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Rap unter dem Monokel

Ein Literatur-Professor hat Texte von Money Boy, Karate Andi und Prinz Porno analysiert

Wie literarisch sind die Raptexte von Karate Andi und Prinz Porno? Und: Ist Money Boy ein Genie? Wir haben mal wieder wichtige Fragen geklärt.

Seit sich das Feuilleton mit Straßenrap beschäftigt, Politiker öffentlich mit Rappern kommunizieren und HipHop Einzug in die Mainstreamkultur hält, stellen sich immer mehr und—vor allem—immer größere Fragen zu der Kunst des Rap. Zum Beispiel: Wie qualitativ hochwertig sind die Lyrics der Deutschrapper? Ist Prinz Porno wirklich so porno? Hat Karate Andi verstecke Messages? Und: Wie viel lyrisches Gold steckt in Money Boys Texten? Fragen über Fragen. Wir versuchen Antworten zu finden, indem wir einen Experten heranziehen.

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Um herauszufinden, wie lyrisch gehaltvoll die Rap-Texte tatsächlich sind und wie beeindruckend die Reime sein können, haben wir das Urteil eines objektiven Außenstehenden gesucht und einen mehr als fähigen Experten gefunden, der sich bereitwillig mit den Texten unserer Lieblingsrapper auseinandergesetzt hat: Professor Doktor Sven Hanuschek ist Publizist und Professor am Institut für deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und kennt sich ganz hervorragend mit Literatur und deutscher Sprache aus.

Karate Andi—„Willkommen im Karateclub“

Das ist Mucke gegen Bonzen mit ihrem Platinschmuck
Das ist Andi, willkommen im Karateclub
Mir doch egal ob ich deinem Vater gefalle
Pilsatør Platin, Karate für alle

Wie hat Ihnen der Text gefallen?

Ich fand ihn eigentlich ganz amüsant. Sein Dissen ist doch ziemlich lustig. Ich habe allerdings auch nicht wirklich gesehen, was er darüber hinaus für eine großartige eigene Botschaft hätte. Wenn ich an frühere Texte denke, die wir hier besprochen haben, gab es da schon einige, die stärker eine Perspektive aufzeigen oder Identifikationsmöglichkeiten anbieten wollten. Darum geht es aber wahrscheinlich gar nicht. Ansonsten wirkt der Text noch ganz frisch.

Warum bist du stolz, dass du ein deutscher MC bist?
Ey was laberst du?
Du bist nich Kurt Cobain
Geh mal nach Hause, hör deine Curse CD
(Was reimt sich denn dadrauf?)
Hmm, Wörthersee
An seinem Geburtstag klau ich Torch sein Hörgerät

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Was sagen Sie zur den Reimen und der Sprache?

Ich habe das wie einen Kneipenmonolog gelesen. Er hängt so am Tresen und teilt rundherum aus. Es hat auf jeden Fall was von einem Stammtisch-Gespräch („Ich sitz in Bars bis ich lalle“). Die Reime sind ganz witzig. Von der Wortwahl her ist der Text insgesamt nicht sehr gesucht. Dadurch wirkt es dann ziemlich flott, weil man nicht lange über einzelne Ausdrücke und Namen nachdenken muss. Es ist auch ziemlich lustig und nicht pc, dass man älteren Rappern, wie hier Torch, sagt, dass er sein Hörgerät braucht.

Wen, glauben Sie, will er vor allem dissen?

Ich habe angenommen, dass es vor allem gegen Bonzen mit Platinschmuck geht. Also Rapper mit Weihnachtsbaum-Behängung oder was immer dann der Schmuck sein mag. Im ersten Part merkt man das am meisten. Zum Beispiel der „Wörthersee“ ist ja der Inbegriff von Spießigkeit. Er arbeitet da auch mit Vergleichen. Insgesamt geht es mehr um Selbstüberschätzung Anderer, als dass er sich selber über sie setzt. Das sonst Übliche—dass man aus sich selber den ganz starken Mann machen muss—ist hier nicht der Fall. Alles wirkt sehr entspannt, weil es eben so ein Stammtisch-Gespräch ist. Was Tom Cruise da macht, verstehe ich allerdings nicht. Warum soll er denn ein „whacker MC“ sein? Soweit ich weiß, ist er Schauspieler… In dem Zusammenhang würde ich mal annehmen, dass hier der Mission Impossible-Cruise gemeint ist, der Action-Schauspieler, nicht der Kubrick-Schauspieler.

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Haftistyle, Hitlergruß, Servus
Karate Andi, Swingerclub Stammgast
Tom Cruise ist ein whack-MC
Will ich realen rap hören, hör ich Def Benski

Was erfahren Sie über den Rapper selbst?

Das Selbst wird schon gesetzt. Wenn man aber rauslesen wollte, wo er sich selber sieht, wird das schon schwer. Er nennt den Karateclub, der mir aber nicht viel sagt. Vielleicht hat es was mit dem Film Fight Club zu tun, auch wenn die da boxen und kein Karate machen. Wobei im zweiten Part schon eine Verortung in Berlin stattfindet. Das merkt man zum Beispiel an der Hermannstraße. Und es geht auch viel um bestimmte Drogen, Acid, Speed und Crack. Das scheint mir aber nichts besonders Aktuelles oder Neues zu sein. Diese Drogen gab es auch schon früher. Von sich selbst sagt er noch, dass er Stammgast im Swingerclub ist und dass er gerne Def Benski hört. Und dass es ihm egal ist, ob er meinem Vater gefällt. Aber auch das ist nicht sehr provokant oder rau, sondern immer noch sehr nett eigentlich.

Ouha, du kannst übertrieben Doubletime spitten
Und hast Gegnerbezug (Du bist nich Busta Rhymes Nigga)
Weil deine Freundin früher Vaginalpilze verschenkt hat
Hat die heute jeder Neuköllner Sozialhilfeempfänger
Und Wowereit hat mal was über U-Bahn gesagt und dann so meine Reaktion
Ey ist der schwul oder was?

Also finden Sie den Text vor allem unterhaltsam?

Ich habe ihn tatsächlich vor allem als unterhaltsam gelesen. Er wirkt entspannter als die anderen, weil nicht so viel reingepackt ist. Deshalb weiß ich allerdings auch nicht, wie haltbar so ein Text ist. Wird man ihn in ein paar Jahren noch lesen beziehungsweise hören wollen? Das wird allerdings auch thematisiert, indem er sich zum Beispiel über ältere Modeerscheinungen wie Ed Hardy lustig macht. Andererseits hatte ich den Eindruck, dass das schon fast wieder eine Modegeste ist. Zumindest geht es schon auch um eine Zugehörigkeit, die auch kommuniziert werden soll. Sicherlich geht es weniger um die Beschreibung eines sozialen Problemviertels. Dafür ist die Verortung nicht existentiell genug.

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Ich ficke schwer behaarte Rentnerhoes mit sehr sehr starken Gangsterflows
Das sind Raps von der Hermannstraßenendstation

Können Sie Karate Andi denn einer bestimmten sozialen Schicht zuordnen?

Diejenigen, die er anschreit, sind ja offensichtlich die mit viel Geld. Er selbst sitzt aber mit einem „Pilsator Platin“ da, also womöglich einem eher teuren Bier. Also ist er nicht ganz unten—es ist kein Gangsterrap—und er ist nicht ganz oben. Vielleicht in der unteren Mittelschicht. Um von einer sozialen Schicht zu sprechen, die perspektivlos ist, finde ich es insgesamt wirklich nicht existentiell genug. Dafür ist es zu witzig, zu unterhaltsam, zu sehr vor sich hin gesprochen. Alles ist im Fluss—im Flow müsste man ja jetzt sagen (grinst). Es ist sicherlich eine Verständigung unter seinesgleichen und insofern hat es natürlich mit Identität zu tun, ein dramatisches Sich-selbst-Vergewissern ist es nicht. Ein entspannter Text ist ja auch nichts Schlechtes.

Du bist nichts du extrovertierter Rap-Nazi
​Du battlest zum Beat mit Sweater und Jeans von Ed Hardy
Ich verkaufe Acid und Speed auf Crackpartys
U8, Tunnelschacht (breakdancebattle)

Prinz Porno—„Keine Liebe“

Bevor sie mich holten, wusste ich, sie würden kommen
Jetzt sitze ich im Knast und werd jeden Tag vernommen
Wegen Bomben, die ich baute, nannten sie mich Attentäter
Terrorist, Gegenläufer und Verräter
Aber später werden Menschen, die wie ich sind euch regieren
Und so sage ich mir täglich, nur den Glauben nicht verliere

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Was ist Ihnen bei dem Text besonders aufgefallen?

Zunächst einmal, dass er von den drei Texten der komplexeste ist. Ich fand ihn ziemlich spannend, weil es offensichtlich um Paranoia und ganz stark um Verschwörungstheorien geht. Und das Aufregende ist, wie sich der Sprecher dabei selbst verortet. Das ist gar nicht so klar. Einerseits wird ganz oft ein Überlegenheitsgefühl kommuniziert („Prinz Pornobi-Wan Kenobi, letzter Jedi-Ritter“), wenngleich eher auf eine komische Art und Weise. Andererseits gibt es keine großen Kraftgesten. Man könnte ja sogar annehmen, dass es ein Sprecher mit paranoiden Zügen ist, der selber den Verdacht hat, dass er nicht so ganz in Ordnung ist. Er misstraut der eigenen Paranoia. Zwischendurch hat er aber den Verdacht, dass er immer Recht hat. Das wird wiederum als Frage formuliert, nicht ganz ungebrochen also.

Untergrund ist Medizin, Rap Antidepressiva
Gegen Hiphop-HIV, auch bekannt als Viva
Wer will Liebeslieder und wer will tighte Raps
Ich will raus aus diesem Knast, mein Mikro, Geld und Sex

Worin erkennen Sie die Verschwörungstheorien und die Paranoia?

Das merkt man vor allem im zweiten Part. Die Auswahl ist eigen: Die Rosenkreuzer, die Triaden, dann Hitlers Ufos, die die USA kontrollieren. Die USA reimen sich auf Pablo Escobar. Und in Zeilen wie „Eben weil ich zuviel wusste, wurde ich eingekerkert“ merkt man die Paranoia, die sich eben darin äußert, dass er überall Hass und Zerstörung sieht („Ich sehe Hass und Zerstörung, Berlin-West, keine Liebe / Zensur und RTL formten mich zum Psychopathen“). Das ist ja die typische Struktur: Man fühlt sich verfolgt und bezieht alles auf sich. Der übliche Rapgestus—die totale Selbstüberhebung—wird hier als paranoide Struktur denunziert. Und das geht sehr ans Fundament.

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Dass das alles so formuliert ist, dass man es schwer einordnen kann, macht den Reiz aus. Man kann eben nicht sagen, wo er selber steht. Er tut offensichtlich selber, was er als paranoid denunziert, und beschwert sich dann im dritten Part darüber. „Hier kommt Anti gegen Alles, ich misstraue auch mir selbst“. Der Text hat also einen doppelten Boden: Welche Seite der beiden soll man denn nun ernst nehmen? Die Irritation bleibt, vor allem durch die Schlusszeilen: „Yeah, yeah, Mikrokosmos, Rap-Soldaten, Untergrund bis zum Tod, nigga! Yeah, yeah, wir töten euch alle, yeah!“ Wer spricht da? Ist das jetzt der Paranoiker oder ist das der, der zweifelt? Das Reizvolle ist diese ständige Wechselposition.

Die Welt wird kontrolliert von Rosenkreuzern und Triaden
Mafioso Majorlabels, Militärs und Syndikaten
Der Vatikan führt einen Krieg um Kokain
Gegen CIA und Contras und natürlich Westberlin
Adolf Hitler seine Ufos kontrollieren die USA
Bill Gates ist nur ein Klon von Pablo Escobar

Es hat begrifflich oft einen Bezug zur HipHop-Szene. Wie haben Sie das verstanden?

Das stimmt, aber die Einordnung fand ich schwierig. Er benutzt Bildlichkeiten wie „Hippies und Versager“, die ins „HipHop-Arbeitslager“ kommen. Trotzdem weiß man aber nicht, wohin man das stecken soll. Was mich irritiert hat, war dieser „Mikrokosmos“, von dem vor den „Rapsoldaten“ die Rede ist am Ende. Wer ist der Mikrokosmos? Da stellt sich auch die Frage nach der Perspektive—er sagt, dass Untergrund zu sein heißt, tot zu sein. Daher weiß man nicht, ob er sich zum Mikrokosmos zählt oder eben nicht. Auf jeden Fall bringt er durchgehend eine anti-kommerzielle Haltung zum Ausdruck. Und es ist immer ein uneigentliches Sprechen. Deswegen kann man sich daran länger abarbeiten, er ist nicht leicht auflösbar. Das wird besonders durch die ständigen Selbstrelativierungen erzeugt.

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Eingeknastet mutiere ich von selbst zum Raproboter
Töte Majorlabel-MCs und vor allem Dida Dodder
Jeden Tag sterben Kinder, es gibt neue Kriege
Ich sehe Hass und Zerstörung, Berlin-West, keine Liebe

Als selbstgefällig würden Sie den Sprecher also nicht bezeichnen?

Nein. Dafür sind zu viele Krankheits-Bildlichkeiten drin. Wenn der Rap als Antidepressivum wirkt und der Untergrund oder der Mikrokosmos die Medizin ist, dann ist man ja erstmal krank. Und ich würde es dann nicht als ein überhebliches Sprechen bezeichnen. Sicher ist es eine starke Botschaft, wenn man so will die Rapbotschaft: „Ich bin tight, ihr seid whack“. Durch den Vorlauf kann man die aber nicht ungebrochen verstehen. Letztlich scheint es mir das Aussprechen von einem Lebensgefühl zu sein, nicht etwa einer bestimmten Botschaft oder einer Handlungsanweisung. Das klappt bei einem Text nicht, der so unentwegt uneigentlich formuliert ist.

Wie kann so etwas Gutes so falsch sein?
Warum ist so etwas Schönes so schlecht?
Weshalb gibt es auf der Welt keine Liebe?
Und weswegen hab ich eigentlich immer recht?

Was ist Ihnen sprachlich sonst noch aufgefallen?

Es gibt ein paar schöne Beschimpfungen: „Gegen Hip Hop-HIV, auch bekannt als Viva“. Dass man den Kanal auf diese Weise setzt, lässt ja auch auf eine anti-kommerzielle Haltung schließen. Oder auch die Zeile „Rapeinzelhaft in einem Knast ohne Musik/ Und ich schlage eine Delle in die Zelle für den Beat“ ist mir aufgefallen. Das spricht sich ja so schon ganz gut.

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Es ist Rap-Einzelhaft in einem Knast ohne Musik
Und ich schlage eine Delle in die Zelle für den Beat
Dann fang ich an zu rappen bis der Aufseher schreit
Er kann mich boxen, wie er will, ich sage weiter ich bin tight

Der Text ist durchgehend paargereimt. An ein paar Stellen ist der Reim nicht so ganz exakt, aber auch dann bleibt es ein relativ entspanntes Sprechen. Es sind auch dann keine extrem gesuchten Reime. Insgesamt fließt es ganz gut. Es gibt nicht so schrecklich viel Spezialvokabular. Wobei es auch hier wieder Stellen gibt—ich frage mich, was Jason bei der Pocahontas macht. Man muss hier und da schon mal rätseln, was wirklich gemeint ist, aber im Großen und Ganzen bietet die Sprache her keinen großen Widerstand. Es geht ihm offenbar auch darum, verstanden zu werden. Der anspruchsvolle Umgang mit uneigentlichem Sprechen, mit Verschwörungstheorien und Paranoia bietet eigentlich schon so viel Komplexität, dass er nicht noch einen zusätzlichen Widerstand über die Wortwahl bieten will, scheint mir. Diese Brechung soll man dann auch wirklich verstehen. Und das ist nicht gerade selbstverständlich in Anbetracht von einigen Texten, die ich bis jetzt schon vorgelegt bekommen habe.

Meine Bibel hat sechs Worte: "Ich bin tight, ihr seid wack!"

Money Boy—„Choices“

Hast du je gesnitched? (Nope)
Fickst du eine Bitch? (Yup)

Wie fanden Sie diesen Text? Eignet er sich überhaupt für eine Literaturkritik?

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Ich fand ihn erstmal ganz witzig. Wenn man das Analysieren aber wirklich anfängt, ist nicht mehr so viel übrig. Er hat eigentlich ein ganz einfaches Schema, nämlich das der Liste: der ‚Mag-ich-mag-ich-nicht‘-Liste.

Magst du Girls? (Nope)
Sagst du "Burr!"? (Yup)

Was sagen Sie zu der Sprache und den Reimen?

Es ist extremer ‚Insidersprech‘. Er hat sich alle Mühe gegeben, in jeder Zeile ein bis zwei Wörter zu finden, die für die ‚Gemeinde‘ verständlich sind, für Außenstehende nicht. Er nennt viele Musiker, die er nicht gut oder eben gut findet. Das kann ich natürlich alles nicht beurteilen, weil mir die Namen zum Großteil nichts sagen. Die Reime sind dann aber auch nicht so richtig passend, zum Beispiel bei „Kendrick“ und „Sandwich“ oder „Boys“ und „Royce“ oder „Genetikk“ und „Cocain mit“. Es sind schon ganz amüsante Reime dabei, hier eine stark gesuchte Wortwahl. „Hitler“ auf „Liquor“ oder auf „Pizza“ sind schon Aua-Reime, die nicht wirklich gut funktionieren. Wenn man sie aber so einsetzt, ist das dann schon komisch. Was ich auch noch relativ lustig fand, ist, dass die Namen mit Verwandten assoziiert werden. Er mag zum Beispiel Esta nicht, aber er mag seine Schwester. Er mag Weekend nicht, aber seine Omi.

Magst du Hitler? (Nope)
Magst du Pizza? (Yup)

Was erfahren Sie sonst noch über den Künstler?

Dafür muss man, denke ich, die ganzen Namen wirklich kennen. Und das tue ich nicht. Insofern kann ich auch schlecht entscheiden, ob es Ernst oder ein Spiel ist. Offensichtlich verortet er sich nicht nur in der deutschen Szene. Und offensichtlich will er unbedingt zu einer bestimmten Szene dazu gehören. Er will das ‚Game‘ mitspielen, die Drogen abfeiern. Extrem auffällig ist, dass der Sprecher sich permanent fragen muss, ob er nun Männlein oder Weiblein ist, nein—ob er nun homo oder hetero ist. Diese Frage wird ungewöhnlich oft gestellt. „Lickst du dicks?“ „Bist du schwul?“ „Fickst du Dudes?“ „Bist du gay?“ Sogar in der Hook kommt es vor. Schwul wird dann auch noch auf cool gereimt.

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Isst du Brei? (Nope)
Bist du fly? (Yup)

Bringt das eine starke Maskulinität zum Ausdruck?

Nein (lacht). Eben nicht. Dadurch, dass ständig danach gefragt werden muss, kann man natürlich zurückfragen, ob da irgendwo ein Problem liegt. Andererseits steckt man immer in den Reimstrukturen und dann läuft das wahrscheinlich irgendwann von selber. Vielleicht hat er auch einfach immer den nächstliegenden Reim genommen. Der ganze Gestus scheint mir aber so zu sein, dass er unbedingt ‚dazugehören‘ will. Wenn jemand sechsmal sagen muss, dass er nicht schwul ist und in jeder Zeile sagen muss, dass er dazu gehört, dann scheinen das Dinge zu sein, an denen er zweifelt. Das heißt, entweder ist es tatsächlich dieser Zweifel, den er mit dem Rappen übertünchen muss, oder es ist tatsächlich ein ironisches Sprechen—ich weiß es nicht.

Fickst du mit Kendrick? (Nope)
Isst du 'n Sandwich? (Yup)

Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen?

Es sind wirklich starke Infantilismen drin. Die können auch ganz schön komisch sein. „Isst du Brei? (Nope) Bist du fly? (Yup)“. Ansonsten bleibt eigentlich alles (außer der starken Verortung in der Musikszene) sehr diffus. Und er hat offensichtlich ein Problem mit seiner geschlechtlichen Identität. Er mag ja auch keine Girls. Das ist eine Nope-Frage. Er ist nicht schwul, mag aber auch keine Girls. Wenn er weder noch ist, ist er vielleicht eine Quitte, mit Tex Rubinowitz zu sprechen. Durch das viele Hin und Her wirkt der Text nicht so sexualisiert wie bei vielen anderen Rappern. Das passt dann auch in den Zusammenhang, dass man sich erstmal vergewissern muss, dass man keinen Brei mag. Gleichzeitig gibt es aber auch so ein starkes Forcieren von Drogen: Kokain hat er dabei, Sizzurp trinkt er. Dann mag er noch gerne Pizza und Sandwich. Das könnte man ja in die Drogenreihe mit einfügen: Kokain, Hustensaft, Sandwich und Pizza.

Bist du ein Veganer? (Nope)
Bist du fly wie Adler? (Burr) (Yup)

Sie kommen also nicht so richtig dahinter, was er sagen oder wofür er stehen will.

Vielleicht steckt die Auflösung in der letzten Zeile: „Lebst du Yolo?“ Das ist ja, glaube ich, auch eine Zigarettenwerbung? Ich kenne es zumindest als Auto-Aufkleber. Wenn man das als Schlusswort nimmt—you only live once—dann klingt es einfach nach Übermut und Lebenslust. Und dann wird das Ganze zum Jux. Ansonsten geht es auch noch um Cash-Flow, sehe ich gerade. Und auch die Zeile „Fliegt hoch oder wir fliegen über euch drüber“ ist sicher ein Ausdruck dieser Rapper-Arroganz. Dann ist aber von der Eagle-Gang die Rede, und soweit ich weiß, sind Adler eher alleine in der Natur. Da gibt es keine Gang, also ein Widerspruch in sich. Je länger ich draufstarre, ist es ein ganz großer Topos, glaube ich, dass einem das Geschlecht wirklich egal ist. Es ist ja immer von beidem die Rede. Das wird so lange hin und her gedreht, bis es egal ist. Durch diese Familienbezüge vermischt er außerdem auch noch die Altersstufen. Der Boy ist vermutlich noch eher jung, und dann auch immer mehr eine Phantasiefigur. ‚Money Boy‘ ist jemand, der eine Rolle spielt, um zum Geld zu kommen. Das sagt er ja deutlich, er scheint das Geld offensichtlich zu mögen.

Magst du Weekend? (Nope)
Seine Omi? (Yup)

Authentisch kommt es Ihnen also nicht vor?

Nein. Für authentisches Sprechen ist die Wortwahl zu gesucht. Jede Halbzeile muss sich mit der darauffolgenden reimen. Es sind viele Wörter drin, die man nachschlagen müsste. Ich kann mir auch nur ganz schwer vorstellen, dass sich jemand so unterhält. Nicht besonders authentisch; das Vermischen von deutscher und englischer Sprache zeigt zu deutlich einen starken Zugehörigkeitswillen. Deutsch allein scheint ja unerträglich zu sein—deswegen kann man auch nicht sagen „Mag ich“ und „Mag ich nicht“, sondern muss dann „Nope“ und „Yep“ sagen, weil es halt ‚irgendwie‘ cooler klingt.

Fick mit dem Boy
Fliegt hoch oder wir fliegen über euch drüber
Eagle Gang, Burr

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