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Reproduktive Gesundheit

Forscher haben die erste Gebärmutter-Schleimhaut im Labor gezüchtet

Ein wissenschaftlicher Durchbruch, mit dem in Zukunft sogar Unfruchtbarkeit geheilt werden könnte.
Foto: imago | Science Photo Library

Forscher der University of Cambridge haben erfolgreich das erste voll funktionsfähige Modell einer Gebärmutterschleimhaut im Labor gezüchtet. Die Hoffnung dahinter: Bessere Einblicke dahingehend zu erhalten, wie sich Krankheiten wie Endometriose auswirken und unter Umständen sogar Unfruchtbarkeit zu heilen. Die Wissenschaftler züchteten den Miniatur-Uterus (oder auch "Organoid"), indem sie Gewebe von Eltern entfernten, die sich wegen ähnlicher Befunde in Behandlung befanden.

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"Wir nehmen kleine Zellklumpen und geben sie zusammen mit einem Cocktail aus verschiedenen Faktoren, die die Ausbreitung von Zellen begünstigen, in eine Petrischale", sagt Professor Graham Burton, der leitende Autor der Studie. Zellen kommunizieren innerhalb des Körpers, in dem sie verschiedene Proteine in die sie umgebende Flüssigkeit absondern. Damit die Zellen des Organoiden sich weiter vermehren können, müssten diese Proteine auch unter Laborbedingungen bereitgestellt werden, erklärt er.

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Was Burtons Team herausgefunden hat, ist vor allem deswegen so signifikant, weil bisher kaum etwas über die frühen Stadien einer Schwangerschaft bekannt sind, in denen sich die befruchtete Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut (das Endometrium) einnistet. "Diese Vorgänge sind für uns Menschen nicht sichtbar", sagt Burton. "Für uns ist es nach wie vor ein großes Geheimnis, was in den ersten Phasen einer Schwangerschaft passiert."

Indem sie diesen Teil in einem Labor nachzüchten, können Wissenschaftler Licht in den Vorgang bringen. "Wir werden dazu in der Lage sein, uns diese Vorgänge ganz genau anzuschauen, damit wir verstehen, was in einer frühen, normal verlaufenden Schwangerschaft passiert. Gleichzeitig können wir herusfinden, was in Schwangerschaften falsch läuft, die in einer Fehlgeburt enden, bei denen das Kind nicht richtig wächst oder auch, wie sich ein hoher Blutdruck der Mutter auswirkt", sagt Burton.

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Bisher waren die Mittel der Forscher ziemlich begrenzt. Auch, weil sich das reproduktive System des Menschen grundlegend von dem anderer Tiere unterscheidet. Parallelen gäbe es nur zu großen Affen, an denen man wiederum nicht experimentieren würde. "Das ist wissenschaftlich gesehen ein sehr schwieriges Feld, weil sich insbesondere die Form der Plazenta sehr von anderen Spezies unterscheidet", erklärt der Leiter der Studie.

Insbesondere Endometriose-Betroffene können auf möglichen Forschungsfortschritt hoffen. Bei der Erkrankung lösen sich Teile des Uterus ab, wandern in die Bauchhöhle und bilden dort kleine Zellkolonien. Ein Vorgang, der extrem schmerzhaft sein und zu Unfruchtbarkeit führen kann.

Das gezüchtete Modell könnte dabei helfen zu verstehen, warum diese Zellkolonien wachsen – und wie man sie am Besten behandelt. "Wir werden dann wissen, wie sich in verschiedenen Umgebungen verhalten", erzählt Burton, "und anschließend dazu in der Lage sein, Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, mit denen wir dafür sorgen, dass es seltener zu solchen Ablösungen kommt."

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Eine andere Priorität ist es, ganz allgemein bessere Möglichkeiten zu finden, um Unfruchtbarkeit zu behandeln. "Wir wissen, dass Probleme mit der Gebärmutterschleimhaut die Fruchtbarkeit beeinflussen", sagt der Forscher. "Die Behandlung war in der Vergangenheit allerdings schwierig. Jetzt können wir Zellen züchten, sie Frauen, die Probleme mit ihrer Fruchtbarkeit haben, einpflanzen und sehen, ob sich der Zustand dadurch verbessert."

Ich frage Burton, ob er glaubt, dass man eines Tages eine komplette, normalgroße Gebärmutterschleimhaut in eine unfruchtbare Frau verpflanzen kann. "Ich glaube, dass wir anfangen zu verstehen, wie sich die Gebärmutterschleimhaut im Lauf eines normalen Zyklus regeneriert", antwortet er. "Wenn wir das verstehen, werden wir vielleicht auch verstehen, warum sie sich bei manchen Frauen nicht richtig regeneriert und sie unfruchtbar macht. So etwas in eine Patientin einzupflanzen, wird in naher Zukunft allerdings noch nicht möglich sein."


Titelfoto: imago | Science Photo Library