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"Viele haben das Zuhören verlernt"—Indiepartment im Interview

Du hat in Graz schon ein paar gute Indiekonzerte gesehen? Dann bedank dich hier bei diesen Menschen.

Foto von Sabine Hoffmann

Seit 2008 schmeißen die Jungs vom indiepartment in Graz regelmäßig Indiepop/rock-, aber auch Singer-Songwriter- oder diverse Punkkonzerte. Dabei waren da schon super Bands wie Nada Surf, Die Sterne, I Am Kloot, Ezra Furman, Ja, Panik oder The Notwist. Wie es dazu kam? Weil sie es einfach satt hatten, ständig nach Wien reinpendeln zu müssen, wenn sie mal ein gutes Livekonzert sehen wollten. Dann eben selber machen.

Das Grand Hotel van Cleef hat sich nach ein paar Mails zur Kooperation bereiterklärt, die erste Show 2008 kam von der Band mit dem gruseligen Namen Home Of The Lame. Nur, dass sich das indiepartment damals noch naiverweise nicht allzu viele Gedanken zu den Themen Gagen, Förderungen und Co gemacht hat.

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Florian Frühwirth erzählt im Interview, dass sogar die Flyer dieser ersten Show im Nachhinein betrachtet ziemlich "komisch-schirch" waren. Aber das war nicht das Schlimmste, aus Veranstaltersicht gesehen. Der Abend hat zu 98 Prozent aus Freunden der sechs Mitbegründer des indiepartment bestanden, im Endeffekt mussten alle Veranstalter natürlich auch noch ein schönes Minus draufzahlen.

Nada Surf von Gert Kragol abgeblitzt

Mittlerweile hat das indiepartment in verschiedenen Grazer Locations schon über hundert Konzerte veranstaltet—und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Grazer Szene ihren guten Ruf hat und behält.

Ich habe mich mit Flo darüber unterhalten, wieso er nach wie vor Idealist ist, wieso Barhocker auf der Bühne keine gute Idee sind, wenn der Sänger schon zu betrunken zum Stehen ist—und über seine Highlights der vergangenen Jahre als Veranstalter.

Noisey: Hi Flo, freust du dich auf den (Konzert-)Sommer?
Flo: Da wir im Sommer fast keine Konzerte veranstalten, außer am 20. Juli William Fitzsimmons, freuen wir uns generell auf Sommer und eine konzertfreie Zeit, weil wir unseren Kulturverein ja neben unseren Brotjobs machen. Ausnahme war das Acoustic Lakeside, da schauen wir jedes Jahr vorbei.

Wie lange bist du selbst schon bei indiepartment dabei? Was genau ist deine Aufgabe?
Ich bin seit 2008, also von Beginn an, dabei und kümmere mich hauptsächlich um Booking und Social Media. Wir machen aber alle generell das, was gerade anfällt.

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Wie groß ist das Team mittlerweile?
Das Team ist seit Beginn dasselbe. Wir haben zu sechst begonnen und werden es—vermutlich—auch zu sechst beenden. Es geht uns dabei auch darum, dass es im Alltag schon schwierig ist, sich neben Job, FreundInnen, Kindern auch noch mit regelmäßig mit Freunden zu treffen. Wir erhalten durch diese Konzerte und Treffen zur Vorausplanung halt auch unsere Freundschaft. Da wir das Ganze jetzt seit 100 Konzerten und seit 2008 machen, sind wir auch schon ein eingespieltes Team, bei dem jeder Handgriff sitzt (zumindest bis man nach einer Show mit den Bands noch ein oder zwei Bier trinkt, haha).

Wenn du den Zeitpunkt, zu dem du selbst angefangen hast, mit dem jetzigen, nach sage und schreibe 100 Konzerten, vergleichen musst: Was hat sich für euch am meisten geändert? Seid ihr jetzt weiser, reicher, oder sogar ein bisschen zynischer?
Wir haben ganz andere Kontakte als zu Beginn. Man muss sich ja auch ein gewisses Vertrauen aufbauen, zum Beispiel zu den Bookern. Damit die einfach wissen, OK, bei denen können wir Bands vorbeischicken, die Jungs machen das nach bestem Wissen und Gewissen. Wir sind nach 100 Konzerten irrsinnig reich an Erfahrung, hehe. Natürlich wurden auch die Bands und Locations Jahr für Jahr größer. Angefangen haben wir ja mit den ersten Shows in einem Grazer Pub, wo wir selbst viel Zeit verbracht haben und der Chef uns dort von Anfang an unterstützt hat—mit Auftrittsmöglichkeiten und einem Kräuterschnaps aus Wolfenbüttel. So ein Wachstum ist aber unserer Meinung nach eine ganz normale Entwicklung, weil sonst wäre man sicher schneller genervt, wenn man jedes Jahr die gleichen Shows bucht. Solange unser Risiko dabei überschaubar bleibt, ist das OK. Zynisch sind wir eigentlich nicht, nachdem es nach wie vor ein Hobby ist.

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Auf Idealismus folgt ja aber nicht zu selten Frustration. Hattest du das Problem schon mal? Fällt dir eine spezielle Situation ein?
Klar gibt es Situationen, in denen man sich denkt: Warum kommen zu einer guten Band nicht mehr Leute? Oder wenn Leute während der Konzerte laut reden—da ja viele das Zuhören verlernt haben—Das kann dann schon nerven. Blöd ist es natürlich auch, wenn das Minus einer Show sehr hoch ausgefallen ist. Aber im Großen und Ganzen können wir das Risiko, das wir eingehen, mittlerweile schon recht gut abschätzen.

Unglaublich, aber trotzdem wahr: Ihr macht das alles, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, richtig? Außer der Liebe der Fans.
Wir leisten uns jedes Jahr eine Weihnachtsfeier, that`s it. Ansonsten bleibt das Geld im Verein und wird in neue Konzerte investiert. Es steigen ja auch jedes Jahr die Ansprüche an uns selbst, das vergangene Jahr zu toppen. Die Liebe und Treue der Zuschauer ist ja auch der größte Motivationsmotor. Es taugt uns, wenn sich wiederum die Leute freuen, dass wir die Band XY nach Graz holen.

Das indiepartement ist in Graz ja eigentlich die Institution, wenn es um Indiepop/Rockkonzerte geht. Oder wie sieht es mit Konkurrenz aus?
Die Grazer Institution ist vielleicht vermessen, es gibt neben uns auch Platoo, die neben ihrer "Scherben-Montag"-Serie und dem "Autumn Leaves" auch tolle KünstlerInnen im Singer/Songwriter Bereich nach Graz bringen. Dann muss man auch noch die großartigen Numavis und die Damen und Herren von Gegenwart erwähnen. Das Schöne ist, wir haben mit allen drei genannten schon Shows zusammen gemacht, da ja der DIY-Gedanke bei allen der gleiche ist.

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Wir haben eigentlich kein Konkurrenzdenken (außer beim Fußballspielen gegen Platoo). Wir würden es sogar begrüßen, wenn in Graz mal junge Veranstalter nachkommen würden, die uns Konkurrenz machen. Wir machen unser Ding und haben da auch keine "Szene-"Grenzen, da wir von Singer/Songwriter über Indie und Punk/HC sowie Stoner Rock auch schon alles veranstaltet haben, was uns gefällt und uns Spaß macht. Aber wir finden es super und irrsinnig wichtig, dass es noch so Orte wie das Sublime in Aflenz gibt, wo jedes Monat tolle Bands hinkommen. Man kann sich davon übrigens bei Mother Tongue Ende Juli überzeugen.

Was war dein Highlight—konzertmäßig? Oder sagen wir, damit’s leichter wird, deine drei Highlights?
Puh, schwierig. Ich würde mal sagen, die erste Show von William Fitzsimmons in der kleinen Postgarage, die aus allen Nähten geplatzt ist; Wanda noch vor dem großen Hype zu veranstalten und natürlich Farewell Dear Ghost, Viech und Polkov lernen und wachsen zu sehen. Und bei jeder Show von den drei letztgenannten Bands gute fünfzig Leute mehr im Publikum zu haben, ist einfach ein wunderbares Gefühl.

Was ist im Gegenteil dazu mal so richtig in die Hose gegangen?
Wir hatten mal eine deutsche Punkband im Music-House zu Gast. Die ist, nachdem Einlass um 21:00 Uhr war, erst um 23:30 angekommen. Nachdem der Gitarrist voll besoffen das Konzert unterbrochen und sich eine Stunde lang am Klo eingesperrt hat, haben wir ihm dann, nachdem er wieder rausgekommen ist, einen Barhocker auf die Bühne gestellt. So hat er kurz weitergespielt, aber nach weiteren fünfzehn Minuten musste die Show dann abgebrochen und die Rettung gerufen werden. Diese Show war aber wie gesagt die Ausnahme, ansonsten sind wirklich alle Künstler dankbar und nett.

Sagen wir, du hast drei Wünsche offen. An den Grazer Bürgermeister, diverse Sponsoren, die Kulturpolitik. Welche wären das?
Es wäre cool, wenn es eine Location gäbe, wo man selbst die Bar machen kann. Das würde vieles erleichtern, vor allem in Zeiten, wo die Fördersituation für Veranstalter nicht immer rosig ist. Generell sollte die Bürokratie in der Stadt nicht überhand nehmen, wenn es ums Veranstalten geht. Ansonsten sollen uns bitte alle gewogen bleiben, die uns, in welcher Art und Weise auch immer, unterstützen.

Achja: Wir hätten gerne einen Biersponsor!

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