Gerappter Weltschmerz für Erwachsene—„Thank God It’s Monday“ von EMM x Kackmusikk

Es passte fast zu gut: Wegen Terminkollisionen, Zeitknappheit und Stress mussten sowohl Rapper EMM und sein Produzent Kackmusikk als auch wir von Noisey unser Treffen miteinander immer wieder verschieben. Der Tag an dem es klappte: ein Montag, genauer Ostermontag. Warum das schon an Ironie grenzt? „Thank God It’s Monday“ lautet der Titel des Albums, welches das furiose Duo aus Luzern am Freitag auf die CH-Rap-affine Menschheit loslässt. Und dabei auf so inhaltlich kluge wie musikalisch fette Art aktuelle Themen wie Stress, Zeitknappheit, Planlosigkeit, das Älterwerden oder Selbstbezogenheit verhandelt. All die Fragen eben, die man sich stellt, wenn man ganz unverhofft merkt, dass man erwachsen geworden ist.

NIPPEL IN SCHWARZ-WEISS

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Wo könnte man auf solche Fragen auch Antworten finden, wenn nicht in einer Bar? Also treffen wir das furiose Duo in einer ebensolchen, genauer der Capitol Bar zu Luzern. „Wir müssen nur noch schnell, ein, zwei Lip-Sync-Shoots machen, dann können wir reden“, erklärt EMM und zieht sein blaues Hemd wieder aus. Und schiebt im weissen T-Shirt hinterher: „Die dümmste Idee, die ich den ganzen Tag hatte, war, dieses blöde Hemd für den Dreh auszuziehen. Ich friere mir hier meine Nippel ab.“

„Lucky Luke“, so heisst die Nummer, für die in der Luzerner Bar gerade das Video gedreht wird (welches ihr euch hier ansehen könnt). Im Gegensatz zu den Vorgänger-Clips zu den Smashern „2042“ und „Armageddon“ ist es ein ruhiger, nachdenklicher, ja melancholischer Song, dabei wiederum mit einem Gast, dem Luzerner Singer/Songwriter Damian Lynn, und wiederum in schwarz-weiss gehalten, wie die komplette Release-Ästhetik. „Das hat sich einfach so ergeben“, meint EMM, „Das Album hat eine ernste Seite, doch wenn man es sich genau anhört, sollte man schon merken, dass wir alles andere als depressiv sind. Wir sagen ja nicht, die Welt ist scheisse, sondern hinterfragen die Art, wie wir leben.“

​GEDRUCKT STATT GEPRESST

Also wieder diese Fragen. Nicht nur auf dem Album kommen sie vor, sondern auch in einem Magazin, das EMM und Kackmusikk haben drucken lassen, ein erweitertes Booklet sozusagen. „Die Zeit der physischen Tonträger ist vorbei. Auch wenn es mich selber etwas schmerzt, muss ich zugeben, dass auch bei mir CD’s im Regal landen, die Musik auf verschiedenen Devices. Trotzdem wollten wir den Leuten etwas geben, das sie in der Hand halten können.“

Hochglanz, über 50 Seiten stark, natürlich in schwarz-weiss, mit allen Songtexten drin, Fotos und… Fragen. Fragen, gestellt an musikalische Gäste wie Greis oder Muriel Rhyner von den Delilahs und Freunde wie Burgerboss Tyler, Tommy Vercetti oder Ex-Juso-Präsident David Roth. David Roth? „Wir kennen uns schon lange“, erklärt EMM, „und ich mache ja keinen Hehl draus, dass ich links bin. Findest du, du hast dein gutes Leben verdient oder hast du einfach Glück gehabt? Das ist die Frage, die links von rechts unterscheidet. Ob du im Detail dann ein Sozialist bist oder ein Sozialdemokrat oder auf der anderen Seite ein Nazi oder ein neoliberaler, gutbürgerlicher Hurensohn, ist dann eigentlich egal.“

Der CH-RAP IST ERWACHSEN GEWORDEN

Danach zieht EMM sein blaues Hemd wieder aus. Dem Kameramann ist noch eine gute Einstellung in den Sinn gekommen. Über den Spiegel filmt er nun indirekt Kackmusikk mit Bier und Zigarette, Damian Lynn und EMM nebeneinander. Letzterer hat ein halbgefülltes Glas mit einer braunen Flüssigkeit vor sich stehen. Whiskey vermute ich. „Ist nur Cola“, löst EMM aber auf. Ob ich das schreiben darf, frage ich. „Mach nur!“, sagt EMM und nach dem Shoot erklärt er: „Ich denke, auch der Schweizer Hip Hop ist langsam erwachsen geworden. Heute kannst du über einen Lamborghini rappen, ohne wirklich einen fahren zu müssen. Die Leute checken mittlerweile, dass es Bilder sind.“

Lo&Leduc gewinnen die Swiss Music Awards und Knackeboul moderiert sich durch die TV-Kanäle. CH-Rap ist so massentauglich und präsent wie selten zuvor. Ein gutes Umfeld für den Release von „Thank God It’s Monday“? EMM relativiert: „Naja, wir machen ja nicht ganz das gleiche. Im Schnitt fühle ich CH-Rap, der mainstream ist, nicht so wirklich. Das ist Sound mit Null Edge, angekommen in einer musikalischen Mitte und halt auch mit ein paar Bünzli-Themen versetzt. Ganz frei davon sind wir sicher auch nicht, aber wir zielen nicht darauf ab. Wir machen halt schon eher Sound, der einem 25-Jährigen wahrscheinlich mehr gibt, als einem 15-Jährigen.“

Die Fragen, die EMM und Kackmusikk auf „Thank God It’s Friday“ in Tracks verwandeln, es sind die Fragen von Erwachsenen, die im Leben stehen. 32 sind beide mittlerweile. Eigentlich zu früh, für eine Midlife-Crisis. „Was die Leute früher als Midlife-Crisis bezeichneten, das haben die Menschen heute mit 30, sofern sie keine Kinder haben. 100 Degrees aber kein Stutz oder 100 Frauen, aber keine Partnerin. Solche Probleme sind es, mit denen die Generation Y heute umgehen muss.“

Der Soundtrack dazu erscheint am Freitag, heisst „Thank God It’s Monday“ und kann hier vorbestellt werden. EMM findet ihr auf Facebook und Twitter. Kackmusikk findet ihr auch auf Facebook und Twitter.