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Gleich viele Rapper wie Fans: Swiss Hip Hop Jam 2014

Unser Autor schaute, was sich in der Schweizer Hip Hop-Szene seit den Spliffrunden seiner Schulzeit verändert hatte.

Letzten Samstag fand im und um den Schiffbau in Zürich zum zweiten Mal der Swiss Hip Hop Jam statt, an den die Schweizer Hip Hop-Szene angereist ist, um sich selbst und einander in den fünf Disziplinen DJing, Rap, Graffiti, Breakdance und Beatboxing zu zelebrieren.

Chartplatzierungen von Schweizer Rappern wie Mimiks liessen dieses Jahr auf eine Renaissance der oft bereits totgesagten Szene schliessen. Also ziehe ich meinen Kapuzenpulli an und mache mich auf den Weg in den Schiffbau, um herauszufinden, wie es um den Schweizer Rap steht.

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Vor der Location markieren die Sprayer bereits ihr Revier im „Graffiti Bomb Battle“, als ich an einem kühlen Goldbräu nippend der frühen Abendsonne entgegen „swagge“. Am Ende darf Bazk, der die Jury vor allem mit seinen 3D-Effekten überzeugt hat, die Trophäe nach Hause bringen. Foto von Angelica Ender

Vom DJ-Pult her dröhnen gerade Tibner97ners altbekannte Rhymes zu „Gib en ab“, während sich ein angenehm süsser Duft in meiner Nase bemerkbar macht. Er erinnert mich an damals, als wir uns beim Schule schwänzen gegenseitig fragten „Hast du Poulet gegessen?“, wann immer jemand den Spliff nicht schnell genug im Kreis weiterreichte. Da mein letztes Schweizer Rap-Update in diese Zeit zurückgeht, war ich gespannt darauf, wie sich die Szene seither entwickelt hat.

Als ich reinkomme, läuft im Moods gerade das Finale des Youtube-Video Battle Turniers für Rap-Crews, an dem sich die beiden Finalisten Relephant und RELX in einem K.O.-System bis ins Live-Finale „gefrontet“ haben. Es scheint ganz so, als wären Social Media-Skills nun auch für Nachwuchsrapcrews unabdingbar geworden.

Relephant verlässt die Bühne als Sieger mit Punchlines wie „Lug bi mier lauft Jugo-Sound also lauf, Junge, lauf—du gasch drauf will de Part dich wie din Vater verhaut“. Obwohl die Musik ziemlich schlecht abgemischt ist, scheint das Publikum seine Freude an dieser Wettbewerb-Form des Raps zu haben, johlt es doch die Hooks euphorisch mit. Foto von Thomas Meier

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In der Halle nebenan präsentiert Ugur—„der grösste Schnorri von Joiz“—Gültekin in seiner verschmitzten Manier die Swiss Hip Hop Awards. Einen Award abräumen können unter anderem der Zürcher Langstrass-Rapper Skor mit „Winter die Schwiz“ für „Bestes Video“, die Berner Rapcombo Tommy Vercetti und Dezmond Dez mit „Glanton Gang“ für „Bestes Album“ und Miggo und Buzz für „Beste Newcomer“.

Etwas irritierend ist, dass einige Award-Gewinner während dem Laudatio-Gefasel gar nicht anwesend sind, was auf einen nicht besonders starken Zusammenhalt innerhalb der Hip Hop-Szene schliessen lässt. Vielleicht entbehrt das junge Festival trotz seiner Vielseitigkeit aber auch einfach noch einer Szene übergreifenden Relevanz.

Foto von Thomas Meier

Generell habe ich bemerkt, dass viele der am Festival Anwesenden Backstage-Bändchen tragen, weshalb ich ketzerisch darauf schliesse: Hier sind ja gleich viele Rapper wie Fans anwesend. Ist demnach alles beim Alten geblieben? Nicht ganz. Bewerkenswert war, wie sehr das Level der neuen Generation gestiegen ist.

Rapper wie Mimiks oder Mitglieder der JAS Crew legen eine technische Versiertheit an den Tag, dass sich sogar der deutsche Gast-Act Umse beeindruckt zeigt, obwohl er ansonsten keinen Bezug zu Schweizer Rap-Musik hat: „Auch wenn ich kein Wort von dem verstehe, was ihr hier rappt—flowen könnt ihr auf jeden Fall!“ Foto von Thomas Meier

Das Highlight des Abends ist der gemeinsame Auftritt von Megaloh, Amewu und Chefket, die mit rabiaten Double-time Flows und einem spontanen B-Boy Jam das Publikum aufmischen. Die drei Berliner sind normalerweise als Solo-Künstler unterwegs, werden aber wegen ihrem gemeinsamen Song „Live MCs“ als Combo gebucht. Als ich sie vor dem Auftritt frage, wie sie als Solokünstler einen gemeinsamen Gig spielen wollen, entgegnen sie mir: „Wir haben das bereits ausgerechnet. Wir spielen ja 45 Minuten. Das heisst, wir können einfach den einen Song 18-mal spielen.“ Foto von Thomas Meier

Abgeschlossen wird der Abend vom Headliner Kurtis „OG“ Blow, der mit Hits wie „The Breaks“ bereits in den frühen 80er Jahren Pionierarbeit für Hip Hop geleistet hat und sich ersichtlich erfreut zeigt, dass Hip Hop, einst Sprachrohr einer unterprivilegierten Minderheit in den USA, sich auch in der überprivilegierten Schweiz etablieren konnte—wenn auch nur ansatzweise.