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Kommentar

"Die schlimmsten Herrenmenschen" – Prezident und seine erbärmliche Wut gegen die "Linksgrünversifften"

Eine Runde Mitleid. Für weiße Männer wie Prezident, die sich nach tausenden von Jahren der Herrschaft angegriffen fühlen, wenn man die Machtstrukturen mal etwas in Frage stellt.
Foto: Katharina Hertle (www.k-pictures.de/)

Rechtspopulismus im Rap – das sollte eigentlich ein Widerspruch in sich sein. Abgesehen von irgendwelchen irrelevanten Fascho-Rappern, die versuchen, auf Schulhöfen ein paar verlorene Seelen abzugreifen, hat die Ausgrenzung von Menschen anderer Herkunft im HipHop normalerweise keinen Platz. Vermehrt tauchen nun aber Töne im Deutschrap auf, die erst nur verwirrend waren, sich bei genauerem Hinhören allerdings als eine Ansammlung von Ressentiments und auch immer öfter als glasklarer Rechtspopulismus herausstellen. Neben den üblichen Verdächtigen wie etwa Farid Bang und Kollegah, die um des Tabubruchs willen auf JBG3 das ein oder andere Mal ekelhaft tief in die Rassismus-Kiste gegriffen haben, kommen vermeintlich "rechtsintellektuelle", rassistische oder islamophobe Aussagen nun auch vermehrt aus einer Ecke, der man es nicht zugetraut hätte: dem Studenten-Rap. Von denen also, die in den Medien gerne als Rapper dargestellt werden, die nicht nur "Isch fücke disch" rappen würden. Ob JAW mit seinem abstrusen FB-Post, Absztrakkt mit seiner FPÖ-Vorliebe oder Koljah von der Antilopen Gang mit seinem Feature auf dem Album von Danger Dan – sie alle haben sich in letzter Zeit so fragwürdig und hohl geäußert, dass es einem die Fußnägel kräuselt. Ganz gleich und völlig unabhängig davon, was man von der Musik an sich hält.

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Der jüngste Aufreger dreht sich um Prezident, einen bislang eher durch Conscious-Rap aufgefallenen Rapper aus Wuppertal, der sich auch gerne mal den "Hemingway des HipHops" nennt. Dieser veröffentlichte jüngst einen Song ("Über zwei verschiedene Arten des Gutseins"), auf dem er sich vermeintlich an der linken Szene und einem angeblich dominierenden Gutmenschentum abarbeitet. Herausgekommen ist allerdings ein Song, auf dem er eindeutigen Rechtspopulismus betreibt und das Problem bei denen sucht, die mit ihren berechtigten Forderungen vielleicht auch mal übers Ziel hinausschießen. Sich in Zeiten eines massiven Rechtsrucks lieber mit innerlinken Grabenkämpfen oder Unzulänglichkeiten zu beschäftigten, ohne selber überhaupt Teil dieser Bewegung zu sein, spricht ja schon für sich. Zu hören sind (offenbar "Gutmenschen" etc. ansprechende) Zeilen wie:

"Er sieht in seinem Gegenbild sein Ebenbild, er träumt vom edlen Wilden /
Von der Güte dunkler Menschen aus entfernteren Gefilden /
Vom Gegenteil des kleinkarierten dunkeldeutschen Scheißvolks"

Kurz darauf rappt er dann folgende Faschismus-Relativierung: "Die schlimmsten Herrenmenschen: Die, die keine sein wollen".

Klartext: Antifaschisten und Antirassisten sind die eigentlichen Nazis. Was an dem Song noch so alles falsch ist, wurde an anderer Stelle bereits ausführlich erklärt. Der Rap-Journalist Skinny arbeitete heraus, was Prezident eigentlich sagt: “Der naive Gutmensch baut sich seine Traumwelt und versucht, die Wilden aus ihren rückständigen Kulturen schönzureden bzw. wagt es, die Güte ihn Ihnen zu sehen.” Das Problem daran ist der Umkehrschluss dieser Aussage, wie Skinny in seinem Pamphlet etwas langatmig erläutert. Die Geflüchteten sind nicht per se gut und jeder, der zu naiv ist, das zu sehen und lieber ihnen statt etwa seinen ostdeutschen Mitmenschen hilft, ist Teil des Problems.

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Im Jahr 2018 sollte es aber generell eigentlich niemanden geben (abgesehen von YouTube-Kommentatoren und notorischen Alt-Right-Trolls), dem man ernsthaft beibringen muss, was rechte Sprachcodes sind und wie diese funktionieren. Außer vielleicht Koljah von der Antilopen Gang, der letztens die Zeile "Das Frauenbild von Rappern ist so fortschrittlich wie Kopftücher“ veröffentlichte und damit kurzerhand sämtlichen muslimischen Frauen die Fortschrittlichkeit sowie die Selbstbestimmtheit absprach. Den Song von Prezident teilte er nun mit den Worten "Sehr sehr starkes Lied. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob Weiße Hetero-Männer überhaupt Rapmusik machen sollten" auf seinem Facebook-Profil. Haha, versteht ihr? Weil wir ja gar nichts mehr dürfen, wir Weißen Männer. LOL. Dass sich Koljah damit zusätzlich auch noch süffisant auf eine teils kritische rap.de-Review des Albums von Danger Dan bezieht, macht die ganze Sache nicht besser.

So selbstentlarvend, dass es fast amüsant wird

Viel interessanter wird es allerdings, wenn man sich ein kürzlich veröffentlichtes Interview von Prezident mit HipHop.de anschaut. Das schon 2017 gedrehte Gespräch, in welchem Prezident seine "Litanei gegen Linksgrünversiffte" bereits ankündigte, ist viel aufschlussreicher als seine Rap-Texte. Höflich formuliert leicht angetrunken (“Ich trink den Kaffee, weil ich den Geschmack der V Plus-Biere übertünchen muss”), sitzt der rappende Germanistikstudent bei HipHop.de-Moderator Toxik und schwafelt vor sich hin. Zuerst geht es um "die Linken". Die seien ja gar nicht mehr links und vor allem nicht cool. Mist! Dabei war cool sein immer so wichtig. Als Grund dafür nennt er die Identitätspolitik, die – vereinfacht gesagt – Partei ergreift für alle, die anders aussehen, anders glauben, anders denken oder anders lieben als die Mehrheitsgesellschaft. Nun gibt es sicherlich absurde Auswüchse dieser Politik. Etwa, wenn behauptet wird, Weiße Menschen dürften auf Festivals keine Falafel verkaufen, denn das wäre Cultural Appropriation. Dass aber ausgerechnet ein Weißer, männlicher Germanistikstudent, also der Inbegriff der Mehrheitsgesellschaft, diese Politik so vehement in Frage stellt, ist schon wieder so selbstentlarvend, dass es fast amüsant wird.

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Damit ist das Geheule aber noch nicht beendet. Generell fühlt sich der Rapper sehr ungerecht behandelt. Deutsche Rapper mit Migrationshintergrund etwa dürften viel mehr idiotische Aussagen von sich geben, ohne dass dies kritisiert werden würde. Es würden nicht die gleichen Maßstäbe gelten. Als Beispiel dafür führt er ausgerechnet Fler an, dem angeblich sein Ghetto-Hak verwehrt wird. Sogenannte Kanack-Rapper würden gefeiert als Straßen-Poeten, die Deutschen aber werden kritisiert, wenn sie etwa wie DCVDNS das N-Wort benutzen. Klartext: Wir Deutschen möchten endlich auch wie die Ausländer behandelt werden. Die haben es nämlich viel besser. Much Wow. Dass etwa ein Bushido seit Jahren rassistischen Hohn auf allen Kanälen über sich ergehen lassen muss, sobald er sich zu lange in der Nase popelt, scheint Prezident nicht bekannt zu sein. Vom alltäglichen Rassismus gegen jedwede Form von Migranten mal ganz zu schweigen.

Weiter geht’s mit Rap-Journalismus. Dieser sei ebenfalls linksgrünversifft (offenbar Prezidents neues Lieblingswort und nach wie vor ein Neonazi-Begriff) und Journalisten wie Oliver Marquart von rap.de würden das Basiswissen einer Ideologie abschöpfen, um andere zu kritisieren – ohne sich ernsthaft damit zu beschäftigen. Das mag ja sogar sein. Die Frage ist nur, ob ein lallender Typ, der in seinen Texten zwar gerne von Dante und Oscar Wilde redet, auf Nachfrage aber nicht mal einen Buchtitel Hemingways nennen kann und generell keinen einzigen Lösungsvorschlag anbietet, der Richtige ist, um so etwas zu kritisieren. (Wikipedia-Rap, ick hör dir trapsen!)

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VICE-Video: "Gestrandet auf Kos"


Als ihm Toxik die gleiche Frage ähnlich formuliert stellt, sackt der Rapper nur Ausflüchte stammelnd zusammen – so wie eigentlich bei jeder kritischen Nachfrage des glücklicherweise extrem fitten Moderators. Aber schon Donald Trump wusste: "Beschimpf die Presse – und sie werden dir Titelseiten widmen!" Hat ja hier auch wieder geklappt.

Und weil Prezident immer noch nicht genug hat, ist im letzten Drittel des Interviews der Feminismus dran. Menschen würden sich Geschlechter ausdenken, um neue Probleme zu erfinden, Feminismus sei heutzutage sowieso lächerlich und dass Frauen arbeiten müssen, sei auch gar nicht links, so seine lautstark vorgetragene Meinung. Eventuell kann jemand dem Herrn mal stecken, dass es darum geht, dass Frauen arbeiten können, wenn sie wollen und dann auch noch das gleiche Geld wie Männer verdienen sollten. Oder ihn mal fragen, was ihn eigentlich daran stört, dass irgendwelche Menschen sich nicht zwangsläufig als männlich oder weiblich definieren. Genau dies tut Toxik gottseidank immer wieder. Aber auch wenn Prezident auf keine der konkreten Fragen eine Antwort hat, so fällt ihm zum Schluss dennoch ein auf den ersten Blick total deeper Satz ein: "Je gerechter eine Gesellschaft ist, desto ungerechter können sich die Menschen darin behandelt fühlen."

Top. Bedeutet nämlich: Die Ungerechtigkeiten in dieser Gesellschaft sind ausgedacht. Nur weil es uns so gut geht, haben wir überhaupt Zeit, darüber nachzudenken, was man an dieser Gesellschaft verbessern könnte. Wenn wir mit Honig eingeschmiert an einen Bienenstock gefesselt wären, hätten wir ganz andere Probleme. Scheint logisch, lieber Prezident. Du wurdest ja auch noch nie strukturell unterdrückt oder aufgrund deiner Herkunft oder deines Geschlechts ungerecht behandelt. Also außer natürlich von den Linken, den Frauen und den Rap-Medien. Die haben es auf dich und deinesgleichen abgesehen. Keine große Überraschung. Es ist ja schließlich nichts Neues, dass sich patriarchale, selbstgefällige, Weiße Männer nach tausenden von Jahren der Herrschaft angegriffen fühlen, wenn man die Machtstrukturen mal etwas in Frage stellt. Eine Runde Mitleid bitte.

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