Große Vibratoren machen Männern Angst, bringen's aber voll
Bild: Zoë Ligon

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Sex

Große Vibratoren machen Männern Angst, bringen's aber voll

Wie ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und lernte, Männer für meinen Riesenvibrator zu sensibilisieren.

Vor zwei Jahren hatte ich endlich den Sex, den ich schon immer haben wollte: mit einem leistungsstarken Riesenvibrator als zusätzlicher Stimulation für meine Klitoris. Leider war diese Freude nur von kurzer Dauer. Mein damaliger Partner beschwerte sich nämlich über das lange Erotik-Werkzeug in Form eines Mikrofons. Seiner Aussage nach schmerzte der dicke Kopf des Geräts an seinem Becken. Ihm gefiel es nicht, weil der Sex so nur noch in wenigen Stellungen für ihn angenehm war. Obwohl ich jetzt richtig abging, hatte er das Gefühl, dass der Vibrator eine Distanz zwischen unseren Körpern schuf. Also legte ich meinen Zauberstab beiseite und es war wieder der schlechte Sex angesagt, bei dem es nur um das Vergnügen des Cis-Manns geht. Und bei dem mein Vibrator keinen Platz hat. Obwohl ich sexpositiv bin und sogar einen Sexshop besitze, habe ich mich nie dagegen gewehrt.

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Natürlich bin ich nicht die einzige Frau, die sich schon mit diesem Thema herumschlagen musste. Ich bin jetzt 25 und verkaufe seit vier Jahren Sexspielzeug. Und schon genauso lange fragen mich Cis-Frauen, ob ich etwas in der Größe eines kleinen Vibrators mit der Power eines großen Vibrators da hätte. Kleines Sexspielzeug dieser Art ist beliebter, weil riesige Vibratoren Cis-Männern nicht geheuer sind. Das sagt auch die Sexualpädagogin Dirty Lola: "Diese Furcht ist hauptsächlich auf Unsicherheit und Unwissen zurückzuführen. Männer haben eine irrationale Angst vor allem, was ihre Partnerinnen ihrer Meinung nach besser befriedigt als sie selbst. In anderen Worten: vor allem, was größer ist als ihr Penis."

Ich habe jahrelang versucht, meinen Kundinnen einzureden, dass sie auch einen großen Vibrator beim Sex mit einbeziehen könnten und nicht davon süchtig werden. Zu Hause fiel ich hinter verschlossenen Schlafzimmertüren trotzdem immer wieder in die gleichen Muster zurück. Es war vollkommen OK, dass mich dominante Liebhaber nach einer besonders harten Session mit dem Riesenvibrator belohnten. Aber das Sexspielzeug an meine Klitoris halten, während ich geleckt werde oder normalen Sex habe? Das kam mir nie in den Sinn.


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Wenn man unaufgeschlossene Männer mit dem Riesenvibrator konfrontiert, dann fühlten sie sich laut Lola oft bloßgestellt – so nach dem Motto: "Der ist ja so groß, brauchst du den wirklich?" Dazu kämen noch unangenehme Fragen und unbeholfenes Lachen, also richtige Stimmungskiller.

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Natürlich half es mir damals nicht, dass ich alles einfach so hinnahm. Teil meines Problems war auch meine beschränkte Vorstellung von Sex. Obwohl ich relativ aufgeschlossen bin und in der Erotikindustrie arbeite, definierte ich Sex immer nur als Penis in Vagina (PIV). In Wahrheit ist das jedoch die Cis-Mann-Auffassung von Sex, die für viele Frauen nichts bringt. Die Klitoris befindet sich schließlich außerhalb der Vagina. Ich gehöre zu den mehr als 75 Prozent aller Frauen, die alleine durch Penetration nicht zum Orgasmus kommen. Ich akzeptierte die männliche Vorstellung von "gutem Sex" und machte mir selbst damit die Chance zunichte, die Intimität wirklich genießen zu können.

Warum ich den PIV-Sex überhaupt akzeptiert habe? Ich wollte, dass sich meine Bettpartner gut fühlen und mich so noch mehr begehren und lieben. Zwar bin ich auch ein paar Mal beim Cunnilingus gekommen, aber viel häufiger habe ich den Orgasmus vor allem beim PIV-Sex dem Mann zuliebe vorgetäuscht – wie übrigens 80 Prozent aller Frauen.

Die Tatsache, dass es den Magic Wand auch 50 Jahre später in fast unverändertem Design noch zu kaufen gibt, zeigt doch, wie viel Spaß er den Leuten bereitet.

Dabei spannte ich die Muskeln in meinem Beckenboden an. Das führte immer zu einer leichten Benommenheit, die zusammen mit meiner Lust langsam wieder wegging. Heute beschreiben mir meine Kundinnen ihren sexuellen "Höhepunkt" fast genauso. Sie schaffen es quasi nie bis ganz nach oben. Sie setzen stattdessen einfach ein glückliches Gesicht auf und genießen die psychologischeren Elemente des PIV-Sex. Dabei könnten sie mithilfe eines Vibrators ein viel intensiveres Gefühl erleben.

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Die starken Motoren und die sonst unerreichten Vibrationen sind der Grund, warum Riesenvibratoren so intensive Orgasmen verursachen – und warum sie andere Modelle in allen Belangen in den Schatten stellen.

Im 19. Jahrhundert wurde der erste Vibrator patentiert. Was dabei kaum überrascht: Damals waren die Geräte noch ein Werkzeug des Patriarchats und dienten einem frauenfeindlichen Zweck. Ärzte wollten damit nämlich "Hysterie" bekämpfen, eine erfundene Krankheit, um Frauen zu bevormunden. Aber die Vibratoren kamen super an. Das wurde damals natürlich nicht als Form der sexuellen Befreiung angesehen, sondern als Bestätigung der "Krankheit".

Anfang des 20. Jahrhunderts ging das Interesse an Vibratoren jedoch wieder zurück. Erst in den späten 60er Jahren brachte Norelco einen senffarbenen Massagestab und Hitachi den ikonischen "Magic Wand" auf den Markt. Die beiden Modelle entwickelten sich zu wahren Verkaufsschlagern, weil sie weniger klobig daherkamen als frühere Modelle aus Metall.

Die Autorin mit ihrem Riesenvibrator

Die Tatsache, dass es den Magic Wand auch 50 Jahre später in fast unverändertem Design noch zu kaufen gibt, zeigt doch, wie viel Spaß er den Leuten bereitet. Da ist es schon irgendwie ironisch, dass ein Gerät, mit dem Männer Frauen ursprünglich beruhigen wollten, ihnen jetzt so viel Angst und Ehrfurcht einjagt.

Es gibt jedoch Mittel und Wege, Männern genau diese Angst zu nehmen. Laut der Sexualpädagogin und selbsternannten Vibratorenkönigin Carly S. kann man unwissende Partner leichter an Riesenvibratoren heranführen, indem man sie daran erinnert, dass die ganzen kleinen Sexspielzeuge für Pärchen nicht so einfach zu handhaben sind. Größere Geräte bieten viel mehr Grip und Kontrolle. Außerdem kann man Männern nicht oft genug ins Gedächtnis rufen, dass Penetration nicht die einzige Art ist, Sex zu haben. "Der Gedanke an einen so langen und dicken Vibrator in der Vagina ist für viele Leute sehr unangenehm", erklärt Carly. "Genau diesen Leuten muss man dann zeigen, wie angenehm und vielseitig ein Riesenvibrator sein kann."

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Auch Pornos sind hier ein gutes Mittel zum Zweck: "Es gibt viele Erotikfilme, in denen Männer Frauen mit Riesenvibratoren befriedigen und dabei eine Menge Spaß haben", sagt Carly. Wenn sie die Geräte trotzdem noch nicht "verstehen", können Männer das Ganze auch selbst ausprobieren: Der Vibrator könne sich an der Stelle direkt unter der Eichel sehr angenehm anfühlen, so die Sexualpädagogin. Männer würden sich so des Potenzials bewusst und seien dann auch offener.

"Wir können gerne Sex haben, aber wenn mein Orgasmus dran ist, dann nur so!"

Nachdem ich mit dem Vibratorenhasser Schluss gemacht hatte, wollte ich von menschlichen Penissen und dem damit einhergehenden Bullshit erstmal nichts mehr wissen. Als ich nach einer Weile dann doch mal wieder etwas mit einem Mann anfing, probierte ich direkt etwas Neues aus: Ich sagte meinem Bettpartner unverblümt, dass ich ohne mein Sexspielzeug nicht zum Höhepunkt kommen könne. "Wir können gerne Sex haben, aber wenn mein Orgasmus dran ist, dann nur so!" Mit diesen Worten drückte ich ihm meinen pinken Riesenvibrator in die Hand, der sogar noch größer ist als das berühmte Modell von Hitachi.

Dann kam die Überraschung: Im Gegensatz zu meinen früheren Liebhabern hatte mein neuer Bettpartner kein Problem damit. Er stand drauf, weil ich drauf stand. Für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, kann wirklich einen großen Unterschied machen. Zwar hatte ich mit meinem neuen Freund auch normalen PIV-Sex, aber der Riesenvibrator kam immer zum Einsatz. Manchmal stahl das Gerät ihm sogar die Show, aber meinem Partner war das egal. Manchmal kam nur ich, manchmal nur er, manchmal keiner von uns beiden. Wir hatten jedoch immer viel Spaß, weil der Geschlechtsverkehr nie einseitig war.

Unsere Beziehung fand zwar relativ schnell wieder ein Ende, aber dank ihr weiß ich jetzt endlich, wie ich Männer für meinen Riesenvibrator sensibilisiere. Und mir ist klargeworden, dass ich meine Bettpartner vor allem dann sexuell anziehend finde, wenn sie mir unglaublich intensive Orgasmen verschaffen wollen.

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