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Kim Dotcom manövriert sich gerade mit absurden Verschwörungstheorien ins Abseits

Während der Megaupload-Gründer verzweifelt gegen seine Auslieferung in die USA kämpft, führt er parallel auf Twitter einen Kleinkrieg gegen die CIA, Hollywood und Hillary Clinton.
Bild: Sam ChurchillFlickr | Lizenz: CC BY 2.0

"Wacht auf!" – der globale Unkenruf von Verschwörungstheoretikern jeder Couleur verheißt meist nichts Gutes. Oft steht er am Anfang oder am Ende wilder Phantasien über angebliche Machenschaften dunkler Mächte, von denen nur ein kleiner Kreis Erleuchteter wisse. Für Menschen außerhalb dieser Filterblase löst der Satz mittlerweile eher die nüchtern bis bedauernde Feststellung aus: Aha, der also auch.

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Mit seiner neuesten Twitter-Tirade hat sich Internet-Tausendsassa Kim Dotcom stilsicher in dieses stetig wachsende Milieu manövriert. Der ehemalige Betreiber des Filehosters Megaupload zog am Wochenende in Sachen Verschwörung alle Register. Auf Twitter stieß er eine regelrechte Tirade gegen seine tatsächlichen und vermeintlichen Kontrahenten aus, die ihm seiner Meinung nach ans Leder wollen: die CIA, Barack Obama und Hillary Clinton, Hollywood allgemein, das amerikanische Militär, selbst der US-Sonderermittler Robert Mueller, der die Verbindungen zwischen Russland und der Trump-Kampagne untersucht.

Dass Dotcom sich an allen Fronten verfolgt fühlt, könnte damit zu tun haben, dass er seit Jahren gegen seine Auslieferung in die USA kämpft. Hintergrund sind Ermittlungen der US-Polizeibehörde FBI gegen Dotcom aufgrund von Urheberrechtsverstößen und Betrug. Das FBI wirft dem millionenschweren Internet-Unternehmer und Megaupload-Gründer vor, mit der Plattform Raubkopien im großen Stil verbreitet zu haben.

Auch gegen die amerikanische Filmindustrie zog Dotcom am Wochenende zu Felde, deren enge Verbindungen zur CIA Dotcom klarstellen möchte: "Hollywood ist ein CIA-Propagandawerkzeug, das der Welt eine Gehirnwäsche verpasst, um sie glauben zu lassen, die US-Regierung sei gerecht."

Dotcom hat nie ein Geheimnis aus seiner Überzeugung gemacht, dass die US-Behörden auf Zuruf einflussreicher Hollywood-Firmen agieren. Aus seiner Sicht führt die US-Filmindustrie einen Rachefeldzug gegen ihn, weil über seine Plattform Megaupload raubkopierte Filme geteilt wurden. Doch Dotcom weist bis heute jede Verantwortung für Urheberrechtsverletzungen zurück: Er habe lediglich die Plattform geboten und im Fall von Rechtsverletzungen die Nutzer darauf hingewiesen.

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Dotcoms Verschwörungssalve beschränkt sich jedoch nicht auf seinen eigenen Fall. Auch zu aktuellen politischen Entwicklungen hat er er einen Bewusstseinsstrom für seine Follower parat: "Die CIA weiß, dass der DNC [Democratic National Convention, Red.] nicht von Russland gehackt wurde. Die CIA weiß, dass Seth Rich das Leak ermöglichte. […] Die CIA hat Seth Rich wahrscheinlich getötet. Wacht auf."

Seth Rich war ein Angestellter des Parteitags der US-Demokraten (DNC), der im Juli 2016 erschossen wurde. Für rechte Verschwörungstheoretiker wurde sein Fall zum Sinnbild des "tiefen Staates" in den USA: Laut ihnen waren es nicht russische Hacker, sondern der DNC-Angestellte Rich, der die internen E-Mails des DNC leakte und damit der Clinton-Kampagne schadete. Dafür sei Rich von den Geheimdiensten ermordet worden. Die Geschichte wurde bereits von mehreren Medien als Falschmeldung entlarvt. Auch die Ermittlungen der Polizei gehen davon aus, dass Rich Opfer eines Gewaltverbrechens wurde.

Was den ehemaligen Megaupload-Boss zu den bizarren Tweets getrieben hat, lässt sich nur vermuten. Eine nicht unwesentliche Rolle könnte ein aktueller Gerichtsprozess in Neuseeland spielen, in dem es um seine mögliche Auslieferung an die USA geht. Im Falle einer Übergabe an US-Behörden drohen Dotcom bis zu 20 Jahre Haft. Vor einem Jahr hatte das oberste Gericht Neuseelands die Auslieferung des Internet-Unternehmers genehmigt. Dotcom sprach damals von einem "politischen Urteil" und kündigte an, das Urteil anzufechten.

Dotcoms Kampf gegen die neuseeländischen Behörden läuft bereits viele Jahre. 2012 kam es auf Geheiß des FBI zu einer Razzia in seinem Anwesen, bei der Beweismittel und Computer beschlagnahmt wurden. Auch Dotcoms Vermögen, das damals mehrere hundert Millionen Euro betrug, wurde eingefroren. Ein Gericht in Neuseeland hielt das Vorgehen der Polizei und die Überwachung Dotcoms wenig später für illegal – der Urteilsspruch wurde jedoch zwei Jahre später wieder aufgehoben: Das oberste Gericht erklärte Ende 2014 die Razzia endgültig für legal.

Wie sich die Berufungsrichter im vorliegenden Fall entscheiden werden, ist unklar. Der Prozess ist auf wenige Verhandlungstage angesetzt, doch bis das Gericht zu einer Entscheidung kommt, können Monate vergehen. Sollte es zu einer Auslieferung kommen, könnte Dotcom, der eine deutsche und finnische Staatsbürgerschaft besitzt, zunächst nach Deutschland abgeschoben werden. Dann liegt es an den hiesigen Behörden, wie sie mit Dotcom verfahren.