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So sind Gäste aus der Sicht einer Kellnerin

Oft seid ihr die Rettung gegen Langeweile oder ein erfrischender kleiner Flirt. Oft seid ihr aber auch einfach nur furchtbar.

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Wie soviele Mitzwanziger, die auf den ulitmativen Traumjob warten und Verpflichtungen eher anstrengend finden, arbeite auch ich nebenbei in einer Bar. Die perfekte Wahl, für Leute, die eigentlich was anderes machen (wollen). Es gibt auch einige unabstreitbare Vorteile: Trinkgeld, flexibler Urlaub, nicht um 7:00 Uhr aufstehen zu müssen, Musik. Den Jackpot hat man überhaupt gezogen, wenn man alleine in einer kleinen Bar arbeitet, wie das bei mir der Fall ist. Man ist quasi sein eigener Chef, solange man den Umsatz richtig abrechnet und abliefert. Aber es ist nicht immer alles Eitel, Wonne, Sonnenschein. Was der Job nämlich auch beinhaltet ist es, Gäste zu bedienen. Versteht mich nicht falsch—oft seid ihr die Rettung gegen Langeweile, das offene Ohr für unnötige Probleme oder ein erfrischender kleiner Flirt. Andere Male möchte ich mich aber in einem Loch einbuddeln und nicht mehr rauskommen, weil ihr so nervt. Wie wir schon gehört haben, sind auch wir Barkeeper ein ganz eigener Schlag. Hier ist nun die Sicht auf die Gäste von hinter der Theke.

Der Loner

Einsam und allein kommt er ins Lokal und trinkt immer dasselbe. An Begleitung scheint er aber auch nicht interessiert zu sein, denn er ist ausschließlich solo unterwegs und macht auch keine Anstalten, mit irgendjemanden zu reden. Er ist ein durchaus angenehmer und unkomplizierter Gast. Alle 30 Minuten deutet er nur, ob er ein neues Getränk möchte oder doch schon die Rechnung. Seine Mission ist schwer zu durchschauen. Manchmal liest er Zeitung, schreibt etwas oder sitzt einfach nur da. Vielleicht ist sein Zen so on-point, dass er tatsächlich den Moment genießen kann und nur sein Bier trinken möchte. Vielleicht schmiedet er aber auch Mordpläne gegen uns. Man weiß es nicht und daher ist es auch egal.

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Der Zutexter

Er ist das krasse Gegenteil zum Loner. Der Zutexter kommt in die Bar und hat nur einen Ziel—naja vielleicht zwei—Reden und Bier. Aber hauptsächlich Reden. Das Bier dient nur dazu, sein Sprachrohr zu ölen. Seine Opfer sind ihm meistens egal. Wenn aber nicht zufällig ein Loner an der Bar sitzt, dann fällt seine Wahl meistens auf das Personal. Schutzlos ausgeliefert steht man hinter der Theke und versucht beschäftigt auszusehen, während man zum 15x Mal den Instagram Feed runterwischt. Dem Zutexter lässt das aber unberührt und er findet immer, immer einen Grund um eine Konversation zu starten. Für den Notfall hat er auch ein unendliches Repertoire an Monologen parat—beziehungsweise kleine Trickfragen, die zu Monologen führen. Mein #1 Zutexter haut zum Beispiel bei jedem Besuch seine Hit-Frage raus, was der Unterschied zwischen Strategie und Taktik wäre. Für zehn Minuten ist das ganz interessant aber nach dem 17. Mal…nicht mehr. Die beste Strategie—in diesem Fall—ist eine Endlosschleife an „Ah, wirklich?“, „Mhm“, „Achso“ und „Weiß ich nicht.“ und dabei weiterhin ins Handy starren bis er ausgetrunken hat. Ich glaube, ich kenne das Internet mittlerweile auswendig.

Der Creep

Diese Art von Gast ist eigentlich eine Unterkategorie des Zutexters. Nur noch viel Schlimmer. Meistens um die Mitte Vierzig; er sieht einen und eine halbleere Bar und das einzige Ziel des Besuches scheint zu sein, einen auf den Sack zu gehen. Mit kurzem Small-Talk verwickelt er einen in ein Gespräch. Dann kommt es viel zu schnell zu persönlichen Fragen: „Hast du einen Freund?“, „Ach nein, warum denn nicht? Bist doch so ein schönes Mädchen!“. Danke, sehr lieb, aber ich bin hier zum Arbeiten, nicht auf Partnersuche (außer Leonardo sollte sich mal in den 7. verirren!) und bitte hör auf mich anzustarren.

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Der Dater

Das ist mit Sicherheit einer meiner Lieblingsgäste. Der Dater kommt in regelmäßigen Abständen zu ähnlichen Uhrzeiten vorbei—jedesmal mit einem anderen Mädchen. Beim Hereinkommen muss man sich schon das Lachen verkneifen. Er auch. Gerne setzt er sich ins Hinterzimmer um ein bisschen mehr Ruhe mit seiner Dame zu haben. Obwohl er schon unzählige Male hier war, weiß man nie, was er trinken wird—das hängt ganz von seiner Begleitung ab. Trink sie gerne, gibt es Longdrinks, ansonsten besser Spritzer oder vielleicht nur ein Makava. Er will ja nicht als Säufer rüberkommen. Gleichzeitig gibt der Dater auch immer gutes Trinkgeld, denn auch das kommt gut an (und außerdem will er nicht, dass ich ihn auffliegen lasse). Seine Besuche sind oft sehr unterhaltsam zu beobachten. Manchmal geht es von den ersten Annährungen bishin zum schmusen. Andere Male folgt nach stundenlangem Flirten die böse Ernüchterung, wenn die Begleitung verkündet, sie würde jetzt zu ihrem Freund fahren.

Die Geburtstagsgruppe

Meistens besteht diese Formation aus 10-15 Leuten die gegen 20:30 Uhr eintrudeln. Fleißig werden Runden an Bier bestellt und schnell bekommen sie Lust auf was Härteres—Jägermeister! Vier Stunden und fünf Runden später verabschiedet sich dann der Großteil der Bande, um die letzte U-Bahn zu erwischen. Außerdem muss man ja morgen arbeiten. Die motivierten Überreste lassen sich davon aber nicht abhalten und trinken fleißig weiter. Wenn ich mir dann die Rechnung und die Anzahl der überbleibenden Leute anschaue, weiß ich schon, dass ich mich von meinem Trinkgeld verabschieden kann. Wenn der Abend nämlich dem Ende zu geht und der Alkoholpegel den Höhepunkt erreicht hat, gibt es für die Geburtstagsrunde nämlich immer eine Überraschung—nämlich, das gute 40 Shots und sehr viel Bier sehr viel Geld kosten. Ein Gast opfert sich dann meistens, eine Runde zu übernehmen. Der ganze Rest bleibt an dem glücklichen Geburtstagskind hängen. Die Rechnung beträgt dann zirka € 81,50 und wenn man Glück hat, kann die Gruppe sogar € 82,00 zusammenkratzen.

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Der Stammgast

Mit einer unglaublichen Sicherheit, wird er früher oder später reinschneien, wenn man Dienst hat. Weil er so viel Zeit vor deiner Theke verbringt, kennt man ihn schon fast besser, als die beste Freundin. Oftmals hat er gute Vorsätze und möchte nur auf zwei Bier bleiben, doch wir wissen alle, dass er wieder erst kurz vor der Abrechnung rausstolpern wird, und das zwei Mal die Woche. Man kennt sich erschreckend gut, weiß was man zu Abend isst, wo und wann man auf Urlaub fährt oder wie es in der Arbeit läuft. Es ist eine nette Abwechslung zu der sonst häufigen Langeweile—außer Langeweile ist das, wonach man sich gerade sehnt. Stundenlanges spielen mit dem Handy kann sehr entspannend sein und man kann die Zeit nützen um Artikel wie diesen hier zu schreiben. Am Ende des Tages ist es eh ein super Job und ich bin echt dankbar, dass er mir meine Miete finanziert. Genauso sind ja auch alle Gäste irgendwie lustig. Seid uns Barkeeper aber bitte nicht böse, wenn wir keine Freundensprünge machen oder um 1:30 Uhr ein fades Aug haben wenn wir euch euer Bier bringen. Ja es ist unser Job, aber auch wir sind keine Roboter und manchmal grantig oder müde.

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