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Fridays for Future

Schülerinnen, Schüler und ein Lehrer erzählen, warum sie freitags zur Schule gehen

"Von manchen Lehrern bekommt man eins reingedrückt, wenn man fehlt. Die geben zum Beispiel mündlich null Punkte." – Robert, 18
Ein Schüler äußert sich zu den Klimaprotesten
Alle Fotos: Flora Rüegg

Am Freitag waren zehntausende deutsche Schülerinnen und Schüler auf der Straße, nicht in der Klasse. Allein in Berlin zogen über 5000 Demonstrierende zum Kanzleramt. In allen größeren Städten wurde gestreikt. Junge Menschen demonstrieren, weil sie keine Lust haben, sich ihre Zukunft durch den Klimawandel versauen zu lassen. Sie fordern, dass Regierungen jetzt handeln.

Aber nicht alle gehen auf die Straße, vielerorts sind die Klassen voll. Was hält die Schülerinnen und Schüler ab? Fürchten sie Bestrafungen durch die Lehrer? Halten sie es gar mit CDU-Posterboy Philipp Amthor, der dem Deutschlandfunk erzählte, dass er politische Partizipation nur dann wirklich cool finde, wenn sie mit der Schulpflicht zu vereinbaren sei? Wir haben an zwei Berliner Schulen nachgefragt.

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Leopold, 18, Heinrich-Schliemann-Oberschule

Leopold äußert sich zu den Klimaprotesten

"Ich finde die Streiks sind die falsche Herangehensweise. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Schulpflicht nicht wahrnehmen und Klimaziele umsetzen. Man sollte das lieber außerhalb der Schulzeit machen.

Andererseits finde ich es auch nachvollziehbar, dass Schüler das so machen. Sie stehen ja noch nicht in einem Arbeitsverhältnis. Die Streiks sind eine gute Möglichkeit, um Aufmerksamkeit zu generieren. Mich stört aber manchmal, dass das nicht sehr realitätsbezogen ist, sondern eher ein generelles Kontra. Für besseres Klima muss man auch handeln und bei sich selbst anfangen. An unserer Schule sehe ich nicht, dass das wirklich praktiziert wird. Ich sehe Leute die zum Beispiel ihren Müll überall hinwerfen. Es ist immer einfacher, nach außen hin wie ein guter Mensch zu wirken. Schwieriger ist es, das dann in seinen eigenen vier Wänden oder an der Schule umzusetzen. Das sollte immer der erste Schritt sein.


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Ich finde, was Greta macht ist eine sehr gute Sache, aber sie präsentiert nicht viele Konzepte oder Herangehensweisen. Sie sagt einfach nur, dass eine Zukunft gewährleistet werden soll, aber wie das stattfinden soll, sagt sie nicht. Die Streiks haben aber schon was erreicht: Sie haben Politiker mehr zum Reden gebracht als alle Petitionen der letzten Jahre. Was die Kinder hier aufstellen, ist beeindruckend. Ich selbst würde aber an anderen Stellen ansetzen."

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Selbi, 18, Heinrich-Schliemann-Oberschule

Selbi äußert sich zu den Klimaprotesten

"Ich bin nur in der Schule, weil heute mein letzter richtiger Schultag ist und wir Mottowoche haben. Nächste Woche habe ich auch noch Prüfungen, deswegen will ich in den letzten Stunden noch was mitnehmen. Einige aus meinem Jahrgang gehen nach dem ersten Unterrichtsblock zu den Streiks. Ich finde es eine gute Sache, sich dafür zu engagieren. Ich weiß nur nicht, ob das was bringt und ob man als Schüler wirklich eingebunden wird. Ich persönlich denke nicht, dass es im großen Ausmaß was bewirken kann. Bei uns in der zwölften Klasse waren an den letzten Freitagen die Klassenzimmer voll. Da haben im ganzen Jahrgang nur fünf oder sechs Leute gefehlt. Das sind die, die zu jedem Streik gehen. Die machen das aber wirklich wegen der Sache und nicht nur, um nicht in die Schule zu müssen."

Anton, 18, Heinrich-Schliemann-Oberschule

Anton äußert sich zu den Klimaprotesten

"Ich persönlich interessiere mich wenig für die Streiks. Die Probleme, die da besprochen werden überlasse ich lieber meinen Enkelkindern. Bei uns fehlen freitags schon immer einige, aber auch nicht so viele. Aus meinem Jahrgang kenne ich nur einen, der da immer engagiert mitmacht und auch versucht, die Leute dazu zu bringen, zum Streik zu gehen. Ansonsten sind es eher die Jüngeren dort. Da sind dann freitags auch die Klassenzimmer ein bisschen leerer. "

Robert, 18, John-Lennon-Gymnasium

Robert äußert sich zu den Klimaprotesten

"Bei mir ist gerade eine heiße Abiturphase, da darf ich den Unterrichtsstoff nicht verpassen. An sich unterstütze ich aber die Partizipation an den Streiks. In der zehnten Klasse habe ich an einigen Streiks teilgenommen, zum Beispiel gegen das TTIP-Abkommen. In der Oberstufe habe ich noch nicht gestreikt, da ziehe ich es vor, im Unterricht zu sein und den Stoff mitzubekommen. Manche Lehrer mögen auch nicht, wenn man zu den Streiks geht, da muss man schauen inwiefern das Sinn macht. Von manchen Lehrern bekommt man eins reingedrückt, wenn man fehlt. Die geben zum Beispiel mündlich null Punkte. In meinen Kursen waren durchschnittlich zwei oder drei Menschen bei den letzten Streiks, das hat man nicht groß gemerkt. In der Mittelstufe ist das anders, da machen viele bei den Streiks mit."

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Helene, 18, John-Lennon-Gymnasium

Helene äußert sich zu den Klimaprotesten

"Ich war vor einem Monat schon bei einem Streik, als die Kohlekommission einen Beschluss gefasst hat. Jeden Freitag kann ich aber nicht hingehen, weil ich Abitur mache und in der Schule anwesend sein muss. In meinem Jahrgang sind freitags fast alle im Unterricht. Meine kleine Schwester geht öfter zu den Streiks. Sie ist 13, in ihrem Alter gehen viele hin. Vor einem Monat habe ich auch Leute getroffen, die extra aus Bayern hergefahren sind und von ihrer Schule entschuldigt wurden. Das ist bei uns leider nicht der Fall.

Unsere Schule erzählt immer, dass sie so weltoffen ist, aber im Endeffekt hätten die Lehrer auch mal unter sich besprechen können, dass sie Leute freistellen, die einmal zum Streik gehen wollen. Die Lehrer sind nicht dagegen, aber sie sagen, dass sie uns nicht freistellen dürfen, weil das mit der Schulleitung besprochen werden müsste. Viele finden trotzdem super, dass wir streiken. Ich glaube, dass der Streik heute auf jeden Fall was bringt, auch dadurch, dass das heute in jeder Stadt gemacht wird. Es bringt ja nichts in der Schule zu sitzen, wenn wir uns in 20 oder 40 Jahren überlegen müssen, ob wir überhaupt Kinder kriegen sollen."

Marco, 31, Lehrer an der Heinrich-Schliemann-Oberschule

"Ich bin Lehrer hier. Wir finden die Streiks gut und sind sehr dafür. Als Schule unterstützen wir das auch. Die Schüler müssen sich abmelden, bekommen eine Fehlzeit, aber keine Strafe. Wir als Kollegium sagen den Schülern auch, dass wir gut finden, dass sie sich einsetzen und in Kauf nehmen Unterricht zu verpassen und was nachholen zu müssen. Auch die Schulleitung hat klargemacht, dass sie das unterstützt. Die letzten Freitage hat man die Streiks kaum gemerkt. Heute sind die Klassenzimmer sehr leer. Ganze Klassen haben sich abgemeldet.

Bisher hatte ich das Gefühl, dass die Politik sagt: 'Ach ja, das ist ganz nett, die Schüler sollen sich mal engagieren'. So haben die Schüler sich aber leider mit den Fehlstunden erstmal selbst weh getan. Heute hat das eine andere Dimension. Ich hoffe, dass die Wirkung dieses Mal größer sein wird."

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