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Fragen, die das "Militär Tattoo Musikfest" der Bundeswehr aufwirft

Was ist ein Militär-Tattoo? Wer zieht sich das rein? Und was treibt eigentlich Johannes B. Kerner so?

Wenn die Bundeswehr Werbung macht, dann kommen dabei unter anderem fragwürdige Plakatkampagnen heraus. Unter dem Motto "Mach, was wirklich zählt" zieht die Truppe wahlweise Firewalls um Feldlager herum hoch oder versichert uns, dass sie dafür kämpft, dass wir gegen sie sein dürfen. Vielen Dank, wegtreten!

Die Plakate werben so manipulativ für den Beruf des Soldaten, dass das Peng!-Kollektiv kurzerhand selbst im Bundeswehr-Stil plakatierte, um gegenzuhalten. Auf den täuschend echten Plakaten hieß es dann "Keine Sorge, wir nehmen auch Arschlöcher" und man musste schon zweimal hinsehen, um den wahren Absender zu erkennen. Denn die Bundeswehr leidet unter Personalmangel. Da sind auch solche Soldaten willkommen, die im Dienst für das Vaterland nicht davor zurückschrecken, sich als Flüchtlinge zu tarnen und besoffen mit Schusswaffen zu hantieren.

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Der jüngste Plakatierungs-Fail der Truppe aber fällt eher in die Kategorie "unfreiwillig komisch". Mit einem arg schief zusammengeklebten Plakat lädt die Armee zum "Militär Tattoo Musikfest" der Bundeswehr ein, moderiert von Johannes B. Kerner. Der Journalist Alexander Demling hat das Plakat fotografiert und sich auf Twitter dazu Fragen gestellt. Und wir hatten auch noch ein paar:

Was ist ein Militär-Tattoo?

Wer hier an eine Tattoo-Convention im Bereich der Schnittmenge zwischen "Militaria-Sammlern" und "Körperkunst-Fetischisten" denkt, liegt falsch. Auf einem Militär-Tattoo im Düsseldorfer ISS Dome geht es nicht um Tiger-Panzer oder Rangabzeichen in Tattoo-Form, sondern um "Musik! Show! Emotionen!". Das zumindest verspricht die Website der Veranstaltung. Der Begriff "Tattoo" stammt aus dem Englischen und beschreibt im militärischen Zusammenhang den "Zapfenstreich", eine Armee-Tradition, mit der hierzulande zu Trompetenklängen hohe Amtsträger im Fackelschein aus ihren Ämtern verabschiedet werden.

Beim "Militär Tattoo Musikfest" hingegen steht die Familie im Vordergrund. Militärorchester aus aller Welt kommen zusammen, um "die gesamte Familie", so der hektisch geschnittene Trailer zur Veranstaltung, mit Blasmusik im Stechschritt, Artistik und Humor zu begeistern. Und weil nichts so sehr "Familienevent" schreit wie eine Musikveranstaltung mit Militärorchestern aus sieben Nationen, haben sich die Verantwortlichen bei der Truppe den größten Saubermann der deutschen Fernsehlandschaft für das Militär-Tattoo herausgesucht: Johannes B. Kerner.

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Was macht eigentlich Johannes B. Kerner?

Was sofort die nächste Frage aufwirft: Was zur Hölle treibt eigentlich Johannes B. Kerner, wenn er nicht für die Bundeswehr den Truppenbespaßer mimt? Nötig hat er das eigentlich nicht, denn die Allzweck-Waffe des ZDF moderiert gleich mehrere Quotengaranten für den Sender. Kerner kocht zum Beispiel seit 35 Folgen mit Kerners Köchen, behält im Küchenchaos "zwischen Vorspeise und Dessert den Überblick" und verführt mit ungewöhnlichen Fragen und verrückten Rätseln in der Quizshow Da kommst du nie drauf Zuschauer diesseits der 55 zum Abschalten.

Beruflich also immer noch in Topform musste Kerner im Privaten zuletzt ein bisschen einstecken. Bis 2016 war er mit der ehemaligen Hockeynationalspielerin Britta Becker verheiratet, dann trennte sich das Traumpaar des deutschen Showgeschäfts öffentlichkeitswirksam per Anwaltsmitteilung in der Bild. Zuletzt spekulierte die Presse über eine Liaison Kerners mit einer Studentin, die er bei einer Spendengala, moderiert von the man himself, kennengelernt haben soll. Bestätigt hat Kerner, der darauf bedacht ist, sein Privatleben nicht in der Öffentlichkeit auszubreiten, die Verbindung nicht.

Wer zieht sich das rein?

Es gibt sicher eine Zielgruppe für das "Militär Tattoo Musikfest" der Bundeswehr, immerhin spricht die Truppe selbst vom "großartigen Erfolg" der Veranstaltung im vergangenen Jahr. Über 10.000 Marschmusik-Fans konnte die Truppe laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr begeistern. Doch wie könnte die Zielgruppe aussehen? Die Armee spricht von einer "Show für die ganze Familie". In der wird vermutlich noch mit preußischer Disziplin erzogen, denn anders lässt sich kaum erklären, wie der Unteroffizier Müller seine beiden halbstarken Söhne für ein solches Event begeistern kann. Schließlich feiern 13-Jährige nichts so sehr wie "überaus facettenreiche Militärmusik made in Germany", aufgelockert von Darbietungen schottischer Highland Dancer und moderiert vom Kurzweil garantierenden Kerner. Eventuelle Widerworte erstickt die am Frühstückstisch gebellte Androhung von 50 Liegestützen und anschließendem Stiefelputzen im Keim.

Neben Müllers deutscher Vorzeigefamilie nimmt im Düsseldorfer ISS Dome vielleicht der Opa Heinrich platz, der in der Pause mit feuchtem Glanz in den Augen vom Kriegswinter '43 erzählt, als sich seine Kompanie mit rhythmischem Schunkeln zum Sedanmarsch warm hielt, während den Kameraden in der russischen Kälte nacheinander sämtliche Fingerkuppen erfroren. "Wir hatten ja nichts!"

Warum wurde so schrecklich plakatiert?

Wer auch immer dieses Plakat aufgeklebt hat, die Person gehört vermutlich nicht zur Zielgruppe. Sonst hätte sie sich bestimmt mehr Mühe gegeben. So wie die beiden Plakathälften zusammengeklebt sind, verwandelt sich Kerners Sunnyboy-Gesicht von Schwiegermamas Liebling in die Visage von Quasimodo, dem Glöckner von Notre Dame. Der Anblick dürfte potentielle Militär-Tattoo-Besucherfamilien eher abschrecken, zumal auch der im Hintergrund zu sehende Bundesadler arg Federn lassen musste.

Ob sich Opa Heinrich und die zur Bespaßung angetretene Familie von Unteroffizier Müller von dieser sträflichen Verunglimpfung deutscher Hoheitsabzeichen vom Besuch des Militär-Tattoo abschrecken lassen? Das erfahren wir am 22. September 2018. Dann steigt in Düsseldorf die große Marschmusik-Sause.

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