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Entspannt euch, Smartphones versauen niemandem das Konzert

Hört auf, Leute dafür zu hassen, dass sie während eines Konzerts auf ihr Smartphone starren oder filmen. Hasst lieber Musiker, die sich darüber aufregen.

Es gibt viele schlimme Dinge, die man auf einem Konzert tun kann. Die meisten davon haben etwas mit unangenehmen Körpergerüchen zu tun oder resultieren in blutigen Nasen anderer Konzertbesucher. Doch der wahre Feind und Untergang der modernen Konzertkultur lauert nicht etwa in den Därmen bzw. im unausgeglichenen Hormonhaushalt von Besuchern, sondern in unseren Hosentaschen: Smartphones.

Zumindest macht dies immer öfter den Anschein, denn persönlich habe ich noch keinen Frontmann und keine Frontfrau gesehen, die auf der Bühne eine Ansage gemacht hat, dass Furzen auf einer Show halt echt nicht klar geht. Dass jedoch Smartphones auf Shows scheiße sind, kommt öfters zur Sprache. So zum Beispiel als Disturbed-Frontmann David Draiman vor wenigen Tagen einen Semi-Vollausraster auf der Bühne hingelegt hat, weil ein weiblicher Fan der Performance nicht den (in seinen Augen) gebührenden Respekt gezollt hat.

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Der Mitschnitt erinnert ein wenig an die Clips auf World Star Hip Hop, in welchem ein Teenager seine nicht erhaltene elterliche Liebe dadurch kompensiert, dass er einen Schwächeren verprügeln, während die Kumpels (in diesem Falle sind das so ca. 2.000) daneben stehen und sich dabei ihren Machtfantasie-Ständer massieren. Abseits davon, dass David Draiman sich mit dieser Aktion die Trophäe „Unsympath des Jahres 2016“ im Bereich Metal gesichert hat: Was soll bitte so schlimm daran sein, wenn jemand während einer Show am Handy hängt, statt die Leute auf der Bühne anzuschauen?

Bist du heutzutage ein sozial halbwegs erfolgreich integrierter Mensch, musst du zumindest ein Facebook-Profil und einen Instagram-Account haben. Keine Diskussion. Potentiell mit der Größe deines Narzissmus wächst auch die Anzahl der Social Media Accounts und am Ende tummeln sich auf dem durchschnittlichen Smartphone neben Facebook und Instagram noch Twitter, Snapchat, Tinder, Grindr und die Kleiderkreisel-App. Diese ganzen vergänglichen Kanäle irgendwie mit Inhalten zu füllen, ist eine Mammut-Aufgabe, die jeden 15-Jährigen mit Leichtigkeit ins Burn-out treiben kann. So ist es nur schlüssig, Smartphones auf Konzerte mitzubringen, um dort die Erinnerungen in grottiger Bild- und Ton-Qualität festzuhalten. Alternativ kann man auch zuhausgebliebene Freunde mit hämischen Sprachnachrichten über WhatsApp ärgern, weil diese lieber vor der PlayStation an ihrer sozialen Isolation arbeiten. Natürlich sind die Videos so beschissen, dass sie für ewig auf deinem Handy versauern werden, bis du irgendwann vergessen hast, dass sie da sind und du sie dann noch etwas später löschst, weil du den Speicherplatz für eine neue Face-Swap-App benötigst.

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Außerdem zerstört die Benutzung des Telefons dein Erlebnis von der Show und wenn du dann mit Mitte 80 gerade snappst, wie deine Enkel erleichtert die Stecker deiner Beatmungsmaschine durchschneiden, wirst du dir vermutlich wünschen, weniger Zeit am Telefon verbracht zu haben, aber: An all dem lässt sich immer noch nichts Verwerfliches finden, denn durch das bloße Texten oder Fotografieren auf Shows schmälerst du vielleicht dein eigenes Erlebnis, aber nicht das Erlebnis der anderen Konzertgänger. Deshalb sollten sie zu dem Thema eigentlich die Fresse halten.

Bist du kein Musikblogger mit „Fast C-Promi-Status“, dann wirst du für dein Konzertticket vermutlich Eintritt bezahlt haben und dann ist es auch dein gottverdammtes Recht, auf der Show zu machen, worauf du Lust hast. Dabei ist es egal, ob du lieber im Pit abgehst, versuchst, mit der Barfrau zu flirten oder eben deinen Abend auf Snapchat festhältst. Wenn du Bock darauf hast, dann mach das, selbst wenn das aufgeblasene Ego des Frontmanns dies anders sehen sollte, weil du ihm nicht genügend huldigst. Scheiß auf den! Wie kommt man bitte auf die Idee, jemand anderem vorschreiben zu wollen, wie er seine Freizeit zu genießen hat? Das ist ungefähr so, als ob man sich darüber echauffieren würde, dass es Menschen gibt, die zu schnell essen und so ihre Mahlzeiten nicht wirklich genießen würden.

Was bei sich bei der ganzen Diskussion nicht wirklich erschließt, ist die Motivation hinter der ganzen Anfeindung. Machen sich solche Menschen wirklich so große Sorgen, um die Lebensqualität ihrer Mitmenschen? Bin ich vielleicht nur ein undankbarer Millenial mit Aufmerksamkeitsdrang, der einfach nicht sieht, dass meine Mitmenschen versuchen, ihren Mitmenschen zu helfen? Das kann gut möglich sein, trotzdem halte ich es für wahrscheinlicher, dass Menschen immer wie Ziegen sein werden: Egoistisch, ständig am meckern und überall wird alles vollgekackt. Schon die bloße egozentrische Motivation hinter dieser Diskussion, an deren Ende man einfach nur Recht haben will, zeigt wie lächerlich und vor allem haltlos der Anti-Smartphone-Standpunkt in Wirklichkeit ist.

Klar, die junge Generation befindet sich auf einer Talfahrt in der Scheiße-Achterbahn und reißt dabei die ganze Gesellschaft und Kultur mit sich. Ein Schuldiger ist dabei auch schnell gefunden, denn ganz eindeutig sind Smartphones Schuld. Oder das Internet, Farbfernsehen, Miniröcke, Vaporizer, Reißverschlüsse und Kriegsdienstverweigerer, wer weiß schon so genau, bei welcher technologischen Neuerung unsere Gesellschaft die falsche Ausfahrt genommen hat. Nichtsdestotrotz haben die Zeiten sich nun einmal geändert und moderne Kommunikationstechnologie gehört heute eben zu unserem Alltag wie schlechte Zähne und Beulenpest zu den Hürden des Alltags im Mittelalter dazugehörten. Das kann man verteufeln, aber zu hassen, was sich verändert, ist der erste Schritt einer Reise, die damit endet, dass man ein Telefon mit großen Tasten besitzt, auf dem neben dem Notruf nur Platz für zwei weitere Telefonnummern ist.

Mit Smartphones auf Konzerten solltet ihr es halten wie mit dem Tanzen. Wenn ihr Bock habt, ein Video aufzunehmen oder euren Facebook-Status zu updaten, dann macht das. Achtet lediglich darauf, dass ihr Anderen damit nicht auf den Sack geht, denn hinter euch könnte immer jemand stehen, der das Konzert lieber mit eigenen Augen sehen will, statt durch den Bildschirm eures Telefons. Und hört bitte auf, auf Shows zu furzen. Denn das ist richtig, richtig scheiße für alle Beteiligten. Echt. Lasst das.

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