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Das heuchlerische Comeback des Chris Brown

Die Amerikaner mögen Gewinner. Aber noch mehr mögen sie Verlierer, die zu Gewinnern werden.
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Foto: Eva Rinaldi | Wikimedia | CC BY-SA 2.0

Heute erscheint Chris Browns sechstes Studioalbum X. „Was interessiert mich das?“, werdet ihr euch fragen. Zu Recht. Eigentlich sollte es uns nicht kümmern, was Chris Brown macht. Schließlich hat er schon genug angerichtet. Chris Brown wird immer der Typ bleiben, der Rihanna krankenhausreif geschlagen hat. Das ist vielleicht unfair, andererseits ist es nicht so, dass er all die Jahre etwas gegen dieses Image unternommen hätte. Andauernd liefert er sich irgendwelche Gefechte, hat sich öfter als homophob geoutet und scheint generell nicht ganz klar zu kommen. Dabei haben wir noch gar nicht über seine Musik gesprochen. Kein Chris Brown-Lied klingt wie das andere, dennoch hören sie sich alle gleich an: Jeder Song ist auf Hit polierter Schund, immer einen Schritt hinter dem Zeitgeist, damit sich auch wirklich jeder mit dem Trend identifizieren kann. Schamlos bedient er sich an allen möglichen Musikrichtungen, in letzter Zeit vornehmlich an europäischer Clubmusik. Oder eben was Amerikaner für europäische Clubmusik halten. Nun leben wir in einer Welt, in der jemand wie Brown fast 40 Millionen Facebook-Fans hat und Arenen ausverkauft. Übrigens auch bei uns. Was in Ordnung ist, manchmal bekommt die Menschheit eben doch das, was sie verdient:

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Das Schöne an unserer Spezies ist aber, dass sie sich selbst reinigt. Langsam aber sicher wurde es uns zu viel mit der ewig gleichen Breezy-Leier und irgendwann fingen wir an, den Guten zu ignorieren. So sehr, dass kaum jemand mitgekriegt hat, dass Brown im Gefängnis und im Entzug war. Er wurde wegen guter Führung entlassen und besuchte Anti-Aggressionskurse, wie man das in Amerika so macht, wenn man seine Familie, seinen Arbeitsplatz oder das komplette öffentliche Interesse an seiner Person verloren hat.

Denn es gibt da etwas, wonach man in Amerika fast schon lüstert: das Comeback. Die Amerikaner lieben Gewinner, doch noch mehr lieben sie Verlierer, die irgendwann zu Gewinnern werden. Die Cinderella-Story. Nach diesem Prinzip funktioniert jeder Sportfilm aus den 90ern.

Nachdem Brown frühzeitig entlassen wurde, gab er sich in öffentlichen Auftritten kleinlaut und geläutert. Er erklärte in einem Interview mit Sway, dass er wegen dem Vorfall mit Rihanna immer noch zur Therapie gehe. Auch das Kriegsbeil mit Drake wollte er begraben. „Ganz besonders, nachdem ich aus dem Gefängnis kam, hegte ich gegenüber niemandem irgendeine Feindseligkeit.“

Um seine Karriere zu retten, muss Brown Reue zeigen, so sind die Gesetzmäßigekeiten, wenn du im öffentlichen Raum spielen willst. Doch was ekelhaft ist, ist die Tatsache, dass alle plötzlich auf den Comeback-Zug von Breezy aufspringen. Sei es ein Sway, der ihm im Interview die Absolution erteilt: „You’ve been down that road. You’ve evolved” oder ein Drake, der sich medienwirksam als großer Gönner inszeniert und sich mit Brown im Studio ablichten lässt oder bei den ESPY mit ihm vor die Kamera tritt.

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Doch es sind nicht nur die Beiden. Fast alles, was Rang und Namen hat, gibt sich auf seinem neuen Album die Klinke in die Hand: Kendrick Lamar, Lil Wayne, Rick Ross, Nicki Minaj, Jhene Aiko. Das hat weniger damit zu tun, dass die Leute wirklich denken, dass aus Saulus Paulus geworden ist. Doch bei einem erfolgreichen Comeback von jemandem mit einem solchen Verkaufspotenzial wie Brown will natürlich jeder seinen Teil vom Kuchen haben.

Da passt es ins Bild, dass Breezy verkündete, sich bei dem Album „auf seine musikalischen Wurzeln beruhen zu wollen”. „Ich habe versucht, mich von Euro-Beats fernzuhalten und nicht kompletten Pop zu machen. Ich wollte den Quincy Jones-Ansatz verfolgen. Das Album ist eine Hommage an die Stevie Wonders, die Michael Jacksons, die Sam Cookes. Ich wollte die klassische Essenz von R’n’B und Soul mit neuer Musik verbinden. Da sind viele Live-Instrumente und viel weniger Auto-Tune. Ich wollte meine stimmlichen Fähigkeiten wirklich beweisen, und einen Vibe kreieren, wie ich mit einer Band singe.”

Bullshit!

X sollte eigentlich schon im April 2013 erscheinen, also lange vor seiner Zeit im Gefängnis. Bis heute wurden allerdings schon sieben Singles releast. Auf dem Album sind über 20 Produzenten angegeben, was jede Stringenz auf dem Album zu nichte macht. Das Einzige, was sich durch jeden Chris Brown-Song seit Anbeginn der Zeit zieht, sind die künstlichen Synthis, die im Universum von Brown die Hits ausmachen. Es macht allerdings auch keinen Sinn, sich großartig über ihn zu echauffieren. Der Typ wurde mit 16 ein Superstar, weil er gut aussieht und tanzen kann. Was will man da erwarten.

Was aber durchaus aufregen kann, ist das doppelte Maß, mit dem Künstler, die eigentlich mehr drauf haben, sich an seiner Personalie gerade bedienen. Auch wenn sie wissen, dass Chris Brown musikalisch kein künstlerisches Potenzial, warum holen sie ihn dann wieder in ihre Mitte, außer um Kohle zu verdienen? Ob es uns gefällt oder nicht, aber die Popindustrie kann verdammt verlogen sein.

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