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Psychologie

Es gibt einen Grund, warum wir als Teenager so verzweifelt dazugehören wollen

Du bist nicht "uncool", dein Gehirn funktioniert einfach anders.
Foto: Pixabay | Pexels | CC0

Das Sozialleben von Teenagern ist deutlich komplizierter als das von Erwachsenen, die ihre körperliche und geistige Entwicklung bereits abgeschlossen haben. Das ist nicht nur durch wissenschaftliche Studien belegbar, sondern zeigt sich auch darin, dass man als pubertierender Mensch viele fragwürdige Entscheidungen trifft. Ein Beispiel aus meinem Leben wäre die ziemlich schreckliche Frisur, die ich 2007 hatte.

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Allem voran wollen Teenager aber vor allem eins: dazugehören. Aus diesem Grund hadern sie auch andauernd mit Gruppenzwang, sozialen Ängsten und der stetigen Panik, öffentlich gedemütigt werden zu können. Schuld daran ist ihr pubertäres Gehirn, das sich von erwachsenen Gehirnen vor allem im Hinblick auf die Gehirnstrukturen, die das sogenannte "soziale Gehirn" bilden, unterscheidet.

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Natürlich durchlaufen Teenager im Verlauf ihrer Pubertät eine ganze Menge körperlicher Veränderungen. Die gehen allerdings weit über die Entdeckung des ersten Schamhaars oder das Anecken mit den neu-entdeckten Hüftknochen hinaus: Die Pubertät verändert nämlich auch die Struktur des Gehirns.

Noch vor knapp 15 Jahren waren sich Neurowissenschaftler einig, dass der Großteil unserer Gehirnentwicklung in den ersten Lebensjahren stattfindet. Doch vor nicht allzu langer Zeit konnten Studien mit Hilfe der Magnetresonanzbildgebung (MRT) zeigen, dass das nicht stimmt: Bei Teenagern nimmt die Zahl der grauen Zellen im präfrontalen Cortex ab. Das ist der Bereich des Gehirns, der für die Handlungsplanung, die Entscheidungsfindung, den Ausdruck von Persönlichkeit und die Moderation sozialer Verhaltensweisen zuständig ist. Zu verdanken haben wir das einem Prozess, der sich "synaptisches Beschneiden" nennt. Gleichzeitig werden bestimmte Nervenbahnen mit einem Fettmantel versehen, auch bekannt als "Myelinisierung".

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Das bedeutet: Gehirnbahnen, die selten genutzt werden, gehen verloren, während nützliche Verknüpfungen in Vorbereitung auf das Erwachsensein beschleunigt werden – ein massiver Umbauprozess, der erklärt, warum sich soziale Wahrnehmungen und Verhaltenstendenzen bei Jugendlichen so schnell verändern.

Die Reifung des präfrontalen Cortex macht es Teenagern aber auch möglich, außerhalb ihrer Selbst abstrakter zu denken und sich selbst so zu sehen, wie Andere sie ihrer Meinung nach sehen müssten. Isabelle Rosso von der Harvard Medical School konnte beobachten, dass diese neu entdeckte Fähigkeit einerseits bedeutet, dass Teenager emphatischer sind und über mehr Selbstkontrolle verfügen. Sie vermutet aber auch, dass sie dadurch in sozialen Situationen befangener interagieren und sich womöglich mehr Sorgen darüber machen, was andere über sie denken. "Manche Teenager werden dadurch noch empfindlicher", sagt sie.

Wie verschiedene Studien zeigen konnten, nutzen Teenager im Vergleich zu Erwachsenen andere Teile ihres sozialen Gehirns, wenn sie mit grundlegenden emotionalen Reizen konfrontiert werden. Teenager sind stärker auf den medialen präfrontalen Cortex angewiesen, also den Teil des Gehirns, der den mentalen Zustand anderer Menschen verarbeitet und sie nachahmt (daher die ganzen jugendlichen Mitläufer). Im Grunde könnte man sagen: Das Gehirn von Teenagern ist besessen davon, was andere denken.

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"Junge Menschen arbeiten darauf hin, eine individuelle Identität zu entwickeln, die jedoch gleichzeitig auch von den anderen akzeptiert werden soll."

Es gibt verschiedene Theorien dazu, warum das alles passiert. Es könnte sein, dass das Gehirn von Teenagern darauf spezialisiert ist, neue Erfahrungen zu machen und soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Es könnte aber auch sein, dass die genutzten Hirnfunktionen weniger Sauerstoff benötigen und diese andere Art des "Daseins" daher eine sparsamere und effektivere neurale Verknüpfung darstellt.

Ganz übergreifend machen aber auch die Identität und die Persönlichkeit von Teeangern in dieser Zeit eine bedeutende Veränderung durch. Laut Tim Smith, führender Jugendforscher der Psychology and Counseling Group in Sydney, führt diese Entwicklung zu einem sozialen Kampf bei den Teenagern. Das primäre Ziel: sich anzupassen.

"In dieser Hinsicht ist die Jugend eine besonders schwierige Zeit", sagt er. "Junge Menschen arbeiten darauf hin, eine individuelle Identität zu entwickeln, die jedoch gleichzeitig auch von den anderen akzeptiert werden soll."

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Die neurologischen Veränderungen sind dabei allerdings nur ein kleiner Ausschnitt eines größeren Gesamtbildes. "Im Verlauf der Entwicklung des jugendlichen Gehirns finden viele faszinierende und komplexe Veränderungen statt, die Gedanken, Gefühle und Verhalten der Jugendlichen beeinflussen und Teenager vor einzigartige psychologische Herausforderungen stellen", erklärt Smith. Zusätzlich fänden diese biologischen Veränderungen dann meistens in einem schwierigen und überaus anspruchsvollen sozialen Setting statt.

Im Endeffekt heißt das, dass die zunehmende Anspruchshaltung gegenüber Jugendlichen, und der Druck, dem Teenager ausgesetzt sind – in Kombination mit ihrem aufkommenden sexuellen Bewusstsein – stark zu dem Wunsch beitragen, dazuzugehören und erfolgreich mit dem Strom zu schwimmen. Inklusive Haarschnitt.

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