Freitagabend in einer kleinen Altbauwohnung in Neukölln. Vier Frauen, vier Flaschen Sekt, laute Musik und viele Zigaretten auf dem Balkon. Es könnte ein ganz normaler Mädelsabend sein, hätte nicht eine von uns diesen Typen auf Tinder gematcht. Er stehe darauf, nackt zu putzen, hatte Chris geschrieben. Trifft sich gut, eine kostenlose Putzhilfe – wer sagt da schon Nein? Mittlerweile sind wir nicht mehr so euphorisch, die Anspannung steigt. Denn was der Nacktputzer dafür will, ist, erniedrigt zu werden.
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Es klingelt, ich drücke den Türöffner und während sich unser Gast die vier Stockwerke hochschleppt, frage ich mich, wie man einen Nacktputzer eigentlich begrüßt. Greifen die normalen Regeln der Höflichkeit noch, wenn die andere Person sowieso gleich nackt über den Boden robben wird? Ich entscheide mich für förmliches Händeschütteln. Es handelt sich hier immerhin um ein Dienstleistungsverhältnis, oder? Vor mir steht ein großer, gutaussehender Typ mit dunklen kurzen Haaren und braunen Augen. Noch trägt er ein blaues T-Shirt, eine schwarze Hose, graue Sneaker. "Hallo, ich bin der Nacktputzer."Die Stimmung kippt endgültig von ausgelassen zu angespannt, die Situation ist uns unangenehm. Dabei wissen wir noch gar nicht, wie die Putzsession später eskalieren wird. Dass wir den fremden Mann mit einem Staubwedel verprügeln werden, während wir seinen Penis beleidigen, und der schweißüberströmte Nacktputzer am Schluss sagen wird: "Das ist mir ein bisschen zu viel geworden." Erstmal drücken wir ihm ein Sektglas in die Hand und wollen wissen, wie man eigentlich dazu kommt, nackt zu putzen.Ihm gehe es nicht um Geld, sondern um das Gefühl, erniedrigt zu werden, sagt Chris, und fragt, ob er sich eine Kippe schnorren kann. Er wolle die Rollen tauschen, von Frauen ausgenutzt werden. Ein paar Schläge seien dabei auch OK. Er bekommt die Zigarette, schließlich ist er noch angezogen. Die Vorstellung, dass wir ihn gleich dominieren sollen, scheint noch weit entfernt. Wir sollen ihn auslachen, ihn beleidigen, Befehle geben.
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"Narben und Blut sind meine Grenze."
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Wir sitzen auf der Couch, in meinem Sektglas blubbern so viele Blasen wie Fragen in meinem Kopf: Wann zieht er sich aus? Wie groß ist sein Penis? Wird er eine Erektion bekommen? Macht er sich an uns ran? Muss ich ihn schlagen?"Soll ich mich jetzt ausziehen?", fragt Chris. Wir finden ja, drücken ihm einen Staubwedel in die Hand und geben ihm den Auftrag, das Bücherregal abzustauben. "Geht das nicht ein bisschen schneller?", "Und nicht die Ecken vergessen!" – langsam tasten wir uns an unsere Domina-Rollen heran. Wir schreien, battlen uns mit Beleidigungen, schauen uns an, sind beschämt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon mal so böse zu jemandem war. Aber er will das ja so. Auf dem Bücherregal liegt ein Plastikschwert, eins der Girls schlägt Chris damit auf den Hintern, erst zaghaft, dann immer fester. Gefällt ihm das wirklich?
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Fremde Frauen geben ihm einen zusätzlichen Kick
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Sex ist beim Nacktputzen optional, sagt Chris
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"Kannst du nicht schneller, du Schwein? Wie langsam können Arme sein?", lustlos klopft eine von uns mit dem Plastikschwert auf den Boden. Schneller wird Chris dadurch nicht. Auch wir werden langsam müde. Menschen zu erniedrigen ist verdammt anstrengend. Als eine meiner Kolleginnen Chris mit kaltem Wasser abbraust, weil er "schmutzig" ist, ist der Rest von uns beinahe neidisch.
"Bist du impotent, oder was?"
Um ihn für seinen Aufwand zu entschädigen, beschließen wir, dass Chris vor uns masturbieren darf. Oder soll. Wir geben ihm 40 Sekunden Zeit, alle paar Sekunden bekommt er eine Ohrfeige. Der Nacktputzer bekommt eine Erektion, viel mehr passiert nach Ablauf des Countdowns allerdings nicht. Wir sind enttäuscht. Sind wir so schlechte Herrinnen?
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Unser Nacktputzer zieht sich wieder an. Blaues T-Shirt, schwarze Hose, graue Sneakers. Raus aus der Nacktputzerrolle, zurück in seine patriarchale Geschlechterwelt. Devot kann sich Chris nur im Geheimen zeigen, gegenüber seinen Bekannten und seinen Partnerinnen gibt er den klassisch dominanten Mann. Ob alles OK sei, frage ich ihn noch. "Ja, doch, alles OK", sagt er. Wir geben ihm eine Zigarette, den Sekt haben wir leider schon ausgetrunken. Ich umarme ihn zur Verabschiedung, und verspreche, im Artikel auf seine Website zu verlinken.Als Chris weg ist, denke ich noch lange über den Abend nach: wie wir beim Versuch, Kontrolle über jemanden auszuüben, beinahe selbst die Kontrolle verloren haben. Sind wir zu weit gegangen? Von uns war niemand erregt, wir sind erschöpft und die Wohnung ist voller leerer Sektflaschen und Chipskrümel. Hatte zumindest unser Nacktputzer Spaß? Ich frage per WhatsApp nach, muss mein Gewissen beruhigen. Seine Antwort ist ziemlich deutlich: "Ihr habt das gut gemacht, aber ich hätte mir noch gewünscht, Füße zu lecken und mir dabei einen runterzuholen."