10 Fragen an einen Clubbesitzer, die du dich niemals trauen würdest zu stellen
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben: Fabien Holzer

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10 Fragen

10 Fragen an einen Clubbesitzer, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Nimmst du alle Drogen, die ihr an der Tür konfisziert, selbst? Suchst du deine Türsteher nach Brutalität aus? Schreibst du Leute auf die Gästeliste, um sie aufzureißen?

Eine Nacht im Hotel Shanghai wirkt ähnlich wie eine Ecstasy-Pille, die dir ein Klo-Dealer im Dunkeln in den Mund geschoben hat: Es kann alles passieren. Ob du nun plötzlich auf einen Nacktkellner triffst, von zwei vögelnden Typen im Bällebad eingeladen wirst mitzumachen, oder stundenlang zuckend unterm DJ-Pult stehst. Nur eine Konstante ist immer vor Ort: Besitzer Kay Shanghai.

Schon seit 16 Jahren ist der Essener Club Kays zweites Zuhause – jede Party, die er organisiert, schmeißt er auch für sich: Giorgio Moroder, Wanda, Boy George, Amanda Lepore, Yung Hurn, Charlotte de Witte. Vor ein paar Jahren ging er eine kurze Liaison mit der Hauptstadt ein – doch nach einem kurzen Gastspiel im Musik und Frieden zog es ihn zurück in den Pott.

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Sogar ein Bauchriss im Sommer 2016 hielt ihn nicht davon ab, sich aus dem Krankenhaus in den Club zu stehlen. "Die Kids halten mich jung", sagt er. Nach eigenen Angaben ist er seit Längerem Mitte dreißig.

Wir haben Fragen.

VICE: Wie anstrengend ist es, im Club immer so zu tun, als ob du gut drauf bist?
Kay Shanghai: Traurig sein kann ich auch noch am nächsten Tag. Ich bin wie ein Schauspieler oder Sänger. Wenn ich in den Club gehe, lasse ich meine wirklichen Emotionen zu Hause. Außerdem erwarte ich fast jede Woche spezielle Gäste des Hauses, die treffe ich oft nur einmal im Jahr – darauf freue ich mich. Wir gehen gemeinsam essen und ich verwöhne sie. Ein Künstler kam zum Beispiel fast nicht mehr rechtzeitig zu seinem Gig in der Panorama Bar, weil der so lange bei uns war. Ich kann mich auch noch gut an eine wilde Nacht im Hotelzimmer mit einer Londoner Indieband erinnern. Nur so viel: Es waren nur noch wenig Klamotten vorhanden. Ich bin bei Hotelpartys aber ein bisschen vorsichtiger geworden, weil das eine oder andere Hotel schon nicht mehr mit uns zusammenarbeiten will. Aber ich werde auch nicht immer mit allen Leuten warm. Zum Beispiel gab es immer mal wieder Künstler, die beim Essen die ganze Zeit auf ihre Handys gestarrt haben.

Hast du einen Hausdealer und wie viel bekommst du von seinem Verdienst?
Natürlich tolerieren wir keine Dealer im Club. Sobald wir das mitbekommen, schmeißen die Türsteher die Dealer raus. Es gab Leute, die einen Deal mit mir ausmachen und ihr Zeug hier für 'ne Provision verticken wollten. Einer davon wollte auch harte Sachen wie Crystal verkaufen. Bei so etwas bin ich raus. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch keine Märchen erzählen und sagen, dass so etwas in den Clubs nicht stattfindet. Wie die Kids hier feiern, überlasse ich denen. Gäste fragen mich oft: "Wo krieg ich denn jetzt was her?" Als ob ich da jetzt stehe und sage: "Schau mal hier, mein Bauchladen." Ich verdrehe dann nur die Augen und sage: "Bist du betrunken? Ich bin der Clubbesitzer! So etwas darfst du mich gar nicht fragen."

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Das Hotel Shanghai gibt es schon seit fast 16 Jahren. Davor hieß der Club Kalei

Nimmst du alle Drogen, die ihr an der Tür konfisziert selbst?
Das finde ich zu gruselig. Wenn wir an der Tür etwas finden würden, würden wir das demjenigen abnehmen, aber am Ende des Abends auch wieder zurückgeben. Wir filzen eher nach Stiften, damit das Publikum nicht den Laden zutaggt. Bei den HipHop-Shows kommen viele Kids mit ihren Eddings an. Wenn ich einen erwische, darf der zahlen. Ein Mädel musste letztens an uns 200 Euro blechen, weil sie die Wände vollgeschmiert hat.

Wann warst du zuletzt eine ganze Woche nüchtern?
Ich war gerade eine Woche auf Ibiza, wobei ich dort auch nur die Hälfte der Zeit nüchtern verbracht habe. Solange ich nicht in der Nähe des Clubs oder einer Bar bin – kein Problem. Sobald ich aber im Club bin, macht es für mich absolut keinen Sinn, nüchtern zu bleiben.

Suchst du deine Türsteher nach Brutalität aus?
Unsere Türsteher müssen höflich sein und sie dürfen keine krummen Sachen machen. Ich habe schon mal jemanden gefeuert, weil er in seinem Privatleben bei der HoGeSa-Demo in Köln mitgelaufen ist. Unsere Männer sind zwar auch alle stark und wissen sich zu wehren, aber das passiert in den seltensten Fällen. Oft geht es nur um Kleinigkeiten, wie dass die Leute ihre Verzehrkarte nicht zahlen wollen. Meistens drohen sie mit ihrem Papi, der angeblich Anwalt ist. Auf Beleidigungen gehen meine Jungs nicht ein. Letztens hab ich mitbekommen, wie ein Typ den Cheftürsteher als Hurensohn beleidigte. Daraufhin meinte dieser nur, dass seine Mama Hausfrau sei und nicht arbeiten würde.

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Wie viel verdienst du im Monat?
Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich checke mein Konto nicht und bekomme immer so viel Geld, wie ich möchte. Mein Steuerberater regelt das alles, ich ziehe mir das Geld jedoch schon alleine. Trotzdem sagt er dauernd, dass ich nicht so viel Geld ausgeben soll. Der Club, das Büro, die Wohnung – das muss alles bezahlt werden. Und natürlich meine Jungs, die ihr Taschengeld bekommen. Aber genaue Zahlen kann ich dir nicht nennen. Die Dinge, die ich mir kaufen will, kaufe ich mir. Es ist sehr schön, nicht darüber nachdenken zu müssen. Das ist für mich wahrer Luxus. Genauso wie seine Post nicht aufmachen zu müssen, weil man andere Leute dafür hat, die sich darum kümmern.

Kay Shanghai schmeißt seit rund 20 Jahren Partys. Angefangen hat er in der autonomen Szene in Mülheim

Welches Getränk ist am überteuertsten?
In erster Linie Bier, wahrscheinlich gefolgt von Shots und Longdrinks. Kann ich dir aber gar nicht genau sagen. Preise und den Einkauf macht mein Clubmanager. Übrigens, entgegen des Images der Gastro-Szene: Wir verkaufen keinen Alkohol an der Steuer vorbei. Ich habe einen Steuerberater, der achtet auf so etwas. Es ist zwar ein Bargeschäft, aber auch das wird in der Kasse registriert. Die goldenen Jahre der 80er sind vorbei. Ernsthaft, ich leg mich lieber allein mit der bösen Hexe des Ostens an als mit dem Finanzamt.

Welche absurden Wünsche erfüllst du, damit Künstler in deinen Club kommen?
Ein britischer Songwriter wollte Pfirsich-Duftkerzen und schöne Tücher zum Abhängen des Raumes. Sonst stehen aber auch oft lustige Sachen auf den Ridern: Ein Künstler wünschte sich vor Kurzem kross gebratene Ente und ein iPhone. Besagtem Künstler würde ich alles geben, weil ich ihn sehr schätze, aber der Apple Store hatte geschlossen.

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Manchmal stehen auf den Wunschlisten auch versteckte Anspielungen: "White Socks" zum Beispiel steht für was anderes als weiße Tennissocken. Wobei, bei einem englischen Act standen sogar vier Paar Socken auf dem Rider. Ich hab extra noch einmal nachgefragt, ob "vier Paar Socken" nicht ein bisschen viel wären. Aber die meinten, dass sie die unbedingt bräuchten. Die Situation war dann sehr lustig, als wir bemerkten, dass wir aneinander vorbei geredet hatten. Die wollten wirklich nur frische Socken haben, was wahrscheinlich auch eine schöne Sache ist, wenn man auf Tour ist. Seitdem bringe ich Freunden wie zum Beispiel den Jungs von Deichkind frische Socken mit, wenn ich sie auf Konzerten besuche.

Würdest du in deinem Club auch mit deiner Mutter feiern?
Sie hat noch nicht hier gefeiert, aber sie hat irgendwann im unteren Bereich den Darkroom entdeckt und sich daraufhin Sorgen gemacht, dass ich das Gewerbe gewechselt hätte. Sie ist ab und an unter der Woche im Club und erledigt Dinge, wäscht die Handtücher für die Bar und die Künstler. Dabei hat sie dann irgendwann unten an den Schränken die Glory Holes entdeckt. Eine Freundin von der Düsseldorfer Kunstakademie hatte die Holes mit Farbe bemalt, deswegen hab ich versucht meiner Mum zu erzählen, dass das Kunst sei. Daraufhin schaute sie mich nur an und meinte: "Was willst du mir eigentlich erzählen – ich habe so etwas schon im Fernsehen gesehen."

Schreibst du Leute auf die Gästeliste, um sie aufzureißen?
Wenn Leute so schnell zu haben sind, dann hätte ich ja viel zu tun und ein sehr reges Sexleben. Das ist eher etwas Nettes, das man den Leuten anbietet, um sie wiederzusehen, aber kein Pick-up. Ich bin eher so der intellektuelle Typ, der lieber mit den Leuten redet, anstatt mit ihnen zu schlafen. Das kommt erst viel später, wenn überhaupt. Ich bin nicht der große Ficker, sondern eher der Typ zum Puzzlen. Das meine ich absolut ernst. Ich bin genau das nicht, was mein Image ist. Ich bin ein sensibler Junge, der in seiner Freizeit lieber ins Kino geht. Die Leute kennen eben nur den Kay aus dem Nachtleben.

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