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Wie ich das UAF nüchtern und als einziges Mädchen überlebt habe

Ihr fahrt dieses Wochenende aufs Urban Art Forms? So war es letztes Jahr—nüchtern. Unsere Autorin hatte aber sogar Spaß dabei.

Foto: VICE Media.

Was macht man, wenn man keinen Alkohol trinkt und von seinen besten männlichen Freunden ein Ticket für das Urban Art Forms zum Geburtstag bekommt? Natürlich hinfahren! Während andere Festivals als willkommenen Grund dafür nehmen, sich über mehrere Tage anzusaufen und dahinzuvegetieren, war ich das gesamte letzte Urban Art Forms über nüchtern. Ich muss zugeben, anfangs war ich etwas skeptisch. Als einziges Mädchen in der Gruppe würde ich wohl heroische Taten vollbringen müssen, wie alle vorm Ertrinken oder dem Hitzetod zu bewahren, aber was macht man nicht alles für seine Freunde. Außerdem war das Line Up ziemlich geil (und ich erinnere mich sogar daran). Hier also mein Bericht.

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Essen

Foto: Katrin Ingwersen via VICE Media.

Zum Glück bin ich nicht sehr anspruchsvoll, was die Nahrungsaufnahme anbelangt. Sättigend muss es sein und wenn es mal—wie so oft während eines Festivals—nicht nahrhaft ist, scheiß ich drauf. Die paar Tage ungesunde Fertigprodukte muss der Körper schon überstehen, ob er will oder nicht. Meine Pre-Festival-Einkäufe haben sich also nicht großartig von denen meiner Freunde unterschieden. Ganz klassisch haben unsere Vorräte allerdings nicht ganz ausgereicht. Also mussten wir auf das überteuerte Angebot der kapitalistischen Essensstände zurückgreifen. Zu meiner Überraschung hat die Pizza, die dem Preis nach wohl Blattgold im Teig hatte, nicht einmal nach einem vor Fett triefenden Karton geschmeckt, sondern wie etwas Essbares. Und da ich mir durch die Alkoholabstinenz ohnehin einiges an Geld gespart habe, war mir der Preis auch nicht mehr so ein Dorn im Auge.

Zwecks dem Scheißen wär’s gewesen

Foto: VICE Media.

Wie schon Doug Heffernan in King of Queens sagte: Iss ’n Köttel, mach ’n Köttel. Was oben rein kommt, muss auch irgendwo wieder rauskommen. Und nachdem ich wohl kaum von Cola, Eistee und Wasser kotzen würde, war das Dixieklo der einzige Weg für den letzten Schritt der Verdauung. Ich war in meinem Leben schon viel zu oft gezwungenermaßen auf mobilen Toiletten. Doch so schlimm wie auf einem Festival kann es unter keinen anderen Umständen kommen. Abgesehen von dem bestialischen Scheiße- und Pissegeruch, der einem schon von weitem entgegenströmt, ist es wirklich ein Nachteil, wenn man dann auch noch ganz genau sieht, was da so alles herumliegt. Das ist so widerlich, dass ich es gar nicht näher erläutern möchte. Der Klogang war die einzige Situation, in der ich Neid empfand. Für die Sphinx, die keine Nase mehr hat und solche Gerüche gar nicht wahrnehmen kann. Und meine dichten Freunde, denen in ihrem Zustand sowieso alles scheißegal war und die dabei auch immerhin stehen konnten.

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Wohin mit dem Körperranz?

Foto: VICE Media.

Wer isst und scheißt, sollte sich auch mal waschen. Zumindest ist das die vorherrschende Meinung.

Umringt von zahlreichen menschlichen Ausdünstungen scheint die Körperhygiene einfach nicht vorrangig. Man muss sich einfach auch als nüchterner Mensch genauso wie alle anderen damit zufrieden geben, sich die Zähne zu putzen und das Handdesinfektionsgel aufzubrauchen. Einfach, weil’s eh wurscht ist und alle megagrindig sind. Der Duft der Zuheiten ist ohnehin so beißend, dass man den eigenen kaum noch wahrnimmt. Auf die morgentliche Dusche konnte ich dann aber doch nicht verzichten. Einfach in Blickweite chillen und hinstarten sobald die Schlange nicht mehr ganz so lang ist oder sich aufgelöst hat.

Schlaf Kindlein, schlaf!

Foto: Samira Saad

Jeder muss mal schlafen. Auch nüchterne Menschen. Das Blöde dabei ist nur, dass die Person, die man noch als zurechnungsfähigstes Individuum auf dem Campingplatz bezeichnen würde, eine willkommene Malunterlage darstellt. Umgeben von dichten Gestalten, die nur darauf warten, dass man die Augen schließt, schläft es sich nicht wirklich gut. Doch nicht nur das Angemaltwerden bereitet einem Sorgen. Die Vorstellung, komplett verspannt und im schlimmsten Falle angekotzt aufzuwachen ist einfach nicht lustig. Ich bin fast schon stolz darauf, dass ich das komplette Festival unversehrt überlebt habe—der Weg dorthin war allerdings ziemlich hart. Zunächst einmal habe ich versucht, dem Schlaf den Mittelfinger zu zeigen und ihm einfach keine Chance zu geben. Der Masterplan war, meinen Körper mit Sitzen zufrieden zu stellen und einfach nicht zu schlafen. Der soll sich mal nicht so anstellen und sich gefälligst damit abfinden, dass er auf einem mehrtägigen Festival, auf dem ich am Liebsten die ganze Zeit durchtanzen würde (Ja, das geht auch nüchtern), wenigstens ein bisschen zur Ruhe kommt. Das muss reichen, auf’s Schlafen wird geschissen! Was man vielleicht erwähnen sollte ist, dass extreme Müdigkeit eine ähnliche Wirkung zeigt wie gewisse Substanzen. Mein Handeln war also, obwohl ich weder Alkohol noch Drogen konsumiert habe, nicht mehr ganz rational. Nachdem sich mein Organismus entgegen meiner Forderungen in den Ruhezustand geschaltet hat, musste ich mich gezwungenermaßen doch ins Zelt legen, in dem unzählige Viecher bereits auf mich gewartet haben. Aber so leicht wollte ich es ihnen nicht machen. Ich musste die angreifbare Körperfläche minimieren, um es nicht nur Insekten, sondern auch Stiften schwer zu machen. Also lange Hose und Regenjacke an. Die Hände in die Ärmel stecken, Kapuze auf und zuziehen. Das ist zwar objektiv gesehen fast das Dümmste, das man auf einem Festival im Hochsommer machen kann, aber weitaus nicht so schlimm wie angemalt oder von Insekten erkundet zu werden. Deshalb war mir das in dem Moment einfach egal. Gut, eigentlich war ich einfach schon so übermüdet, dass mein Gehirn es nicht mehr geschafft hat, solche Zusammenhänge herzustellen. Ich verkroch mich also fett eingepackt ins Zelt, in dem es so gerochen hat, als ob ein paar Ratten schon länger tot drinnen gelegen haben als das Festival überhaupt dauert. Aber auch das war mir egal. Hauptsache schlafen.

Mein Fazit und meine Empfehlung an alle, die ein Festival nüchtern überstehen wollen oder müssen: Schaltet euer Hirn aus, schraubt eure Ansprüche runter, nehmt am besten gar nichts—und vor allem nicht euch selbst—ernst und lasst einfach alles auf euch zukommen. Dann könnt ihr auch nüchtern ein geiles Festival erleben.

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