?
Das ist eine gute Frage, die schwierig zu beantworten ist. Ich persönlich versuche seit Jahren alles, um kein solches Leben führen zu müssen. Für mich fühlt sich die Vorstellung eines solchen Lebens nach Ödnis und Langeweile an. Als ob man gar nicht existiert, Teil einer grauen Masse oder lediglich ein kleines Zahnrädchen in einer grossen Maschinerie ist. Da würde ich wie gesagt einen anderen, alternativen Lebensstil pflegen wollen. Lieber Hippie-Kommune in Neuseeland als ein durchschnittliches Leben in der Schweiz.

Du wurdest von einem SRF -Musikjournalist für deine Zusammenarbeit mit Red Bull kritisiert. Er schrieb: "Nur ein komplett freier Künstler, ist ein komplett glaubwürdiger Künstler" – Was löst das in dir aus?
Das ist in meinen Augen eine ziemlich naive Aussage. Red Bull betreibt Kulturförderung, indem das Unternehmen ganz einfach Musikprojekte mitfinanziert. Zu keinem Zeitpunkt wird da auf irgendeine Weise Einfluss auf den Prozess oder gar das künstlerische Schaffen genommen. Meine künstlerische Freiheit ist auf jeden Fall gewährleistet. Trotzdem: Wenn jemand das Gefühl hat, völlig ohne Ambivalenz und Widersprüche durchs Leben zu kommen, soll er sich bei mir melden. Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Aber nochmal: Ich sehe in dieser konkreten Zusammenarbeit beim besten Willen keine Schwierigkeit.

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Gibt es für dich Organisationen oder Unternehmen, mit denen du grundsätzlich nicht arbeiten würdest?
Natürlich gibt es Sachen, die ich grundsätzlich nicht machen würde. Zum Beispiel dann, wenn es mit meiner politischen Haltung oder meiner Einstellung zum Leben nicht kompatibel wäre. Ganz konkret: Unter keinen Umständen könnte ich etwas für die SVP machen – oder mit einem Unternehmen wie Néstle zusammenarbeiten. Jedoch glaube ich trotzdem, dass solche Anfragen situativ beurteilt werden müssen, abgesehen von diesen und ähnlichen ganz klaren Fällen. Das Wichtigste ist wohl, dass du sowas mit deinen Prinzipien vereinbaren kannst und dass du dich von solchen Sponsoren nicht abhängig machst. Sie sollten eher ein Goodie oder ein Zusatz sein zu den gängigen Einnahmequellen.

Das klingt für mich eher nach einem Unternehmen als nach Kunst. Auch wie einige Rapper ihre Social-Media-Kanäle bespielen, erinnert mich stark an ein Unternehmen. Bei dir ist das manchmal auch der Fall.
Ja, ich weiss. Das mag manchmal ein bisschen verstörend rüberkommen. Aber es ist halt einfach ein Promotool und wir versuchen es optimal zu nutzen. Diese ganze Sache ist auch nicht meine Lieblingstätigkeit, aber es gehört einfach dazu und wenn ich dann wieder mittendrin bin, macht es eigentlich auch Spass. Es dient vor allem einem Ziel: Ich will von meiner Musik leben. Wäre ich Amerikaner, könnte ich das schon längst und ich wäre wohl Millionär. In der Schweiz ist das leider alles ein bisschen schwieriger.

Trotzdem: Du bist schon eher jemand, der immer die Höchstleistung aus sich holen möchte. Birgt dieser Drang nach Selbstoptimierung nicht auch Gefahren?
Ich war immer schon fasziniert von Menschen, die irgendetwas ganz gut können oder für irgendetwas ganz hart arbeiten. Und ich habe wohl auch selbst immer wieder den Drang, mich in verschiedenen Bereichen zu perfektionieren. Das artet manchmal auch ein wenig aus, denn: Wenn du dich ständig nur verbessern willst, suchst du automatisch immer nach Fehlern, die du auszubessern versuchst. Das macht auf Dauer nicht glücklich. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere, positivere ist: Du forderst dich selbst heraus und entwickelst dich dadurch auch persönlich weiter. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ich versuche einen Mittelweg zu finden. Ich weiss, dass es nicht der richtige Weg sein kann, immer nur die beste Leistung aus sich holen zu wollen.


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