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Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: gekränkte Karnevals-Rassisten vs. paranoide Bücherfans

Mitglieder des Vereins "N****köpp" kommen nicht damit klar, sich in Zukunft nicht mehr zu blackfacen, und eine Fachzeitschrift der Buchbranche stößt im IKEA-Katalog auf den eigenen Niedergang.
Foto Bücher: imago | Manfred Segerer || Mütze: imago | Steinach

Es ist mal wieder an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Die gekränkten Karnevals-Rassisten

Der Vorfall: Nach Jahren der Kritik musste ein Karnevalsverein aus Frechen am Rand von Köln einsehen, dass "N****köpp" vielleicht nicht der coolste Name für ihre Crew ist. Jetzt benennt der Verein sich um: Die Jecken ziehen in Zukunft als "Wilde Frechener" durch die Straßen.

Die angemessene Reaktion: Erleichterung bei den Vereinsmitgliedern. Zumindest darüber, dass die leidige Diskussion ein Ende hat. Vielleicht sogar ein wenig Freude über das schöne Attribut "wild", das sie sich verpasst haben. Und Scham natürlich, für die borderline-rassistischen Kostüme der letzten Jahre. Aber der ließe sich mit ein paar eiskalten Kölsch sicher noch schnell bis zum 11.11. ertränken.

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Die tatsächliche Reaktion: Die Vereinsmitglieder fühlen sich unfair behandelt. Man habe doch immer darauf geachtet, nicht "politisch diskriminierend" zu sein. Aber "leider sind der Name und das Aussehen wohl Grund genug, einen Verein zu diskriminieren." Und das alles nur, weil man seit 40 Jahren als "N****köpp" mit schwarz angemalten Gesichtern und Federkopfschmuck durch Frechen gezogen ist. Unverschämtheit! Nach der Änderung des Vereinsnamens treten drei Mitglieder aus. Sie wollen nicht wild sein, sie wollen die "N****köpp" sein. Und wenn das nicht geht, dann wollen sie offenbar gar nichts mehr. Kein Blackfacing, kein Spaß, kein Karneval. Eine lustige Logik, das muss man ihnen lassen. Stattdessen werden sie nun wohl im Februar alleine zu Hause sitzen, sich mit ein bisschen Wehmut im Herzen schwarz anpinseln und bei einem großen Glas Lumumba von Afrika träumen.

Heulsuse #2: Die paranoiden Bücherfans

Der Vorfall: Der neue IKEA-Katalog wird an 25 Millionen deutsche Haushalte verschickt. Unter anderem wohl auch an die der Redakteure von Buchreport.de.

Die angemessene Reaktion: Wie bei jedem anderen Werbekatalog auch – den dicken Binder voller hochglänzender Möbel-, Lampen- und Teelichtglasfotos aus dem Briefkasten zerren und noch mit der Plastikhülle drumrum im Papierkorb versenken. Oder es sich mit dem Katalog auf dem Sofa (zum Beispiel EKTORP) gemütlich machen und laut loslachen, wenn einem wieder einfällt, dass IKEA mal eine Klobürste namens "Viren" verkauft hat.

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Die tatsächliche Reaktion: Die Redakteurinnen und Redakteure der "meinungsbildenden Fachzeitschrift für die gesamte Buchbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz" interessiert nur ein Einrichtungsgegenstand: das Bücherregal. Dabei fällt ihnen auf, dass IKEA zwar eine Menge Regale im Angebot hat – in denen stehen aber kaum Bücher! Für die Zeitschrift ein Grund, IKEA in einem Artikel als "Seismographen" für den Bedeutungsverlust einer ganzen Branche zu geißeln und sich so richtig schön in Rage zu schreiben.

Statt Druckerzeugnissen finden sie in den IKEA-Regalen nämlich nur "Wollknäuel und andere Haushaltsgegenstände". Die wenigen Bücher, die sich in den Katalog verirrt haben, identifiziert der Artikel als "marginale Accessoires". Ganz klar: Die IKEA-Bösewichte tüfteln, bisher offensichtlich ohne nennenswerten Widerstand, an ihrer Vision einer bücherfreien Welt. Und dann haben die Schweden auch noch nichts als Häme übrig für all jene, die immer noch gern Gedrucktes lesen. Oder so. Auf einem Foto sind dann nämlich doch noch Bücher zu sehen. Ein ganzer Stapel sogar, neben dem ein junger Mann auf einem Sofa pennt. Der ist "von der Lektüre erschlagen", mutmaßen die Buchreport-Autoren. Für sie eine "besondere Gemeinheit" des IKEA-Art-Direktors, der auch mit den vielen Abbildungen von Menschen mit Smartphones in der Hand sicher nur darauf abzielt, dem Buchhandel den ersehnten Todesstoß zu verpassen.

Und jetzt dürft ihr abstimmen: Wer soll die Heulsuse der Woche sein?*

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