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So gehen Wiener Clubs mit sexueller Belästigung um

Wir haben mit den Clubbetreibern über ein schwieriges Thema gesprochen.

Mit freundlicher Genehmigung von Deep Jackin' Acid. Auf ihren Fotos wurde niemand sexuell belästigt.

Aus der Kolumne '#NichtMehrWegschauen'

"Ich würde dich gerne verzahn", "Darf ich an deinen Haaren riechen", "Sollte ich jemals Multimillionär werden, kauf ich dich". Wir könnten locker den gesamten Artikel mit aufdringlichen Anmachsprüchen beim Fortgehen füllen. Solche Sprechdurchfälle brünstiger Partygäste, die sich nicht unter Kontrolle haben, sind nur ein lästiger Aspekt beim Ausgehen, der sowohl von Frauen, als auch von Männern oft als Teil einer besoffenen Nacht abgetan wird. Im Freundeskreis erzählt man sich eventuell gegenseitig die besonders dummen Sprüche und im besten Fall sind sie vielleicht einen Lacher wert.

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Ganz und gar nicht zum Lachen sind sexuelle Übergriffe, die in Clubs und Bars nach wie vor zum Alltag gehören. Sei es ein klassischer Po-Grapscher, unaufgeforderte Kussattacken oder "unabsichtliches" Berühren. Florentina*, eine regelmäßige Club-Geherin, kennt das Problem nur zu gut: "Ich bin da schon abgestumpft. Ich finde es traurig, dass man als Frau daran gewöhnt ist, weil es eh jedem passiert." Tatsächlich ist es so, dass es für Frauen teilweise tatsächlich kein Thema ist, wenn sie beim Ausgehen ungewollt angefasst werden.

Es wird als unvermeidbares Übel einer Partynacht in Kauf genommen. Manchen ist es gar nicht erst bewusst, dass Grapschen überhaupt ein Akt sexueller Belästigung ist. Dabei sind in Österreich solche Übergriffe seit letztem Jahr per Gesetz strafbar. Damit ist auch das ungewollte Anfassen von Gesäß und Oberschenkeln ein Sexualdelikt. Das gilt nicht nur innerhalb von Clubs und Bars, sondern überall. "Ich kann den Typen, der mir um vier Uhr in der Früh beim Würstelstand einfach so auf den Hintern greift, wenn ich gerade vom Fortgehen nachhause gehe, theoretisch anzeigen. Das Gesetz auf der eigenen Seite zu haben, ist schon einmal sehr wichtig für das Bewusstsein", sagt Astrid Exner, Mitbegründerin des Musik-Blogs Walzerkönig.

Der Diskurs in den Medien und innerhalb der Gesellschaft schaffte in der letzten Zeit gleichzeitig—vor allem bei jungen Partygehern—auch ein stärkeres Bewusstsein für das Thema. Frauen wehren sich gegen sexuelle Übergriffe, sei es verbal oder indem sie Vorfälle beim Security-Personal melden. Doch selbst hier möchten es manche nicht begreifen.

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"Wenn du angesprochen wirst und klar machst, dass du kein Interesse hast oder Männer aufforderst, das Grapschen zu lassen, werden sie oft noch hartnäckiger. Ein Nein wird selten beim ersten Nein akzeptiert", sagt Lara*. Claudia* nimmt sich bei solchen Übergriffen nie ein Blatt vor den Mund. Nicht selten reagiert der Belästiger mit Shaming: "Es wird dir dann sogar vorgeworfen, wie schüchtern oder prüde du nicht bist."

Auch wenn man sexuelle Belästigung meistens eher in Verbindung mit "Mann belästigt Frau" bringt, sind auch Männer davon betroffen. Doris* geht dann auch mal offensiver vor, wenn sie betrunken ist: "Manchmal gehe ich zu einem Typen und schmuse ihn ab. Einfach so. Aber es ist nicht so, dass sie mich wegstoßen oder verängstigt anschauen." Auch wenn uns keine genaue Statistik darüber vorliegt, lassen sowohl unsere subjektive Wahrnehmung als auch die fehlende mediale Berichterstattung darauf schließen, dass sexuelle Belästigung für Männer allgegenwärtiges Problem ist wie für Frauen.

"Das Problem ist, dass die Leute viel zu spät zum Security gehen, um sich über jemanden zu beschweren."

Einigen Wiener Clubs wurde in der Vergangenheit das Problem sexueller Übergriffe mehr oder weniger eindeutig vor Augen geführt. Vor nicht ganz einem Jahr bekam das Fluc per Mail und über soziale Medien vermehrt Beschwerden von belästigten Frauen. Eine Plakat- und Flyer-Aktion unter dem Motto "No means no!" sollte das Bewusstsein der Gäste schärfen und sie auffordern, sich aktiv bei den Securitys zu beschweren. Es wurden bauliche Maßnahmen bei der Frauen-Toilette getroffen, um die vormals dunklen Ecken zu entfernen. "Das Problem ist, dass die Leute viel zu spät zum Security gehen, um sich über jemanden zu beschweren", sagt Martin Wagner, Mitbegründer des Fluc.

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Mit freundlicher Genehmigung des Fluc.

Das Werk reagierte nach Beschwerden von Gästen und Veranstaltern mit einer Reihe von Maßnahmen. Neben sexueller Belästigung gab es auch Probleme mit Taschendieben und Dealern, die sicherlich auch auf die damals noch charakteristisch weiche Tür zurückzuführen waren. Benjamin Hötzendorfer vom Werk möchte nicht mehr wegschauen: "Wir haben unsere Türpolitik verschärft und versuchen, Leute herauszufiltern, die augenscheinlich nicht wegen der Party kommen. In der Regel wissen die Leute, die generell eine schlechte Attitüde an den Tag legen, nicht wie man sich Frauen gegenüber richtig verhält. Wir haben seit einigen Wochen einen extra Security mit Warnweste im Einsatz. Der/Die ist im Club unterwegs und achtet auf die Einhaltung der Spielregeln. Zusätzlich werden beim Eingang Flyer verteilt, auf denen die Gäste darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie sich bei Problemen an unser Sicherheitspersonal wenden können."

Mit freundlicher Genehmigung des Das Werk.

Die Grelle Forelle setzt darauf, ihr gesamtes Personal zu sensibilisieren. Vom Runner bis hin zum Chef vom Dienst sind alle dazu angehalten, bei auffälligem Verhalten die Securitys zu verständigen. "Es hängt natürlich immer davon ab, welche Party es ist und welche Acts dort spielen. Bei DJs, die eher breitenwirksamer sind, kommen dann viele verschiedene Gäste und da kann es vorkommen, dass ein Teil der Besucher nicht so auf dieses Thema sensibilisiert ist. Bei Goa-Partys beispielsweise spielt sexuelle Belästigung nahezu überhaupt keine Rolle, wenn ich das richtig einschätze", meint Geschäftsführer Johannes Piller-Giroud.

Der Volksgarten trifft ebenfalls zahlreiche Maßnahmen. Der Eintritt wird auffälligen Personen prinzipiell verwehrt. Bei Regelverstößen wird ein unwiderrufliches Hausverbot ausgesprochen. Um Frauen im Falle einer Belästigung die Hürde einer Beschwerde zu nehmen, werden auch weibliche Ordner und Sicherheitskräfte eingesetzt. Die Betreiber des Clubs sind sich jedoch bewusst, dass, trotz ihrer Maßnahmen, weibliche Gäste auch schlechte Erfahrungen machen können. Dazu meint Nora Turner, Marketingassistentin vom Volksgarten: "Wir wissen, dass man nie genug tun kann, um derartiges zu verhindern und wir wissen auch, dass man Belästigungen leider niemals gänzlich verhindern kann. Wo viele Menschen aufeinandertreffen geschieht mehr als in einem kleineren, nicht so frequentierten Club."

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"In der Richtung ist noch nichts vorgekommen."

Foto: Deep Jackin' Acid

Es gibt aber auch Clubs, die angeben, keine Probleme mit sexueller Belästigung zu haben

Christian Edy, Clubmanager der Pratersauna und des VIEiPEE, sieht bei beiden Clubs keine Probleme. In Richtung sexueller Belästigung sei ihm noch nichts untergekommen. "Gerade nach der versuchten Vergewaltigung einer Frau im Praterhauptallee haben wir überlegt, was wir tun können, damit das unseren Gästen nicht passiert. Bei einem Mädchen, bei dem die Securitys merken, sie ist alleine unterwegs oder hat zu viel getrunken, fragen wir nach und bieten eine Begleitung aktiv an."

"Es ist mir noch nie passiert, dass sich jemand über sexuelle Belästigung beschwert hat", sagt uns Stefan F., Geschäftsführer des Bollwerk Wien, "Wir gehen mit drei bis vier Sicherheitsleuten regelmäßig durch den Club. Beim Eingang werden sowohl Männer als auch Frauen abgetastet und ihre Taschen durchsucht. Manchmal finden wir bei den Kontrollen K.O.-Tropfen."

Lukas Grünbichler von Fusion Events, dem Veranstalter der Babenberger Passage, meint dazu: "In der Richtung ist mir nichts bekannt. Es ist bei uns kein größeres Thema. Wenn sich jemand bei uns beschwert, dann wird dem natürlich nachgegangen, aber da gibt es sicherlich eine Dunkelziffer, egal in welchem Club."

Wenn etwas ganz grundsätzlich nicht stimmt

Die Statements der Clubs sollten größtenteils positiv stimmen und das Gefühl geben, dass sich Frauen bei Partys grundsätzlich wohlfühlen müssten. Trotz "Po-Grapsch-Paragraf", engagierter Initiativen wie Club Courage oder dem klaren Bekenntnis und aktiven Maßnahmen einiger Clubs gegen sexuelle Belästigung, scheinen die subjektiven Erfahrungen weiblicher Gäste eher ernüchternd zu sein.

Alle befragten Frauen haben nach wie vor regelmäßig Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen. Florentina* ist offenbar nicht bewusst, dass man dagegen etwas tun kann: "Ich werde in so ziemlich allen Clubs, die mir einfallen, angefasst. Ich habe nie wahrgenommen, dass es den Clubs ein besonderes Anliegen ist, sexueller Belästigung entgegenzuwirken." Auch wenn es Clubbetreiber gibt, die ihrer Erfahrung nach keine Probleme mit Beschwerden und Übergriffen haben, sind sexuelle Belästigungen beim Fortgehen allgegenwärtig und spielen sich oft auch schon niederschwelliger als bei handfesten Übergriffen ab. Die Angaben, dass es keine Probleme in bestimmten Clubs gibt, ist umso verwunderlicher.

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Wenn eine Frau schon am Weg vom Westbahnhof bis zur Burggasse elf Mal von Männern belästigt wird, ist es keine große Überraschung, wenn sie beim Fortgehen nicht in Ruhe gelassen wird. Die Begründung, dass sowas nur wegen einzelner Idioten vorkommt, greift wohl auch zu kurz. Dafür kommen sexuelle Übergriffe viel zu häufig und flächendeckend in Clubs vor. Selbst gut gemeinte Initiativen sind zu wenig breitenwirksam aufgestellt und erreichen oft nur gewisse Personen innerhalb einer Blase.

Wenn trotz aktiver Maßnahmen von Clubbetreibern sexuelle Übergriffe weiterhin stattfinden, dann spiegeln Clubs nur ein generelles gesellschaftliches Problem wider. Die Betreiber können Verhaltensregeln setzen. Wie eine Partynacht verläuft, das bestimmen noch immer die Gäste. Bewusstseinsbildung, wie es Das Werk oder das Fluc betreiben, können zu einer Besserung führen, doch Belästigte sollten auch aktiv dagegen wirken. Wenn euch das nächste Mal jemand ungewollt anfasst oder sonst wie sexuell belästigt, lasst euch das nicht gefallen. Geht damit zum nächsten Security. Macht es nicht zu eurem Problem, sondern zu dem des Belästigers.

*Name von der Redaktion geändert.

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