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Im ersten Swatting-Todesfall steht jetzt ein 'Call of Duty'-Gamer vor Gericht

Ein Streit zwischen zwei 'CoD'-Spielern um ein paar Dollar Wettschulden eskalierte, ein unbeteiligter 28-Jähriger wurde von einem Polizisten erschossen. Nun hat der Gerichtsprozess gegen einen der beiden Spieler begonnen.
Bild: Glendale Police

Ende Dezember 2017 tritt der 28-jährige Andrew Finch auf Anweisung der Polizei vor die Tür seines Hauses irgendwo in Los Angeles und wird kurz darauf von einem Beamten des Los Angeles Police Department (LAPD) erschossen. Die Polizisten glauben zu diesem Zeitpunkt, dass sie einen gewalttätigen Mörder und Geiselnehmer gestoppt haben, der Minuten zuvor seinen Vater getötet hat und nun seine Schwester und Mutter mit Waffengewalt bedroht. Stunden später sollte sich allerdings herausstellen, dass die Polizisten offenbar auf einen Scherzanruf hereingefallen waren, der einen unschuldigen Mann das Leben gekostet hat. Es ist der erste bekannte Todesfall bei einem Swatting. Hinter dem Anruf steckt ein 25-jähriger Gamer, der für solche Aktionen bekannt ist. Jetzt beginnt sein Gerichtsprozess in Kansas.

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Was genau steckt hinter dem tödlichen Scherzanruf?

Andrew Finch wurde Opfer des sogenannten Swattings, einem Trend, der bereits seit einigen Jahren für Probleme in der der US-amerikanischen Gaming-Community sorgt: Swatter setzen falsche Notrufe ab. Sie rufen die Polizei an und behaupten, sie wären Zeuge oder Täter eines Gewaltverbrechens, Amoklaufs oder einer Geiselnahme. Als Adresse nennen sie oft die Anschrift von Live-Streamern, in der Hoffnung, dass ein schwer bewaffnetes Polizei-Kommando die Wohnung oder das Haus stürmt und den Streamer vor laufender Kamera festnimmt. Nach Angaben verschiedener amerikanischer Nachrichtenseiten kommt es in den Vereinigten Staaten jährlich zu etwa 400 Swatting-Vorfällen. Auf YouTube gibt es zahlreiche Zusammenschnitte, die überrumpelte Swatting-Opfer bei ihrer Festnahme zeigen.

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Andrew Finch, das Opfer, aber hatte mit dieser Community nichts zu tun. Er war kein Streamer, kein Star irgendeiner Szene und auf Plattformen wie Twitch war er gänzlich unbekannt. Im Gespräch mit der Polizei erklärte ein Cousin, dass der 28-jährige Finch tatsächlich keine Videospiele spielte oder auch nur besaß. Wie nun die Ermittlungen der LAPD zeigen, wurde Andrew Finch stattdessen Opfer eines Streits zwischen zwei Call of Duty-Spielern, der Stunden vor dem tödlichen Schuss eskaliert war.

Wie die mittlerweile fast alle gelöschten Tweets aus der Shooter-Community erklärten, gerieten zwei CoD-Spieler wegen nicht ausgezahlter Wettschulden aneinander. Dabei soll es angeblich nur um einen Dollar und 50 Cent gegangen sein. Das Streitgespräch eskalierte, beide Spieler drohten, sich gegenseitig zu swatten und verrieten sich dazu – warum auch immer – ihre angeblichen Adressen.

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Einer der beiden Spieler war angeblich der 25-jährige Tyler ‘SWAuTistic’ Raj Barris. Laut der Lokalzeitung Wichita Eagle platzierte der Gamer daraufhin den falschen Notruf. Was Barris zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Die Adresse, die er von Twitter bekommen und an die Beamten als vermeintlichen Tatort weitergegeben hat, ist fake. Nicht sein Kontrahent wohnt dort, sondern der 28-jährige Andrew Finch, der kurze Zeit später seinen Schusswunden erliegt. Ein Polizist vermutete, Finch wolle eine Waffe ziehen, und schießt daraufhin. Das zeigen die Aufnahmen der Kamera am Körper eines der Beamten, die die lokale Polizei veröffentlicht hat.

Dabei sollte ausgerechnet Tyler Raj Barris die Risiken des Swattings bestens kennen: Anfang Dezember 2017 hatte er mit einem Scherzanruf für die komplette Evakuierung eines eSport-Events in Dallas gesorgt, nachdem er sich bei der Polizei mit einer anonymen Bombendrohung gemeldet hatte. Der Fall wird aktuell noch in Kanada verhandelt, ein Urteil liegt noch nicht vor.

Was wird Barris vorgeworfen?

Keine 24 Stunden nach dem tödlichen Schuss auf Finch wurde Tyler Raj Barris in Polizeigewahrsam genommen. Seit vergangenem Freitag läuft nun der Prozess gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung, dem Platzieren eines falschen Notrufs und der Irreführung der Polizei — ein Straftatbestand, der im US-Bundesstaat Kansas mit einer Gefängnisstrafe zwischen von zweieinhalb bis etwas über elf Jahre belegt werden kann.

Im Angesicht dieser Geschichte, die wegen Streitigkeiten um kleinste Dollar-Beträge für einen unbeteiligten 28-Jährigen tödlich endete, erscheint die Reaktion von Tyler Raj Barris auf seine Verhaftung ganz besonders skurril: Der Angeklagte gab dem bekannten YouTube-Kanal "DramaAlert" ein viertelstündiges Interview, in dem er erklärte, dass er sich auf keinen Fall als Mörder, nicht einmal verantwortlich für den Tod von Finch sieht.

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Er arbeite weder bei der Polizei, noch habe er die Waffe mit dem tödlichen Schuss ausgelöst, so die Argumentation des Swatters. Trotzdem sei er bereit, sich seinem Schicksal zu fügen und jede Strafe abzusitzen, die ihm auferlegt wird.

Der Fall markiert eine tragische Eskalation der Swatting-Fälle in den USA. In Deutschland gab es bislang keinen ähnlich heftigen Vorfall. Im Dezember 2016 gab es jedoch ein Urteil im ersten deutschen Swatting-Fall. Der Täter, der damals 26-jährige Alexander S., bekam für einen Swatting-Anruf, dem ein Großeinsatz der Feuerwehr in Mittelfranken folgte, eine Freiheitsstrafe von insgesamt drei Jahren und fünf Monaten. Das Swatting wurde dabei mit einem Jahr und fünf Monaten geahndet, der Rest der Strafe setzte sich aus anderen Verstößen zusammen, darunter der Verbreitung von Kinderpornografie.

Der Polizist, der den tödlichen Schuss abgegeben hat, wurde laut Wichita Eagle vom Dienst suspendiert. Ob ihn eine Schuld beim Tod von Andrew Finch trifft, wird aktuell untersucht.

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