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Umfrage

Das verstehen Männer unter sexueller Belästigung

Die Debatte um die Verschärfung des Sexualstrafrechts hat gezeigt: Es scheint große Unsicherheit darüber zu herrschen, wann eine Annäherung zum Übergriff wird. Wir haben nachgefragt.
Ein Paar am Strand
Foto: stokpic.com | CC0

Ereignisse wie die Rainer-Brüderle-Diskussion, Köln 2016 oder der Fall Gina-Lisa sind nicht ohne Spuren an der Gesellschaft vorbeigegangen. Seit Januar 2016 kann man in Österreich dafür angezeigt werden, wenn man ohne Einverständnis den Po einer Frau berührt. In Deutschland wird aller Voraussicht nach bald ein ignoriertes „Nein" reichen, um eine sexuelle Handlung zur Vergewaltigung zu machen.

Die Verschärfung des Sexualstrafrechts wurde in beiden Ländern ausgiebig diskutiert und zeigt deutlich, wie schwierig dieses Thema ist. Denn: Ab wann handelt es sich um mehr als einen missglückten Annäherungsversuch? Ist es schon sexuelle Belästigung, wenn sich der Mann in der Straßenbahn extra nah zu einem setzt und mit seinem Knie Körperkontakt sucht? Wird man belästigt, wenn man von Typen auf der Straße etwas Anzügliches nachgerufen bekommt? Grundsätzlich gilt: Was als Belästigung empfunden wird und was nicht, entscheidet das Opfer.

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Es ist wichtig, als Frau zu begreifen, dass diese Handlungen nicht in Ordnung sind—egal, ob letzten Endes strafrechtlich relevant oder nicht. Und es ist wichtig, dass Männer verstehen, dass gewisse Verhaltensweisen, selbst wenn sie scherzhaft gemeint sind, Konsequenzen haben können. Sie führen unter Umständen dazu, dass Frauen nachts nicht mehr alleine nach Hause gehen wollen oder dass sie sich in öffentlichen Verkehrsmitteln nach vorne zum Fahrer setzen, um im Zweifelsfall schnell nach Hilfe rufen zu können.

In Deutschland werden 58,2 Prozent der Frauen mit sexueller Belästigung konfrontiert, in Österreich sogar 74,2 Prozent. Noch immer ist es nachweislich so, dass die meisten Täter männlich und die meisten Opfer weiblich sind. Wir haben uns deshalb gefragt, was Männer eigentlich unter sexueller Belästigung verstehen und wo sie die Grenze ziehen würden—und haben genau diese Frage jungen Männern in Wien gestellt.

Bruno, 19

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Alle Fotos von der Autorin, außer anders angegeben

Das kommt immer auf die Frau an, auf ihre Wahrnehmung. Wenn ein Typ eine Frau anspricht und sie das nicht mag, dann fängt es dort schon an, finde ich. Wenn sie nicht mit ihm reden will und er keine Ruhe gibt, kann das schon eine Form der sexuellen Belästigung sein. Ich finde es zum Beispiel sehr gut, dass man das Pograpschen jetzt anzeigen kann. Mir ist das nämlich auch schon einmal passiert und das war richtig scheiße. Am liebsten hätte ich dem Mädchen damals eine rein gehauen, aber das ist natürlich auch keine Lösung.

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Ich habe aber sicher auch schon mal eine Frau belästigt, ohne es so zu meinen. Ganz sicher sogar—indem ich einfach frech war. Also nicht, dass ich jetzt gesagt hätte: „Ich würde dich gerne vergewaltigen." Aber, ich habe schon Frauen gefragt, ob sie nicht ein Bussi von mir wollen. Ich bin dann allerdings nicht weiter aufdringlich, wenn ich merke, dass sie das nicht will. Ich zwinkere ihr höchstens hinterher und das war es dann.

David, 24

Ich finde, dass das eine ganz schwierige Frage ist. Es kann auch schon ein Blick sexuell belästigend sein. Also ich würde vielleicht sagen, es sind Handlungen anderer Personen, die dazu führen, dass man sich selbst irgendwie unwohl oder beschämt fühlt. Meine Freundinnen erleben das öfter. Man muss nur bei irgendeiner Veranstaltung sein, wo Typen viel getrunken haben und sich selbst überschätzen. Ich glaube, da kann es leicht dazu kommen. Sei es durch Blicke, oder durch halb unabsichtliches Betatschen beim Vorbeigehen.

Ich denke aber, dass jeder selbst seine Grenzen absteckt. Das Nachrufen irgendwelcher anzüglichen Kommentare kann einen zum Beispiel stören oder auch nicht. Das muss jeder selbst entscheiden.

Björn, 25

Gerade durch die Vorfälle Anfang des Jahres in Köln und anderen Städten hat man gemerkt, dass für viele Frauen schon Grapschen eine sexuelle Belästigung ist. Also, wenn sie das so empfinden, dann fängt es wohl dort an. Ich finde es auch in Ordnung, dass das angezeigt werden kann, obwohl ich es wirklich nur mit einer Geldstrafe belangen würde, eine Freiheitsstrafe fände ich übertrieben. Denn: Es grapschen so viele Männer Frauen besoffen an.

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Klar ist das hart für die Frauen, das kann ich mir schon vorstellen, aber jemanden dafür wirklich ins Gefängnis zu stecken, fände ich übertrieben. Vor allem, wenn man es mit anderen Delikten, wie zum Beispiel Raubüberfällen, vergleicht. Das ist dann schon eine andere Hausnummer. Wenn man auf der Straße einer Frau etwas nachruft, dann finde ich das noch nicht so schlimm. Männern wird auch oft auf der Straße etwas Beleidigendes nachgerufen. Das ist grenzwertig, aber ich würde nicht sagen, dass das schon sexuelle Belästigung ist.

Hugo, 22 & Julian, 23

Julian

Ich arbeite in der Hotellerie und da ist das ständig ein Thema. Auch ich wurde schon sexuell belästigt—in Fünf-Sterne-Hotels—, zum Beispiel von Kunden, die mich geil fanden. Ich habe dort ein Praktikum gemacht und war für den Room-Service eingeteilt. Der Gast hat dann vorgeschlagen, dass ich bleiben soll, er hätte guten Champagner. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht kann und dass ich arbeiten muss. Daraufhin hat er mir auf den Arsch gegriffen. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich reagieren sollte. Ich habe es dann dem Manager gesagt, aber der hat gemeint, ich muss damit leben und darf es nicht weiter melden. Es ist extrem, es passiert natürlich vielen Frauen, aber es passiert auch Männern.

Ich finde, sexuelle Belästigung beginnt schon bei Äußerungen. Jemanden anzuschauen finde ich noch nicht schlimm, aber wenn man in die Privatsphäre eines anderen eindringt, indem man ihn unangebracht anspricht, dann ist das nicht in Ordnung. Ich bin von der alten Schule, es gibt Regeln, es hat etwas mit Takt zu tun. Wenn man zum Beispiel im Club ist, ein Mädchen kennengelernt hat und dann mit ihr tanzen geht, ist das völlig in Ordnung. Aber wenn man auf der Tanzfläche ist und von einem Wichser einfach von hinten angegriffen wird, dann ist das Belästigung.

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Hugo

Ich kann ihm da nur Recht geben. Wenn man sich vorher vorstellt, einen Kontakt herstellt und das Mädchen das auch will, dann ist das OK. Aber aus dem toten Winkel jemanden einfach anzugrapschen geht überhaupt nicht. Und einer Frau auf der Straße etwas Anzügliches nachzurufen finde ich einfach unnötig. Es ist aber auch schwer zu sagen, wenn es einem selbst noch nie passiert ist. Frauen empfinden das sicher anders. Wenn man ständig etwas nachgerufen bekommt, oder einem dauernd nachgehupt wird, verstehe ich sofort, dass man das als belästigend wahrnimmt.

Andreas, 34

Bei sexueller Belästigung gibt es zwei Formen: die körperliche und die verbale. Ich denke, dass die verbale Belästigung schon sehr häufig vorkommt. Es sind vielleicht kleine Dinge, die man in bestimmten Situationen sagt und von denen man gar nicht weiß, was man dem Gegenüber eigentlich damit angetan hat. Körperlich fängt es mit Kleinigkeiten an, mit dem Nachpfeifen, oder einem Klaps auf den Po. Das ist auch etwas, wo man wirklich sagen muss, dass es nicht OK ist.

Wir leben in einer zivilisierten Welt und da kann man das andere Geschlecht respektieren und muss es nicht so unter Druck setzen und niedermachen. Solange es in einem Rahmen ist, in dem es als lustig empfunden wird: OK. Aber die Person, die das Gespräch führt, muss einfach die Grenze abschätzen können. Denn wenn es zu persönlich wird, oder gewisse Worte fallen, dann sollte es aufhören. Ich glaube aber, dass es sehr schwer ist, diesen Moment zu erwischen, weil es schnell in die falsche Richtung kippen kann, jeder sensibel ist und anders reagiert.


Titelfoto: stokpic.com | CC0