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Computerwissenschaftler bastelt Supercomputer aus Tausenden virtuellen Game Boys

Gemeinsam können die kleinen Spielkonsolen eine Milliarde Bilder pro Sekunde erzeugen – und ein Problem in der KI-Forschung lösen.
Gameboy
Bild: Shutterstock | robtek || Bearbeitung: Motherboard 

Im Wettkampf mit künstlicher Intelligenz sieht der Mensch in einigen Disziplinen inzwischen ganz schön alt aus: KIs besiegen Schachmeister, haben das chinesische Brettspiel Go gemeistert und gewinnen inzwischen sogar bei DOTA 2 gegen die weltbesten Gamer und Gamerinnen. Trotzdem haben die Maschinen einen entscheidenden Nachteil: Sie haben kein menschliches Gedächtnis. Das bedeutet, sie können ihr bereits erlerntes Wissen nicht nutzen, um neue Aufgaben schneller zu lernen.

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Um dieses Problem anzugehen, hat der Computerwissenschaftler Kamil Rocki, der KI-Systeme für IBM entwickelt, kürzlich Tausende virtuelle Game Boys zu einem "Supercomputer" zusammengeschlossen. In einem Blogpost beschreibt er dieses Computernetz als "das wohl schnellste 8-Bit Konsolen-Cluster der Wet". Mit dem Game-Boy-Netz soll eine KI verschiedene Videospiele erlernen können. Rocki hofft, mithilfe des Projekts effizientere Lernalgorithmen entwickeln zu können.

Momentan läuft die Arbeit mit einer KI so ab: Computerwissenschaftlerinnen bringen einem künstlichen neuronalen Netz, das lose dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist, bei, eine bestimmte Aufgabe auszuführen, beispielsweise Tetris zu spielen. Wenn ein neuronales Netz Tetris gemeistert hat und nun ein komplexeres Spiel wie Super Mario Bros. erlernen soll, muss es wieder bei Null anfangen. Denn – anders als das menschliche Gehirn – kann es nicht auf seine Erfahrungen aus Tetris zurückgreifen, um Super Mario Bros. schneller zu erlernen.

Rocki hofft, dass sein Game-Boy-Cluster dazu beiträgt, den Wissenstransfer bei Lernalgorithmen in Zukunft möglich zu machen.

Ein Durchbruch auf diesem Gebiet gelang 2015 Googles KI DeepMind. Die KI meisterte mehrere Spiele auf der Spielkonsole Atari 2600. Allerdings sagt Kamil Rocki, dass sich diese Spiele stark ähnelten. Es waren relativ simple Spiele, bei denen jede Aktion des Spielers den Punktestand beeinflusst – der Spieler erhält also sofort Feedback. Bei komplexeren Spielen wie Prince of Persia ist das jedoch anders. Hier wird nicht jede Handlung sofort mit Punkten belohnt, sondern sie wirkt sich teilweise erst später auf die Gesamtwertung aus.

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Auf dem FPGA-Chip läuft 'Space Invaders' mit 100MHz. Bild: Kamil Rocki

Der Computerwissenschaftler Rocki erkannte: Um diese Spiele mit einer KI zu schlagen, braucht man ein neuronales Netz, das Spiele besonders schnell spielen und mehrere Spiele parallel abspielen kann. "Stell dir vor, du könntest Prince of Persia in einem Hundertstel der Zeit spielen und gleichzeitig 100.000 Spiele laufen lassen", schreibt Rocki auf seinem Blog.

Rocki wollte testen, ob ein neuronales Netz das erlernte Wissen aus einfachen Spielen auf komplexe Spiele anwenden kann. Darum brauchte er als Grundlage eine Spielkonsole, die viele verschiedene Spiele abspielen kann. Zur Auswahl standen das Arcade-Spiel Space Invaders, Atari 2600, das Nintendo Entertainment System (NES) und der Game Boy Classic. Rocki entschied sich für den Game Boy, weil Computersysteme das Display mit 160 x 144 Pixel leicht umwandeln können und mehr als tausend Spiele mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen auf dem Game Boy laufen. Ein Problem musste der Computerwissenschaftler allerdings noch lösen: Der Game Boy Classic schafft – wie die anderen Konsolen auch – höchstens eine Auflösung von 3.000 Bildern pro Sekunde. Für sein Projekt brauchte er jedoch Hunderte Millionen Bilder pro Sekunde.

In dieser Grafik hat Kamil Rocki Game-Boy-Spiele nach Komplexität angeordnet. Links sind weniger komplexe Spiele wie 'Space Invaders'. 'Pokemon' und 'Prince of Persia' werden als komplex eingestuft / Bild: Kamil Rocki

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Um seinen Supercomputer zu basteln, verwendete Rocki einen speziellen Computerchip, ein Field Programmable Gate Array (FPGA), mit dem sich verschiedene Hardware-Programme simulieren lassen. Mit dem Chip simulierte Rocki einen Intel 8080 Prozessor, der in vielen Spielkonsolen verwendet wird.



Doch der Chip simuliert Hardware nicht nur, er verpasst ihr auch mehr Power: Der 8080 Prozessor von Space Invaders läuft beispielsweise mit 1 MHz – wenn der Prozessor mit dem FPGA-Chip simuliert wird, kann seine Leistung auf 400 MHz gesteigert werden, das entspricht dann einem Spiel mit 24.000 Bildern pro Sekunde. Da ein einzelner FPGA hundert Prozessoren auf einmal simulieren kann, entstehen 2,4 Millionen Bilder pro Sekunde auf einem einzelnen Chip.

Rocki schreibt Motherboard per E-Mail, dass er 1.296 FPGA-Chips zusammengeschlossen habe, um ungefähr eine Milliarde Bilder pro Sekunde von Tausenden virtuellen Game Boys zu erstellen. Rein rechnerisch hätte man diese Leistung auch mit 50 FPGA-Chips erreichen können, aber Rocki sagt, dass er und seine Kollegen die Chips nicht voll auslasten wollten. Für das gesamte Projekt wurde nur ein echter Game Boy verwendet.

Tetris auf dem Supercomputer mit 100MHz. Voll ausgelastet könnte das Spiel noch viermal schneller laufen / Bild: Kamil Rocki

Rocki schreibt in seinem Blogpost, dass erste Tests mit seinem Game-Boy-Supercomputer erfolgreich verlaufen seien. Er sieht sein Projekt als einen ersten Schritt, um KI-Algorithmen mit hoch entwickelter Hardware zusammenzuführen. Wenn in den nächsten Jahren der Wissenstransfer bei Künstlichen Intelligenzen im großen Stile gelingt, hat eine kleine Spielkonsole aus den 90er Jahren vielleicht einen Teil dazu beigetragen.

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Dieser Artikel ist zuerst auf der englischsprachigen Seite von Motherboard erschienen.