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Fatima Al Quadiri macht keine Musik für Gleichgesinnte

Wir haben mit der Künstlerin über ihr neues Album "Asiatisch", Sino Grime und Einflüsse geredet. Eigentlich sogar über noch viel mehr.

Fatima Al Qadiri hat keine Zeit zu schlafen. Die im Senegal geborene und in Kuwait aufgewachsene Konzept- und Multimediakünstlerin aus New York City schreibt die Kolumne Global Wav. für das DIS Magazin, bringt Platten auf Fade 2 Mind—dem Schwesterlabel von Night Slugs aus L.A.—raus, arbeitet mit J-Cush und Nguzunguzu in der progressiven R&B Supergroup Future Brown zusammen und veröffentlicht im Mai ihr Debüt-Album Asiatisch auf Hyperdub Records. Bei diesem Arbeitspensum könnte man erwarten, sie erschöpft zum Interview zu treffen—aber Fatima Al Qadiri wirkt aber wach, bedacht und souverän.

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Asiatisch ist ein einzigartiges Album. Es betrachtet eines der faszinierendsten und trotzdem noch unerörterten Motive zeitgenössischer elektronischer Musik—Sino Grime, die häugige Verwendung synthetisch nachempfundener östlicher Streichinstrumente—und liefert eine neue Darstellung davon, wie westliche Konzepte und Vorurteile von asiatischer (präziser: chinesischer) Musik immer noch vorherrschen.

In unserem ausführlichen Interview spricht Fatima Al Qadiri mit Lauren Martin über ihre Beziehung zu Sino Grime, geht dabei sowohl auf die konzeptionelle Schubkraft als auch die Tatsache einer Vorstellung von China ein und erzählt wie die Erweiterung von elektronischer Musik ihren selbstbestimmten Arbeitsethos bestärkt.

THUMP: Du hast in Europa, Großbritannien, den USA und Asien gelebt, wo und wann hast du das erste Mal von Grime gehört? Hast du in den frühen 2000ern in London gelebt, als das alles los ging?

FAQ: Ich war in New York, als ich das erste Mal von Grime und von Dizzee Rascal hörte. Sein Foto war hier auf einmal in allen Magazinen. Ich denke die erste Platte, die mich wirklich gepackt hat, war „Treddin’ On Thin Ice“ von Wiley. Ich weiß von diesem ganzen Zusammenhang mit dem Konzept des ‚Hardcore Continuums‘ und so weiter, aber ich hatte wirklich das Gefühl, dass es ein großer Bruch mit vorheriger Chart-Musik war.

Ich habe 2004/2005 kurz in London gelebt, aber ich wusste nicht so viel über Grime. Niemand von den Leuten, mit denen ich rumhing, ging zu Grime-Veranstaltungen. Sie standen alle sehr auf Disco, also hatte ich damit nicht sehr viel Berührung. Ich habe mir die Sachen nur online angehört und alles runtergeladen, was ich finden konnte, aber ich wusste einfach nicht, wonach ich suchen sollte. Das kam erst Jahre später, als ich 2010 J-Cush von Future Brown getroffen habe. Er ist ein wandelndes Grime-Lexikon. Er hat mein Wissen wirklich erweitert. Bevor ich ihn traf, hätte ich dir vielleicht zehn Grime-Künstler aufzählen können, aber ich kannte die ganzen Feinheiten, die Instrumente, die Crews, die MCs nicht. J-Cush war mein Lehrer.

Ich hatte auch erst vor kurzem die Möglichkeit, Grime-Künstler live zu sehen; das erste Mal, dass ich Ruff Sqwad sah, war auf einer eurer Future Brown-Shows.

FAQ: Wow, das war für mich auch das erste Mal! Die Tatsache, dass ich seit Jahren Ruff Sqwad-Fan bin und sie zum ersten Mal sah, als sie über unsere Tracks rappten, ist einfach unglaublich. Surreal.

Ich hörte, dass die Polizei das Konzert eigentlich wegen des Auftritts von Ruff Sqwad verbieten wollte.

FAQ: Die Sache mit Grime ist, dass es in Großbritannien ein ziemlich brisantes Dasein gefristet hat und die Polizei regelmäßig Grime-Partys beendet hat. Dieses Fiasko im Barbican zum Beispiel—das passiert nicht bei Partys, bei denen Bands involviert sind. Es tut mir leid, dass ich das so schwarz-weiß malen muss, aber das ist einfach so. Die Tatsache, dass es den Trident gibt und dadurch seit Jahren Partys dicht gemacht werden, hat dazu geführt, dass es in London und anderen Städten seitens der Polizei einen gezielten Versuch gibt, die Grime-Kultur lahmzulegen. Das ist sehr, sehr entmutigend und für die MCs und Fans sehr tragisch. Grime wird weiterleben, aber durch diese Situation bei den Clubnächten wirkt es, als sei die physische Manifestierung der Musik verboten.

Was spricht dich an Grime so an?

FAQ: Es gibt etwas sehr unschuldiges am Grime. Es hat so einen kindlichen Sound, aber gleichzeitig ist es auch unglaublich böse. Es klingt wie die Szenen mit Bösewichten in Comics und Videospielen. Außerdem hat es etwas wirklich schmerzhaft digitales—und wenn ich schmerzhaft sage, meine ich das positiv. Das war so ein massiver Aufbruch; wie eine klangliche Zusammenfassung aller Dinge, die mich als Kind angesprochen haben.

Wenn Grime Architektur wäre, dann wäre es Brutalismus, denn Brutalismus steht für Beton. Poetisch, aber sehr rau. Die Leute lieben es entweder oder hassen es. Es gibt kein Zwischending, Grime ist wie Brutalismus eine Zäsur. Ich habe das Gefühl, dass es irgendwie eine Verbindung zwischen den beiden Stilen gibt. Wenn man Musik in physischer Form repräsentieren könnte, wäre es genau das.

Wie hast du dich auf das übergeordnete Thema von Asiatisch festgelegt; dem Motiv asiatischer Instrumentalklänge im Grime?

FAQ: Ich mache zuerst die Musik, dann leite ich davon ein Konzept ab. Ich verbinde die Punkte zwischen den Tracks. Ich gehe nicht in eine Session und denke mir „OK, ich mache jetzt …“. Asiatisch ist zufällig entstanden. Ich bekam diese Nonsens-A Cappella-Version in Mandarin von „Nothing Compares To You“ von Sinead O’Connor von meinen Freunden bei der Shanzhai-Biennale geschickt.

Sie waren Teil einer ziemlich großen Gruppenausstellung im MoMA PS1 und das war der Soundtrack für eins ihrer Videos. Sie hatten es bei YouTube gefunden und sind dann auf [die Chinesin und Punk-Sängerin] Helen Feng gestoßen—sie brachten sie dazu, diese auf YouTube gefundene Nonsens-Version neu aufzunehmen und haben sie mir dann als A Capella geschickt und gefragt, ob ich es mit diesem billigen, chinesischen Instrumentalsound unterlegen kann.

Das war ihr exakter Wortlaut—„billiger, chinesischer Instrumentalsound“. Ich habe etwas gemacht, was ihren Vorstellungen komplett widersprach, sie haben es nicht verwendet. Das hat mich dazu gebracht, dieses Album machen zu wollen; die Vorstellung asiatischer Motive in westlicher Musik zu erforschen. Diese Idee, dass der Westen einen ziemlich verzwickten Teppich aus Vorurteilen gegenüber China gewoben hat.

Es ist sehr vielsagend, dass du Asiatisch dann mit diesem Track eröffnest; ein Album, das aus einem ‚Misserfolg‘ entstanden ist.

FAQ: Ich hatte einfach das Gefühl, dass sich dieser Song nach Anfang anhörte; wie der Vorspann zu einem chinesischen Batman-Film, ein chinesisches Gotham City. Die Geschichte bei diesem Song ist sein Prozess. Wie sie den Song gefunden haben, wie sie Helen gefunden haben, wie sie sie dazu gebracht haben, ihn neu aufzunehmen und ihn mir gaben—mittlerweile wurde die Originalquelle so oft verändert … Das ist es, was die Vorstellung von China ausmacht. So entstehen Klischees. Die Vorstellung von China ist aber nicht bloß eine Zusammenstellung von Klischees. Es ist ein Umfeld, ein Wertesystem, eine sehr reichhaltige und verstörende Geschichte.

Ein Wort, das im Zusammenhang mit deiner Arbeit seit einiger Zeit verbreitet wird und wahrscheinlich auch bei Asiatisch wieder zu finden ist, ist ‚konzeptionell‘—was ich abgedroschen finde. FAQ: Es ist sehr abgedroschen. Dieser Begriff spricht mich nicht an. Es geht darum, diese Nischendefinitionen und die Grenzen ergründen, die Musik zugeschrieben werden. Ich bin Konzeptkünstlerin. Wenn wir es auf die wesentliche, fundamentale Definition runterbrechen müssen, sind all meine Arbeiten konzeptionell und werden es auch für immer sein.

Was Asiatisch aber sehr explizit erkundet ist das Motiv des Sino Grime. Für mich ist das faszinierend; ein Thema im Grime, das so aufrüttelnd, so scharfsinnig ist, über das im breiteren Dance-Music-Kontext aber kaum geschrieben oder gesprochen wird. Was sind deine Gedanken zu Sino Grime und was hat dich bei diesem Album so daran angezogen?

FAQ: Die Sache ist, dass Sino Grime kein wirklich eigenständiges Genre ist. Niemand macht Sino Grime. Sino Grime ist ein Begriff, den Kode9 erschaffen hat, um zu definieren, was er als Thema im musikalisch asiatisch beeinflussten Grime sah—das hat er sehr geschickt identifiziert. Anders als andere Genres hat Sino Grime keine wirklich Ganzheitlichkeit, keine visuelle Sprache. Das wurde erst im Nachhinein kreiert, Jahre später. Das war also ein Begriff, der geprägt werden musste, von dem ich gleichzeitig aber das Gefühl habe, dass er etwas ist, das weit, weit, weit nach der Musik entstanden ist. Das ist keine Szene—anders als Grime selbst. Diese Definition hat keine physische Manifestation. Interessant an Sino Grime ist, dass es einzelne, eigenständige Tracks auf den Alben der Leute sind, keine ganzen Alben oder Mixes oder Narrativen von Compilations.

Ich glaube Jammer war der, der am meisten davon gemacht hat—fünf oder sechs Tracks vielleicht—, aber sie waren alle irgendwo einzeln verstreut. Das ist der Grund, warum Sino Grime ein flüchtiger Moment war. Kode9 würde mir da vielleicht wiedersprechen, aber ich habe das Gefühl, dass Wizzbit und Jammer die sind, die mehr Sino Grime-Tracks gemacht haben als alle anderen zu der Zeit, in dieser frühen Phase.

Was repräsentieren die Sino-Motive im Grime? Ich muss da immer an ein Interview mit Dizzee Rascal von 2010 denken, in dem er über den Einfluss des Canary Wharfs sprach; diesem stählernen Artefakt einer unerreichbaren Vorstellung der Zukunft.

FAQ: Ich habe das Gefühl, dass all diese Leute Kung-Fu-Filme gesehen haben, als sie klein waren. Das hat sie inspiriert, Musik zu machen, deshalb sind diese zentralen Elemente enthalten: Weisheit, Geistesstärke im Angesicht eines Rivalen, die Androhung physischer Kraft und Heldenmut—die Verkörperung asiatischer Kampfkunst. Das ist ein sehr männliches Thema und passt sehr gut in die herausfordernde Natur von Rap und Grime. Dieses sich gegenseitige überbieten, die finstere Rivalität—das hat es populär, bedrohlich gemacht. Dazu gibt es die schönen und außergewöhnlichen Motive; zum Beispiel das Element eines Shaolin-Kämpfers, wie es der Wu-Tang Clan verehrt hat. Einer der Tracks auf meinem Album heißt „Shanghai Freeway“ und darin geht es um die Vorstellung, dass Shanghai die futuristischste aller Städte ist, außerhalb der Reichweite der meisten anderen. Heutzutage waren so viele Menschen wie noch nie zuvor in China, aber Besuche sind immer noch selten.

Ich habe mir Kode9s Sino Grime-Mix von 2005 viel zusammen mit Asiatisch angehört. War das für dich überhaupt ein Einfluss?

FAQ: Es ist witzig, denn ich hatte die Platte gerade fertiggestellt, als mir J-Cush einen YouTube-Link zu dem Mix von Kode9 geschickt hat. Das war das erste Mal, dass ich den Begriff Sino Grime gehört habe.

Du machst Scherze. Ich dachte, du hättest schon vor Jahren davon gehört—zu dieser Zeit sogar.

FAQ: Ich habe ihn wirklich eine Woche nachdem die Platte fertig war zum ersten Mal gehört. Ich wusste nicht, dass das von irgendjemandem definiert wurde, ich war einfach nur von den asiatischen Motiven in Grime-Produktionen angezogen. Wiley hat auch einige dieser Tracks gemacht, auch wenn das nicht unbedingt Sino Grime ist. Er hat einen Track mit dem Namen „Shanghai“ gemacht, von dem ich vor kurzem erfahren habe.

Sino Grime hatte in den frühen 2000ern seinen ‚Moment‘. Außer bei dir selbst, wo denkst du, leben diese Motive im Grime noch weiter? Gibt es Tracks, die für dich herausstechen? FAQ: Na ja, ich mag „The Big Wok“ von Preditah. Das war der erste Sino Grime-Track, bei dem ich dachte „irgendetwas passiert hier“. Ich habe diesen Track gehört als er 2011 rauskam, das hat mich total umgehauen. Alles daran ist so verdammt schön. Der Beat, der Sound, die Technik, die Komposition, das Arrangement—es ist einfach unglaublich. Er hat es einfach geschafft. Das ist eine ziemlich späte Verkörperung der Sino Grime-Energie, aber du kannst sehen, dass die Essenz immer noch da ist. Und der stammt vom Ende des Jahrzehnts.

Hast du das Gefühl, dass einem Konzept zu folgen, ein zugängliches Element für den Hörer zu schaffen, einengend ist? Dass Leute sich so an dieser Idee festkrallen und die Ausführung dann nicht den Ansprüchen entspricht?

FAQ: Ich hafte diesen Vorstellungen nicht besonders an, ich denke nur, dass es sie gibt und nicht viele Leute darüber reden. Wenn ich sage, dass das eine Tatsache ist, dann meine ich es ernst. Diese Idee einer Vorstellung von China—Shaolin-Mönche, die unglaublich detaillierte Komplexität, eine zusammengemischte, erfundene Erzählung, die aus so vielen verschiedenen Medien zusammengesponnen wurde—das ist kein Stück Butter, durch das du ein warmes Messer gleiten lässt. Es ist schwer zu durchdringen, aber ich spreche darüber auf die intelligenteste Weise, die mir möglich ist.

Du hast zuvor gesagt, dass die meisten Menschen noch nie in China waren, dass das Album die Ergründung einer Vorstellung von China sei. Was meinst du genau mit einer Vorstellung von China; ist das dein eigenes Bild oder etwas weiter gefasstes?

FAQ: Der Westen hat diese Vorstellung von China erschaffen. Ich habe das all diese Jahre nur konsumiert. Auf jedem zweiten Cover von The Economist heißt es, China ist dies, China ist das, in einer sehr eindringlichen, verunglimpfenden Sprache. Ich bin nicht diejenige, die diese Vorstellung von China erschafft. Die Vorstellung von China ist eine Realität; vom Westen erschaffen, in der Vorstellung von jedem, der westliche Literatur, Filme, soziopolitische und ökonomische Magazine, Medien, Cartoons, Comicbücher, et cetera konsumiert. Der Westen kreiert seit Jahrhunderten Monologe, Schmähreden, Soundteppiche und visuelle Sprachen anderer Kulturen und hat diese in das Bildungssystem integriert.

Und wie übersetzt sich das für dich in Musik? FAQ: Asiatische Motive in der westlichen Musik haben als kolonialistischer Export begonnen. In den Looney Tunes-Cartoons und dessen Vorgängern gibt es diese Faszination des Ostens und den Drang, ein Leitmotiv zu erschaffen, um die Charaktere zu identifizieren. Diese Melodien, die tatsächliche chinesische Musik nachäffen, sind dazu gedacht, Rollen zu erschaffen—wie entfernt die Musik von der Realität auch ist.

Wie wird das im technischen Prozess bewerkstelligt?

FAQ: Diese asiatischen Motive kannst du dir einfach aussuchen. Du kannst sie schmecken. Ich musste nicht einmal suchen, um virtuelle chinesische Instrumente zu finden. Sie waren bereits bei der Software, die auf meinem Computer installiert war, enthalten. Bei Logic gibt es ein sogenanntes Asian Kit. Es ermutigt die Leute, diese Klänge zu benutzen. Der Korg M1—ein Synthesizer, der von vielen Leuten, die Sino-Musik machen, bevorzugt wird—steckt voller chinesischer Flöten, japanischer Flöten usw. Es gibt einen Bedarf, eine Nachfrage für asiatische Motive in der Musik, aber asiatische Kampfkunst und Architektur sind die größten Quellen, die die Vorstellung von China für Konsumenten westlicher Medien verbreiten.

Woher kommen die Samples auf Asiatisch dann, wenn man bedenkt, dass es all diese virtuellen Instrumente gibt—falls es überhaupt welche gibt?

FAQ: Es gibt keine Samples von irgendwas. Ich glaube ich habe auf allen Platten, die ich gemacht habe, ein oder zwei Sekunden eines Samples benutzt. Mit Ausnahme von „Desert Strike“, bei dem ich die Klänge von Waffen und Bomben sampeln musste—ich kann diese Sounds nichts selbst machen oder sie in einer kontrollierten Umgebung aufnehmen—habe ich keine Samples verwendet. Ich habe mehrere Artikel gelesen, die das sagen, aber es gibt kein einziges Videospiel-Sample auf irgendeiner Platte, die ich gemacht habe.

Das beeindruckt mich ehrlich gesagt ziemlich. Wie sieht es mit der Verwendung von Mandarin auf dem Album aus?

FAQ: Das Sampeln klassischer chinesischer Poesie repräsentiert für mich die altertümliche Seele von China. Ich habe ein Semester klassische chinesische Literatur an der Universität studiert, also war ich dem etwas mehr ausgesetzt und habe ein Verständnis für diese Gedichte und sie nicht einfach wahllos aus dem Internet kopiert, ohne irgendwas darüber zu wissen. Darin geht es um das altertümliche China. Auch wenn ich sie auf eine Weise überarbeitet habe, die sehr zusammengemischt ist, denn die Vorstellung von China ist auch eine sehr zusammengemischte Idee. Es ist nichts, das du einfach in ein oder zwei Sätzen beschreiben kannst—oder drei oder vier. Das ist ein schweres Unterfangen.

Es ist eine sehr aufregende Überlagerung von Ideen. Wie denkst du, kannst du es schaffen, so etwas Komplexes zu begreifen?

FAQ: Keins meiner Statements hier ist ein abgeschlossenes Statement. Es ist alles offen für Interpretationen. Die Sache ist, dass Musik die abstrakteste aller Sprachen ist—also kannst du dich dafür interessieren oder die Musik für sich selbst sprechen lassen. Ich lasse die Musik für sich selbst sprechen. Das ist der Kontext, in dem ich es platziere. Ob du den Kontext lesen willst oder nicht, bleibt dir überlassen. Ich mache melodische Informationen. Es ist nicht atonal. Asiatische Motive in westlicher Musik werden nie verschwinden. Wenn sie einmal ins Spiel kommen, bleiben sie und verändern sich. Das ist etwas, was vielleicht mal in einem eigenständigen Text erörtert werden muss. Ich bin keine Journalistin. Das ist der Grund, warum ich das durch die Musik gemacht habe; um es abstrakt auszudrücken, den Stein ins Rollen zu bringen. Du hast eine eine Vorstellung von China. Aber warst du jemals in China?

Nein, niemals.

FAQ: OK, denk an all die Klänge, die dir einfallen, wenn du an China denkst. Denk an all die politischen Systeme, die Gesellschaft, die Städte, Landschaften, Essen. Du denkst an etwas, das es nicht gibt.

So wie ‚Chinatown‘?

FAQ: Genau, warum gibt es Chinatown? Ich habe einfach das Gefühl, dass die Leute diesen Gedanken nachgehen sollten. Ich will meine Platte durch Chinatown ballern hören.

Wo bewegt sich Asiatisch innerhalb dieses Dialogs des Sino Grime? Ich zögerte ehrlich gesagt, zu fragen. Es ist ein offensichtliches Motiv, aber ich sehe dich nicht als Grime-Produzentin.

FAQ: Die Platte ist für mich—wie all meine Platten—eine musikalische Hommage an ein bereits existierendes Genre, mit dem ich dann etwas anderes mache. Jeder, der mich als Grime-Produzentin bezeichnet, liegt ganz klar falsch. Ich werde natürlich davon beeinflusst, aber Einfluss ist ein sehr schwaches Wort. Das ist die Sache mit musikalischem Journalismus und Definitionen. Sie setzen sehr begrenzte Standards und Kernthemen. Grime ist das mit Abstand am meisten männlich-dominierte Genre in der elektronischen Musik. Also versuche ich, einen Kontext für die Musik zu erschaffen—auf andere Weise, als Antithese zu Grime. Das ist einfach meine Hommage an und Interpretation von diesem Genre; ich will Licht in die Existenz dieser Definition bringen.

Wie denkst du über den Prozess und das finale Produkt Asiatisch als dein Debüt, jetzt wo du mit anderen darüber sprichst.

FAQ: Viele meiner Platten wurden in extrem depressiven Zuständen gemacht. Als ich sagte, dass ich Musik für mich selbst mache, war das kein Scherz. Ich mache Musik, um aus einem wirklich schlechten Gemütszustand herauszufinden. Die Hälfte meiner Sachen habe ich in manisch-depressiven Phasen gemacht und die andere in Phasen ausgelassener Freude. Dieses Album habe ich bizarrerweise auf ziemlich besonnene Weise gemacht. Irgendwas hat Klick gemacht, nachdem ich diese angeblich misslungene Version für die Shanzhai Biennale gemacht habe. Ich wusste damals noch nicht genau, was es war—aber ich wusste, dass ich es schreiben und es dann in meinem Kopf ausarbeiten würde. Es war wirklich bizarr. Ich habe die gesamte Platte innerhalb von eineinhalb Monaten geschrieben. Fast in Trance.

Vor dem Hintergrund des neuen Albums und der Tatsache, dass du dich vom Grime wegbewegst: Ich habe ein Zitat von dir gelesen, in dem es heißt, dass du kein Interesse daran hast, mit heutigen Popkünstlern zusammenzuarbeiten—ein Pfad, den viele Underground-Elektroproduzenten seit neuestem verfolgen. Warum ist das so?

FAQ: Für mich gibt es zwei Wege in der Musik. Du fängst an, Underground-Musik zu machen und machst dann Popmusik. Das ist die Wandlung. Oder du fängst an, Popmusik zu machen und machst dann wirklich experimentelle Popalben, die niemand oder nur wenige Leute hören wollen. Du fängst entweder an einem Ende an und entwickelst dich zum anderen Ende, oder du fängst am anderen Ende an und entwickelst dich in die andere Richtung. Ich mache hier keine wertende Beurteilung. Du kannst jede Art von Musik hören, die dir gefällt—aber ich bin nicht an dieser Art von Musik interessiert, weil es sie überall gibt. Manche Leute sehen Musik als Karriere, aber ich bin nicht karriereorientiert. Wenn es mir nicht gefällt, ist es egal für wen es ist, dann hau' ich es in die Tonne.

Das ist ziemlich oft passiert im Grime—im Guten wie im Schlechten.

FAQ: Viele Grime-Produzenten sind dazu übergegangen, statt Musik für ihre Künstler und Kollegen zu produzieren, Musik für ein Massenpublikum zu produzieren. Und das war einer der ersten wirklichen Momente der ‚Entwicklungen’ von Grime-Musik. Viele große Produzenten hatten ihren authentischen, ‚Peer-To-Peer‘-Moment und haben dann angefangen, Pop als Karriere zu verfolgen. Ich meine, die hatten einen besonderen Background. Es hat Sinn ergeben, Geld zu machen und ich will über niemanden ein Urteil fällen. Das ist Geschichte. Ich sehe sie mir an. Ich beobachte nur die Fakten. Dasselbe gilt für Produzenten elektronischer Musik. Sie können das gerne so machen, aber das ist nicht das, was ich machen will. Ich mache nicht einmal Musik für Gleichgesinnte. Ich mache Musik für mich selbst. Andere Leute, Manager und Freunde haben versucht mich dazu zu bringen, Karriereentscheidungen zu treffen—aber das mache ich nicht.

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