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Warum das alte Planet Music der beste Ort der Welt war

Ich habe mich an Wiens berühmte Konzerthalle zurückerinnert.

Foto via Wikimedia Commons | Geiserich77 | CC BY-SA 3.0

Sudern liegt in der Natur des Wieners. Dabei ist ja eh nicht alles oasch—man kann sogar behaupten, dass vieles in Wien leiwand ist. Zum Beispiel die zahlreichen Live-Locations, ihre leistbaren Bierpreise und die dort herrschende Gmiatlichkeit. Um ehrlich zu sein, fehlt dem Musikliebhaber der eindeutige Suder-Content. Aus genau diesen Gründen begann meine Konzertsucht schon relativ früh. Mit 15 Jahren schleppte es mich regelmäßig in die verschiedenen Konzerthallen Wiens. Musik bedeutete mir alles—das war unschwer zu erkennen: Ich befand mich in einem Pre-Metalhead-Stadium, in dem die Haare schon Kinnlänge erreicht hatten, die ersten Pentagramme meine Schulhefte schmückten und ich noch total auf Nu Metal-Bands stand, die mich immer stärker in die harte Gitarrenwelt drängten, aber in der Playlist eines treuen Metal-Heads nichts zu suchen hatten. Unter den vielen Konzerthallen war das Planet Music eindeutig der bedeutendste Pilgerort meiner Jugend. Es befand sich im 20. Bezirk, gegenüber vom Friedrich-Engels-Platz, gleich vor der Floridsdorfer Brücke. Ursprünglich wurde es 1989 ja auch als „Rockhaus“ gegründet und hatte gleich zu Beginn internationale Metal-Größen wie Sepultura und Sodom am Start. Es war genau die Zeit, in der Thrash- und Speed-Metal am Höhepunkt war und die Death Metal-Szene gerade vor der Tür stand. Später wurde es eben auf Planet Music umgetauft, um als „Rockhaus“ kein eingeschränktes Bild zu vermitteln. Ich hörte immer, dass dort auch HipHop-Events stattfinden sollen und selbst Scooter ab und zu das Planet besucht hatten, aber davon wollte ich nichts wissen. Für mich war es ein Versammlungsort der lokalen Metal-Community. Ich sah auch immer die selben, langhaarigen Stammgäste dort. Klar zählte die Arena Wien ebenfalls zu meinen Lieblingsplätzen, aber zum Planet hatte ich einfach mehr Bezug.

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Foto vom Autor auf einem Konzert im Planet Music

Es war der Ort, dem ich mein erstes richtiges Konzert verdanke. Und mit „richtig“ meine ich: Karte kaufen, meine Eltern um Erlaubnis anbetteln und über die Ausgehzeit diskutieren. Wir einigten uns auf 22 Uhr. Zach, aber besser als nichts. Ich ging aufs Anti-X-Mas-Festival 2002, das mit Bands wie Six Feet Under, Hate Eternal, Marduk und Kataklysm ein ziemlich räudiges Programm hatte. Ich entschied mich also für mein Marilyn Manson-T-Shirt, das so ziemlich das metalligste Kleidungsstück in meinem primär Skater-betonten Kleiderschrank war. Die Spannung war groß und ich war lächerlich nervös, als ich das erste Mal die Treppen der Konzerthalle runterging. Die war von der Größe her so wie die heutige Szene Wien—vielleicht etwas kleiner—und war eine gute Mischung aus modern und abgefuckt, was perfekt zur Musik passte. Der Eintrittsstempel leuchtete nur unter UV-Licht und war am nächsten Tag praktisch unsichtbar. Das ersparte wenigstens den Anschein, dass man zu faul zum Duschen wäre—die Farbe bleibt ja meistens ein paar Tage oben. Der Saal war schnell gefüllt—komischerweise war es auch kein großes Problem ganz nach vorne zu kommen. Gleich nach dem Halleneingang befand sich der Merchandise-Stand und anschließend eine kleine Bar, die fast so begehrt wie die vordere Reihe der Bühne war—zumindest wirkte es so. Mich erwartete eine Ansammlung gleichgesinnter Headbanger, die mir beim ersten Act gleich auf die Bühne halfen und mich beim Stagedive wieder auffingen. Seitdem war ich angefixt. Wöchentlich checkte ich die Konzertlisten der Jugendinfo: Wenn eine leiwande Band nach Wien kam—super. Wenn sie ins Planet kam—super awesome.

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Foto vom Autor mit Bassist Steve DiGiorgio (Death, Sadus, Testament…) vor der Show.

Das Beste für einen Musik-Nerd ist seine Idole zu treffen. Im alten Planet Music war das kein Problem—die Tourbusse blieben genau vor dem Eingang stehen. Ich war so in Underground-Bands vernarrt, dass ich mich sogar nach der Schule vor das Planet Music stellte und hoffte, noch vor der Show mit den Bands abzuhängen—da greift sich jeder Groupie auf die Stirn. Das funktionierte aber nur teilweise: Viele Bands kämpften mit Hangover-Symptomen des Vorabends und waren, als sie sich ins schmerzhafte Tageslicht begaben, nicht gerade gesprächig. Mir begegnete ein ziemlich schlecht gelaunter Robb Flynn (Machine Head), der von meiner Präsenz genervt war und wollte, dass ich mich wieder verpisse. Das war nicht immer so—der Drummer von The Haunted war zum Beispiel ganz happy mit mir einen Ofen zu rauchen, während der Rest der Band noch schlief. Nach stundenlangen Gesprächen schrieb er mich auf die Gästeliste. Ich verdanke meiner peinlichen Obsession viele coolen Begegnungen und traf jeden, den ich treffen wollte. Das gab mir auch die Möglichkeit, alles von den Bands zu erfahren, was ich mich immer schon über sie gefragt hatte. Die meiste Zeit war ich natürlich „starstruck“—doch das war immer der nötige Adrenalinschub, der die Show immer besonders machte. Nerd alert.

So sieht das heute aus. Foto vom Autor

Es war auch immer verdammt lustig zu sehen, welche Bands sich etwas vom gegenüberliegendem „Wienerwald“-Restaurant holten. Ich werde den Anblick nie vergessen, als ich die Mitglieder von Obituary mit grün-weißen Sackerln und Backhendeln in den Händen sah. Besonders war auch das Rock Café, das sich auch im Gebäude des Planet befand. In dem konnte man mit Support-Acts abhängen, während der Headliner spielte. Dort stand auch eine Mini-Stage, auf der beispielsweise die Legende Michael Angelo Batio ein gratis Promo-Konzert gab und mit erstklassiger Gitarrenwichse überzeugte. Wenn du mal ein Mädchen auf einem Konzert kennengelernt hast, konntest du dich auch dort zurückziehen und mit ein paar Bier über die ganzen Konzerterfahrungen schwafeln. Das Ritual vor dem Konzert war genauso wie überall auch: Ich hing mit meinen Freunden vor dem Eingang ab und kippte reichlich mitgebrachtes Bier bevor die Show losging.

Seit 2008 befindet sich Planet Music im Gasometer. Am ehemaligen Platz, auf der Adalbert-Stifter-Straße 73, ist heute ein Jugendgästehaus. Wie ist es dazu gekommen? Ursprünglich hätte die Planet Music-Halle in den Wohnbau integriert werden sollen, was aber nicht hingehauen hätte—da wäre der Ärger mit Gästen trotz Schallisolierung vorprogrammiert gewesen. Der Besitzer Muff Sopper reagierte sofort und schaffte durch den Umzug in die viel größere Halle, den Namen des Planet beizubehalten. Das Gasometer ist deutlich größer, was für das Planet das Ende für diese persönlichen, kleinen Metal-Konzerte bedeutete.

Obwohl ja Wien auch zahlreiche andere Locations für Gigs zu bieten hat, war der Schwermut der Metal-Gemeinde mit der Schließung des Planet Music im 20. Bezirk deutlich spürbar. Ich denke auch heute jedes Mal daran, wenn ich zufällig vorbeifahre. Es war der Ort, an dem ich mein erstes Plektrum fing, das erste Mal auf eine Bühne sprang und ein völlig neues Kapitel meines Lebens begann. Es spricht klar die Nostalgie aus mir, wenn ich sage, dass es keinen besseren Ort gab.

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