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Popkultur

Australische Häftlinge über die blutigen Aufnahmerituale ihrer Gefängnis-Gangs

"Ich habe die Klinge zweimal über seinen Rücken gezogen und ihm ein fettes Kreuz eingeritzt, aus dem das Blut überall hingesuppt ist."
Ein Initiations-Kampf der Black Power Gang in Neuseeland | Screenshot von YouTube aus dem Video "Black power gang prison fights" von Knuckles bare

Gefängnisse sind einsame Orte und so sind sie auch gedacht. Fernab von Familie, Freunden und dem gewohnten Umfeld sollen die Verurteilten über ihre Verbrechen nachdenken, Reue zeigen und sich am Ende geläutert und rehabilitiert in unserer Gesellschaft einfinden. So jedenfalls die Theorie. In der Praxis bleiben die Kriminellen hier unter sich, die sogenannten Regeln der Straße greifen in diesem Umfeld noch besser als draußen. Eine der wichtigsten lautet: niemals mit den Behörden zusammenarbeiten.

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Verstärkt durch die grassierende Langeweile entsteht so ein Klima des Misstrauens, das alle dazu zwingt, ständig voreinander auf der Hut zu sein. Dieser Zustand führt dazu, dass sich die Inhaftierten in Gruppen zusammenschließen – der Einfachheit halber oft nach Herkunft, Religion oder Ethnizität.

In den australischen Bundesstaaten Western Australia, Northern Territory und Queensland sitzen vor allem Aborigines in den Gefängnissen. In New South Wales und Victoria verteilen sich die Insassen aufgrund des größeren Migrantenanteils vor allem hinsichtlich ihrer verschiedenen Kulturen und Religionen.

In Victoria waren die Gefängnisse ursprünglich in fünf Gruppen aufgeteilt: Weiße, "Kooris" (Aborigines), Asiaten, Insulaner (Polynesier) und Muslime. Im vergangenen Jahrzehnt wurde es aber auch immer wichtiger, ob Insassen außerhalb des Gefängnisses zu Bikergangs und Verbrechersyndikaten gehören.

Sie terrorisieren ihre Mitgefangenen, führen hinter den Mauern die Geschäfte von draußen weiter und sind oft rassistisch. Trotz allem kann es für einen Häftling rationale Vorteile haben, sich einer Gang anzuschließen. Gangs klären Neuzugänge über Regeln auf, die ihnen beim Haftantritt keiner beibringt, und beschützen sie davor, ausgeraubt oder Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Dazu vermitteln sie ein Gefühl von Sinn und Zugehörigkeit, das im Knast sonst Mangelware sein kann.

VICE hat mit drei Insassen über die Gangs gesprochen, denen sie beigetreten sind, und was sie dafür tun mussten.

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Auch von VICE: Was es braucht, um in eine Gang aufgenommen zu werden


Chris, 27, bewaffneter Raub, Aussies

Als ich zum ersten Mal in den Knast kam, hatte ich das Glück, einen Bandido aus Geelong kennenzulernen. Mein Alter war einer von ihnen gewesen und kannte ein paar der älteren Typen. Er selbst hatte seine Zeit im Knast abgesessen und dementsprechend gehörte ich für sie automatisch zu den Guten. Der Bandido stellte mich ein paar Typen drinnen vor. Als es dann auf dem Hof Stress mit einer anderen Bikergang gab, habe ich mich sofort bereit erklärt mitzumischen. Das hat mir mein Alter noch beigebracht. Manche Pisser scheißen sich ein, wenn sie den Ball zugespielt bekommen. Die geben ihn sofort weiter. Andere nehmen ihn an und machen etwas damit.

Die Jungs haben mich mit einer Klinge versorgt. Im Sportraum gibt es einen Bereich, der nicht von Kameras überwacht wird. Ich bin zu dem Hund hingerannt und habe ihm einen mit der Klinge gegeben, als er gerade Burpees gemacht hat. Ich habe die Klinge zweimal über seinen Rücken gezogen und ihm ein fettes Kreuz eingeritzt, aus dem das Blut überall hingesuppt ist. Er wollte nicht die Klappe halten, also habe ich ihm immer wieder gesagt: "Halt die Fresse, du verdammtes Mädchen!" Der Wichser wollte die Wachen rufen. Noch Wochen später haben Leute Blut auf dem Trainings-Equipment gefunden.

Ich würde das jetzt nicht unbedingt als Aufnahmetest oder so bezeichnen. Ich habe ja eh schon mit denen abgehangen. Aber ich bin niemand, der immer nur die Hand aufhält. Die richtigen Typen sehen sowas auch. Die sehen dich dann nicht so an wie den Rest der Pisser, die einfach mit den Jungs über den Hof tänzeln. Die meisten dieser Schwächlinge werden von den Lebenslänglichen nur geduldet, weil sie ihnen nachts einen blasen. Ich habe mir meinen Platz als Mann verdient, nicht als Cat [Knast-Slang für Homosexuelle]. Immer wenn was abging, habe ich mitgemischt.

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Latif, 38, versuchter Mord, Muslims

Wenn jemand Muslim ist, passen wir auf den Bruder auf. Wir passen auf uns selbst auf. Wenn sie hier ankommen, geben wir ihnen Shampoo und Zahnpasta. Wir beten zusammen. Wir essen zusammen. Und wenn jemand Stress will, dann ziehen wir alle zusammen in den Krieg. Das ist der Test. Wenn du ein echter Muslim bist, machst du alles für deine Brüder. Selbst wenn du in der Unterzahl bist. Wir sterben füreinander und schützen unseren Namen.

Letztes Jahr hatten wir Stress mit ein paar Insulanern. In jedem Trakt wurden Typen weggeklatscht. Die Hälfte unserer Jungs war in Isolationshaft und wir haben es ihnen trotzdem auf dem Hof gezeigt. 19-Jährige haben 150-Kilo-Insulaner zusammengeschlagen. Wir haben Mut und wenn die unseren Mut sehen, ziehen die den Schwanz ein. Ich habe letztens mitbekommen, wie sich ein Neuer etwas verdächtig benommen hat. Ein paar Jungs hatten ihn verpetzt, weil er Tabak an andere Muslims verkauft hat. Also habe ich ihm etwas in die Hand gedrückt und ihm gesagt, er solle einen Insulaner im Hof ausschalten. Er hat aber den Schwanz eingezogen und sich aus Angst in einen anderen Block verlegen lassen. Wir wissen, wie Betrug aussieht.

Als ich bei den Brüdern angefangen habe, habe ich einen Assyrer im Sportraum abgestochen, weil er einen unserer Älteren angegriffen hatte. Danach habe ich mir ein paar Steine geschnappt, sie in meine Socken gesteckt, bin zur Zelle seines Cousins gerannt und habe ihn auch noch fertig gemacht. Nur für den Fall, dass die auf die Idee kommen, irgendwas unternehmen zu wollen. Uns ist alles scheißegal. Pack einen von uns an und wir machen dich fertig. Egal wo, egal wann. Wir suchen keinen Stress, aber wenn sie welchen wollen, dann sagen wir: "Yallah! Komm doch."

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Palu, 27, schwere Körperverletzung, Insulaner

Die Pakeha (Weißen) blasen sich gegenseitig. In Barwon (einem Gefängnis unweit von Melbourne) spielen sie manchmal erst ein bisschen mit den Neuen rum, bevor sie mit ihnen abhängen dürfen. Die ficken sich gegenseitig, um sich zu beweisen, dass sie Männer sind. Junge, das sind Junkies. Die sind richtig kaputt im Kopf.

Alle haben sich hier drinnen etwas zu beweisen, also musst du ständig kämpfen. Vor allem, wenn du größer bist, weil diese Idioten ihre Jungs beeindrucken wollen. Dann können sie sagen, sie hätten den größten Typen im Trakt eine gegeben. Wenn du mit uns abhängen willst, musst du kämpfen können. Viele von uns werden durch einen Kampf aufgenommen. Das ist eine alte Knast-Tradition aus Neuseeland und kommt von dem Gang-Kram auf den Straßen. Einer unserer älteren Typen ist ein echtes Schwergewicht aus Neuseeland und wurde gerade abgeschoben, weil er versucht hatte, hier in den Knästen Black Power zu etablieren (die neuseeländische Maori-Gang).

Als ich den Jungs zum ersten Mal gesagt habe, dass ich einsteigen will, habe ich mies kassiert. Es ging etwa sechs Runden lang. Wir sind in die Zelle von einem von uns, haben abgeschlossen und losgelegt. Die ersten Runden lief alles gut, aber dann habe ich aus dem Nichts einen Uppercut abbekommen. Als ich das Blut gesehen habe, bin ich noch härter rein. Dann habe ich aber eine Kopfnuss kassiert und wurde in die Wand geklatscht.

Wenn du es hinter dir hast, weißt du, dass du vom selben Schlag wie deine Brüder sein musst. Nur so verdienst du dir ihre Loyalität. Meine Nase war gebrochen, aber mein Geist gestärkt. Wenn es nämlich drauf ankommt, weiß jeder, was ihn im schlimmsten Fall erwartet. Wir sind das Schlimmste, wenn wir über dir stehen und auf dich eintreten. Wenn irgendein anderer Dulli das macht, dann hast du das schon hinter dir – genauso wie der Typ neben dir. Wir fürchten uns vor nichts.

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