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Interviews

Interview: Nervous über kalifornische Angst und amerikanische Polizeigewalt

Nervous haben scheinbar unbegründete Angst—Californian Anxiety nennen sie das.

Jake war einmal der Bassist einer der abgeranztesten Bands der kalifornischen Hardcore-Szene: Lewd Acts. Der Name war Programm. Vom Sänger existierten die schlimmsten Geschichten. Einmal soll er seinen Nachbarn mit einem Hammer halb totgeprügelt haben. Bei Liveshows sprang er regelmäßig ins Publikum, um alle, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten, mit dem Mikrofonkabel einzuschnüren. Nur um dann auf sie einzuprügeln. Mit dem Mikrofon. Ob Jake, der bei seiner neuen Band Nervous nun singt, das Gleiche tun wird, werden wir sehen, wenn sie nach Europa kommen. Dieses Mal haben wir uns nur über amerikanische Polizeiprügeleien und die typische kalifornische Angst unterhalten. Und über ihre erste Platte Nervous.

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Noisey: Hey Jake, wir haben uns mal vor ein paar Jahren auf Tour kennengelernt, als du noch mit Lewd Acts gespielt hast und ihr mit Gold Kids unterwegs wart. Die Tour muss ziemlich wild gewesen sein.
Jake: Oh ja! Die Tour ziemlich brutal. Wir haben uns gegenseitig permanent angespornt, immer noch krassere Dinge zu tun. Ich war erst 20 und hab mich wie der Klischeeamerikaner schlechthin aufgeführt. Weil ich in Europa ja offiziell saufen konnte, habe ich das bis zum Exzess ausgereizt. Einmal waren wir alle in einer Bar—ich glaube in Graz—und nach mehreren Stunden gnadenlosen Saufens sind der Drummer und Gitarrist von Gold Kids und ich einfach umgekippt und haben auf einem riesigen Haufen Müll gepennt. Dem Gitarristen von Gold Kids wurden dann auch noch 50€ in dem Zustand gestohlen.

Haha. Wie sind Lewd Acts eigentlich gestorben?
Das ist vor ein paar Jahren passiert, als wir mit Converge auf einer US Tour waren. Es waren damals einfach die Umstände, es hat nicht mehr gepasst und wir sahen keinen anderen Ausweg. Wir sind aber immer noch in Kontakt und haben sogar ein neues Tape selbst rausgebracht. Auch ein paar Shows haben wir gespielt. Der Prozess ist langsam, weil wir alle an verschiedenen Projekten arbeiten. Aber irgendwann werden wir wieder gemeinsam spielen.

Wie ist dann deine neue Band Nervous entstanden?
Ich bin in ein neues Haus gezogen, das neben The Hive ist. Das war ein paar Monate nachdem Lewd Acts aufgehört hatten. Jacob, der in The Hive wohnt, und ich haben dann angefangen zu jammen. Wir hatten erst keine Absicht, eine Band zu starten, aber als wir ein paar Songs zusammen hatten, wollten wir daraus eine echte Band machen.

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Was ist denn The Hive?
The Hive ist einfach nur unser Haus. Wir spielen da zwar Shows und organisieren andere Events, aber es ist nicht wirklich ein volles DIY-Zentrum für Künstler. Es ist also kein Ort, an dem Künstler zusammenkommen und an verschiedenen Projekten arbeiten. Jacob wohnt dort schon seit etwa fünf Jahren. Er war einer der Gründer von The Hive. Wir hatten hier schon eine Menge guter Bands und wir haben für sie gekocht und sie hier schlafen lassen. Ihr in Europa wisst, dass diese Art von Gastfreundschaft für Bands auf Tour wichtig ist. In Amerika wird das leider oft vergessen. Deshalb wollen wir da etwas ändern.

Klagt ihr das in euren Songs auch an?
Unsere Songs handeln wirklich von vielen verschiedenen Dingen. Die beschissene Situation im Gesundheitssystem der USA etwa. Oder dem ewigen Egoismus, die Angst … aber auch Gras. Und von Faulsein. Manche glauben ja, dass Faulsein etwas Schlechtes ist. Manchmal brauchst du das aber einfach auch. Ich finde es schrecklich, wenn Leute ihre Arbeit hassen und nur so tun, als ob sie mit ihren Kollegen befreundet wären, damit sie überhaupt irgendwie durch den Tag kommen …

Was ist denn die typische kalifornische Angst oder „Californian Anxiety“, von der euer Album auch handelt?
Die meisten würden wohl sagen, dass es mit den hohen Lebenshaltungskosten hier zu tun hat. Oder wegen der starken Überbevölkerung der Städte und dem vielen Verkehr. Aber mir ist das egal. Für mich kommt das alles aus meinem Kopf und absolut unbegründet. Oder der Grund ist so riesig—wie etwa Kapitalismus oder die krasse Obdachlosigkeit hier oder Gentrifizierung oder Rassismus hier—, dass es keine Lösungen dafür gibt. Und daher kommt dann diese scheinbar unbegründete Angst.

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Seid ihr auch schon ganz ängstlich, wie ihr live performen werdet? Ihr seid ja nur zu zweit?
Unser Freund Conrad, der direkt neben The Hive wohnt wird live mit uns spielen. Er ist Drummer in einer Band names No Tongue, die auch gerade erst eine 7“ rausgebracht haben. Die Platte ist wirklich genial.

Wir haben schon gemeinsam Pläne geschmiedet und werden bald zusammen auf Tour gehen. Noch eine weitere Band aus der Bay Area wird auch dabei sein.

Oakland oder die Bay Area bei San Francisco scheinen ein Epizentrum für Punk- und Hardcore-Bands zu sein. Warum ist das so?
Hier ziehen mittlerweile einfach immer mehr Leute hin, weil es schon so viele gute Bands gibt. Sie alle haben Bock, sich in der Punkszene in der Bay Area zu engagieren. Das ist hier wirklich oft auch eher kurzlebig. Viele Leute ziehen her und hauen auch schnell wieder ab. Das spiegelt sich dann auch in der Punkszene wieder. Schnell, brutal und so weiter.

Vorhin hast du die abgefuckte Situation in den USA angesprochen. Auf eurem Cover ist ein Spruchband, auf dem steht „Hate for Police—Love for Oakland". Erlebst du viel Polizeigewalt in Oakland oder den Staaten allgemein?
Die Polizeigewalt in Amerika ist unglaublich groß, aber vor allem in Oakland sind die Bullen extrem brutal. Die Bullen ziehen hier wirklich abartige Dinge ab und du kannst nichts dagegen tun. Ich hasse die Polizei. Ich will gar nicht darüber reden.

Dann zu etwas Erfreulicherem: habt ihr schon Tourdaten für Europa in Aussicht?
Wir haben noch keine Shows gebucht, aber wir wollen definitiv kommen. Ich hasse es aber, dass viele US Bands erst mal nach Europa abhauen, um zu touren, bevor sie überhaupt eine US Show spielen.

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