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Fischerei

Billiger Räucherlachs ist voller Läuse

Lachse leben auf Farmen oft in verschmutzen Gewässern und leiden an Seeläusen. Die noch dubiosere Seite von Räucherlachs zeigt sich aber erst, wenn der Fisch in die Fabrik gelangt.

Als ich gerade nach London gezogen war, dachte ich, die Bagels mit geräuchertem Lachs von der Brick Lane wären der Hammer. Ich aß (gefühlte) Tonnen davon, die ganze Zeit. Glutenfrei war noch nicht so ein großes Ding im Jahr 2007. 2007 war Frischkäse mein Wasser und fettiges braunes Papier der Belag meiner Seele.

Noch verstörender als das ist aber, dass meine frühere Abhängigkeit ein Symbol für ein weitergehendes Fischproblem ist. Unsere Nachfrage nach Räucherlachs übertrifft bei weitem das natürliche Angebot. Wir segeln alle auf dem guten Lachsschiff und Captain Straflosigkeit hat die Hände am Ruder.

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Darf uns das egal sein? Mit Zwiebeln und reichlich Zitronensaft schmeckt doch jeder Räucherlachs fast gleich, oder?

Ursprünglich wurden die seidigen korallfarbenen Scheiben als Spezialität serviert. Heute ist Räucherlachs ein Produkt des täglichen Bedarfs mit sehr unterschiedlicher Qualität. Eine Packung Räucherlachs-Abfälle kostest ungefähr gleich viel wie eine teure Packung Chips.

Darf uns das egal sein? Mit Zwiebeln und reichlich Zitronensaft schmeckt doch jeder Räucherlachs fast gleich, oder? Und in einer Welt, in der frischer Fisch nur selten innerhalb der Haushaltsbudgets liegt, interessiert die Herkunft des Produkts nur wenig.

Wenn es aber um Ethik geht, dann sollte es uns interessieren. Die Produktion von geräuchertem Lachs ist mancherorts eine dunklere Angelegenheit als die Tiefen des Loch Lochy. Manche Lachsfische leben buchstäblich in einem Fluss Scheiße.

Der Fang des rohen Produkts sowie der Prozess, wie es in die Verpackungen gelangt, unterliegt dubiosen Praktiken und es wird an allen Ecken und Erden gespart. Industrielle Produzenten versuchen die Nachfrage der Supermärkte zu bedienen, während Traditionalisten und Lobbyisten dies versuchen zu verhindern. Und sie lassen dabei keinesfalls locker.

Die Anti-Lachs-Zucht-Riege ist besonders erpicht darauf, viel Staub aufzuwirbeln. Diese Typen sind die Erzfeinde der Supermärkte, deren angebliches Engagement für verantwortungsvoll produzierte Meeresfrüchte und Fisch tatsächlich ziemlich faul riecht.

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Der Autor und Fischfarm-Kritiker Bruce Sandison sagt, gezüchtete Fische würden im Kreis schwimmen und schwabbelig werden. Der Fettgehalt des daraus resultierenden Räucherlachs kann „höher als eine Pizza Margaherita sein" und bei bis zu 14g pro 100g liegen.

Sandison ließ mir einen Bericht über die norwegischen Farmen, die die Gewässer der Nordsee dominieren, zukommen. Das ist auch der Fisch, den wir meistens essen. Dort wird unter anderen Gesetzen operiert—in Norwegen darf den Fischen Schweinefleisch- und Geflügelkügelchen verfüttert werden, die aus Innereien, Federn und Knochen hergestellt werden.

Lachsfarmen leiden an chronischen Seeläusen, die schnell gegen chemische Behandlungen immun werden.

Diese kommen dann als Exkremente wieder heraus, die die Aquakultur der Farm zerstören. Die Farmen befinden sich meistens in engen Kanälen und deshalb leidet auch das Wasser darumherum darunter. Die Läuse ,,brechen" aus den Farmen aus und töten die wilden Lachse im Umkreis.

Fischfarmen sind eine mangelhafte Lösung für mehr Nachhaltigkeit. Mit besseren Regulierungen und höheren Investments könnten sie aber funktionieren.

Andrew Graham-Steward von der Salmon & Trout Organisation (S&TO) hat eine Langzeitlösung. „Behälter am Land sind die einzige Art und Weise, wie man wilden und gezüchteten Lachs strikt voneinander trennen kann", sagt er. „Das gab es schon in anderen Teilen der Welt. Dafür sind jedoch riesige Investitionen notwendig, deshalb wird das in Großbritannien wohl nicht so bald Realität werden."

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Wenn es um die Beziehung zwischen Supermärkten und Fischfarmen geht, sagt Graham-Steward, führe man nur oberflächliche Kontrollen durch, bevor Deals ausgehandelt werden. S&TO ist in eine laufende Beschwerde gegen Sainsbury's, einen britischen Supermarktriesen, verwickelt, deren Lachs aus der Taste the Difference-Produktlinie als „responsibly sourced", also aus verantwortungsvoller Produktion, kommen soll. S&TO behauptet, der Lachs sei alles andere als das.

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„Schottischer" Lachs, gezüchtet in Norwegen. Foto von Bruce Sandison.

„Die Supermärkte wollen sich ihre ökologische Glaubwürdigkeit ausspielen. Der Fall von Sainsbury's ist keine Ausnahme", sagt Graham-Steward. ASDA, ein weitere britische Supermarktkette, stand dieses Jahr im Rampenlicht, weil der Konzern Lachs aus einer Farm mit einem Läuse-Problem bezogen hatte.

Neben dem Kleingedruckten und der irreführenden Verpackung, die für ein grünes Image sorgen soll, ist der Kunde in den Geschäften manipulativem Marketing ausgesetzt. Dieses Jahr wurden Tesco und Aldi dabei ertappt, wie sie die schottische Flagge an den Regalen anbrachten, sodass es aussah, als wäre der norwegische Lachs aus Schottland.

Das Ganze hat auch einen politischen Aspekt. Schottlands Handelsabkommen mit China sorgte für einen Anstieg der Lachs-Nachfrage in Großbritannien. Der britische Bestand ist also für den Export bestimmt (und es hilft auch nicht unbedingt, dass China Lachs aus Norwegen verboten hat, scheinbar als Zeichen der Geringschätzung, dass Liu Xiaobo 2010 der Friedensnobelpreis verliehen wurde).

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Diese Probleme betreffen aber die Fischereiindustrie als Ganzes, nicht nur die Lachszucht. Die noch dubiosere Seite von Räucherlachs spielt sich erst ab, wenn der rohe Fisch in die Fabrik gelangt. Ein noch so ethisch gefangener Lachs kann ganz schnell ruiniert werden, indem die Qualität der Weiterverarbeitung unter Sparmaßnahmen leidet.

Der Fisch muss einige Tage liegenbleiben, damit die Totenstarre nachlässt. Folglich sind die Fische zum Teil schon sehr nahe an der Ablaufgrenze, wenn sie abgepackt werden.

Lance Forman, ein redseliger Besitzer der kleinen Räucherkammer H Forman & Sons im Londoner East End, sagt, die großen Konkurrenten sparen Geld ein, indem sie norwegischen Lachs verwenden. Wenn er in Schottland geräuchert wurde, darf er als „schottisch" bezeichnet werden. Bis der Lachs von Norwegen nach Großbritannien geschifft wird, dauert es vier Tage, die der Lachs an Haltbarkeit einbüßt.

„Um Geld bei der Arbeit zu sparen, werden Schneidemaschinen zum Aufschneiden verwendet. Dafür braucht man aber weiches Lachsfleisch", sagt Forman. „Deshalb muss der Fisch noch einige weitere Tage liegenbleiben, damit die Totenstarre nachlässt. Folglich sind die Fische zum Teil schon sehr nahe an der Ablaufgrenze, wenn sie abgepackt werden.

Außerdem gibt es auch ein Gewichtsproblem. „Bevor er geräuchert wird, muss er gesalzen werden und dadurch verliert er an Gewicht. Durch das Räuchern wird das Gewicht des Lachs dann noch um weitere 10 Prozent reduziert. Um dieses Problem zu umgehen, spritzen manche Produzenten den Fisch mit Salzwasser oder legen ihn in Salzwasser ein. Wenn ein Fisch zu salzig ist, wird dem manchmal mit Zucker entgegengewirkt. Du musst dir nur mal die Inhaltsstoffe auf einer billigen Packung Lachs ansehen.

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Forman sagt auch, dass mancher Räucherlachs noch nicht einmal in die Nähe eines Ofens gelangt. Stattdessen werde flüssiger Rauch oder Rauch aus der Sprühdose verwendet. (Falscher Rauch ist scheinbar recht verbreitet, und birgt einige Gesundheitsrisikos.)

Es ist ja gut und recht, dass Forman seine Konkurrenten ein bisschen niedermacht—welcher gute Geschäftsmann tut das nicht—aber gibt es dafür auch Beweise? Er zeigt mir ein Video einer „handwerklichen" Lachsproduktion und unterbricht ganze 21 Mal: „Er hat keine Handschuhe an!" „Schau dir diese Förderbänder an!" „Sie schmeißen den Lachs in einen ungekühlten Lastwagen!"

Forman gibt zu, dass der Premium-Lachs im Supermarkt eine annehmbare Qualität haben kann—auf manchen Packungen wird sogar der Name der Farm angeführt. Aber die Billigprodukte sind zäh, fettig und enthalten gelegentlich Gräten.

Auf einer Packung Billiglachs wird als Herkunft „Farmen in Irland, Schottland und Norwegen" angeführt, aber wenigstens ist das ehrlich. Marks & Spencer hat eine gesamte Produktlinie mit dem Namen „Lochmuir"-Lachs. Und weißt du was? Lochmuir ist ein komplett frei erfundener Ort.

Zu einem gewissen Maße ist jeder geräucherte Lachs beschissen—kein Produkt ist blitzsauber. „Handwerkliche" Produzenten beziehen den Fisch von Farmen. Der nachhaltigste Lachs stammt aus dem weit entfernten Pazifik. Und mit Verpackungen wird man immer irgendwie einen Weg finden, das Gesetz zu umgehen.