Radkey haben Prioritäten, aber sie verraten sie (uns) nicht

Die Brüder Solomun, Dee und Isaiah von Radkey (v. l. n. r.)

Es hat mich ganz schön zappelig gemacht, als ich erfuhr, dass mein Interviewtermin mit der Band Radkey nur 40 Minuten vor Beginn ihrer Show stattfinden sollte. Ich rechnete fest mit drei adrenalingetränkten Teenie-Punks, die sich mit hohlen Phrasen für ihr Konzert aufwärmen wollen und mich dabei an die Wand quatschen würden. Was ich tatsächlich antraf, waren drei schüchterne Jungen, die im Grunde garnichts sagten und sich ihre Energie lieber für ihr Konzert aufsparten. Eine Stunde später wurde klar, dass das entweder ein beschissenes Pressekostüm oder einfach nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen sein muss, denn das Konzert war energiegeladen bis zum Bersten. Zunächst aber schmunzeln mich die drei Brüder nett an und wissen nicht genau, was ich von ihnen will. Der Hauslehrer/Mentor/Manager und Vater steht uns mit verschränkten Armen gegenüber, sein Blick verrät seinen Schülern/Musikern/Kindern, dass sie jetzt bloß keinen Quatsch machen sollen. Sie gehorchen. Verschüchterte Teenager zum Reden zu bringen, ist keine leichte Aufgabe, also lege ich mir im Kopf eine Strategie zurecht, die der eines Fußballspiels nicht unähnlich ist:

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Die Aufwärmphase

Zur Auflockerung beginne ich das Interview mal mit unverfänglichem Smalltalk, konnte ja keiner ahnen, dass wir im kompletten Rest des Gesprächs nicht darüber hinwegkommen…

Wie geht es euch?
Dee (der älteste der Brüder): Gut.

Wie gefällt es euch denn in Europa?
Dee: Gut!

Was habt ihr denn so gemacht, an eurem ersten Tag in Europa?
Dee: Ach, so Zeug. Wir haben Currywurst gegessen.


Der Anstoß

Das klappt ja schon mal ganz gut. Also versuche ich mal was über ihre Musik zu erfahren. Der Vater hat sich auch mittlerweile mit seinem Essen in die andere Ecke des muffigen Backstage-Raums verzogen…

Ihr habt ja eine ziemlich große Resonanz auf eure letzte EP bekommen.
Dee: Ja, das ist cool.

Seid ihr das Gegenteil der Haim-Schwestern?
Dee: Ja.

Inwiefern?
Dee: Wir sind Jungs und wir machen Rockmusik. Aber wir sind auch Geschwister.

Okay, Wie kommt es zu denn zu dem hörbaren Pop-Einfluss?
Kam einfach so raus. Wir haben die Musik unseres Vaters gehört und gejamt.


Die Halbzeit

Okay, Spielstopp, Durchatmen. In der Halbzeitpause versuche ich es mal mit persönlichen Fragen. Nur weil man Musik macht, heißt das ja noch lange nicht, dass man auch gern über sie spricht.

Wer schreibt den die Texte?
Dee: Wir alle.

Macht ihr irgendetwas auch nicht zusammen?
Dee: Nein.

Habt ihr Angst, dass die Musik euch entdreit wie die Gallaghers?
Dee: Nein.


Die Defensive

Die Drei schauen mich immer noch an, wie drei Schwalben, wenn es blitzt. Gut, dass ich auch ein paar Fragen habe, die sie bestimmt schon einmal gestellt bekommen haben.

Wann kommt denn das Album?
Dee: Im April, hoffentlich.

Und auf was können wir uns einstellen, wie wird es?
Dee: Besser als die EPs, hoffentlich.

Habt ihr auch Fans in eurem Alter?
Dee: Nein, die sind eher so 20 oder 30.

Warum?
Dee: Leute in unserem Alter hören nur Mist.


Der Eckball

Yeah! Ich glaube ich hab damit einen Punkt getroffen. Ich muss unbedingt dranbleiben.

Was denn?
Dee: Rap zum Beispiel.

Ihr mögt keinen Rap?
Dee: Wenn dann Old-Skool. Run DMC, oder so.

Nicht mal Tyler?
Isaiah (der mittlere der Brüder): Nein.

Warum?
Dee: Einfach nicht unser Ding.


Die Offensive

Kommt da etwa der dunkle Schatten des grimmigen Vaters zurück und zerstört alles was ich mir so mühevoll aufgebaut habe? Ich gebe Gas.

Ob sie sich nicht auch manchmal was Neues aus dem Internet ziehen?
Dee: Nein, wir hören was unsere Dad hört. Seine Kollektion ist unsere Musik.

Als ich in eurem Alter war, hab ich die Musik meiner Eltern gehasst. Ihr seid da irgendwie anders, oder?
Dee: Ja.


Das letzte Aufbäumen

Ja, der Papi ist wieder da, schade. Es zeichnet sich langsam aber sicher eine deutliche Niederlage für mich ab. Dann kann ich jetzt auch genauso gut alls Zügel loslassen und eine schwierigere Frage stellen. Radkey haben auf dem Afro Punk Festival gespielt. Abgeshen davon, dass dieses Festival keine politische Botschaft hat, außer schwarze Rockbands zu promoten, hat es mich irgendwie an die berühmt berüchtigten Rock against Racism Konzerte erinnert, auf denen unter anderen The Clash spielten. In Anbetracht der Tatsache, dass Radkey nicht nur selbst Punkrock machen, die frühen Ikonen der Punkmusik immer wieder rauf- und runterbeten, wenn sie nach ihren Einflüssen gefragt werden und sie wegen ihrer Hautfarbe unter Umständen selbst von Rassismus betroffen sein könnten, habe ich mir vor dem Interview große Hoffnungen gemacht, ein Statement dazu zu bekommen. Leider kannten sie die besagten Rock against Racism Konzerte nicht mal. Wir haben mehr als genügend Zeit, also erzähle ich ihnen alles, was ich darüber weiß. Jetzt hoffe ich nur noch, dass sie in einem vollständigen Satz antworten.

Wenn man das Afro Punk Festival mit dem Rock Against Racism vergleicht, was haltet ihr von den beiden Festivals? Haben sie den Geist der Punkszene verändert?
Dee: Beides awsome.


Die Nachspielzeit

Wow, ich hab wirklich alles gegeben. Leider habe ich jetzt alle Fragen verballert und darauf weniger als einhundert Wörter in Antworten bekommen. Da gefühlt zu diesem Zeitpunkt erst fünf, tatsächlich sogar nur drei Minuten vergangen sind, ziehe ich mir noch ein paar miese Fragen aus den Fingern. Dabei erfahre ich, dass Dee Japanisch lernt und sie auch in Asien groß durchstarten wollen. Ich erspare euch mal die weiteren, sehr einsilbigen Antworten und lasse euch mit dieser Live-Aufnahme allein. Sobald sie die Bühne betraten, liefern Radkey ein selbstbewusstes, dynamisches Konzert ab und wirken wie ausgewechselt. Radkey sind der nächste Hype im Rockbusiness und müssen ihre Ressourcen gut einteilen. Dabei haben sie die Prioritäten richtig gesetzt. Erst die Show, dann die Presse.

Die neue EP von Radkey, Devil Fruits,könnt ihr bei iTunes bestellen.

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