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You Need to Hear This

Das hier ist eine goldene Ära des HipHop

Bitte eine Runde Applaus für diese HipHop Künstler. Sie machen die beste Musik, die wir seit langem gehört haben.
Ryan Bassil
London, GB

Es gab da diesen kurzen Moment, irgendwann in den späten 00er Jahren, als der HipHop anfing, sich zu wandeln. In dieser Umbruchsphase veröffentlichten die eigentlichen Vorzeigekünstler wie Jay Z, Eminem und Lil Wayne die mäßigsten Alben ihrer gesamten Karriere. Young Money releaste ein Kollabo-Album mit minderwertigen Klingeltönen, auf die buchstäblich jeder Vers aus einem anderen Studio reingeschnitten wurde. Mr Hudson ruinierte mit seinen gequälten Vocals einen ganzen Track auf einmal, und in dem heißesten „Rap“-Song der Charts ging es um „Apple Bottom Jeans“, also im Grunde nicht mehr, als eine Ode an eine Denim Kollektion von Aldi.

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HipHop war so ideenlos wie ein ausgedienter Bundesligaprofi, der jetzt in der Dritten Liga für Heidenheim spielt und sich auf seinen Lorbeeren ausruht. (Amis, ihr könnt hier eure abgedroschenen Baseball-Metaphern einsetzen.)

Neue Künstler wie Drake, Kid Cudi und Tyler, the Creator, die alle zu dieser Zeit ihre ersten Mixtapes herausbrachten, gaben den Anstoß in eine neue Richtung und zwar sowohl den Sound, als auch die Ästhetik betreffend. 2010 brachen die Dämme und in Rettungsbooten unter der Flagge „Web 2.0“ segelte eine Unzahl neuer Künstler, die keine Angst davor hatten, ihre Kreativität auszuleben und alles mit ihrer Digital-Native-Fanbase zu teilen.

Die letzten zwei Jahre fühlten sich an, wie die besten Jahre im Hip Hop seit einer sehr langen Zeit. Vor allem, wenn man die neue Armee der Künstler betrachet, die dank dem Internet groß geworden sind. Kendrik, ASAP, Danny Brown und Tyler machten das Beste aus ihrem Hype und veröffentlichten solide Debütalben oder fesselnde Mixtapes und Visuals. Es hat sich herausgestellt, dass 2011 nur der Vorgeschmack auf 2012 war, und auch das vergangene Jahr war letztlich nur der Prolog auf 2013. Dieses Jahr ist bunt, gemischt und hat einen stetigen Run an guten HipHop-LPs.

Fast wöchentlich kommen Neuerscheinungen. Die neuen Alben von Kanye, Mac Miller, J Cole, Jay Z, Pusha und Dannny übertrumpfen sich gegenseitig. Es stellt sich kein Sättigungsgefühl ein, weil die Top-Veröffentlichungen dieses Jahres (WOLF, Nothing Was The Same, Yeezus, Old, Acid Rap) auf eine eigensinnige Art und Weise unterschiedlich sind, und das nicht nur akustisch, sondern auch auf das Artwork, die visuelle Identität und das (fehlende) Marketing bezogen.

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HipHop ist mittlerweile eine Kunstform. Nicht, dass es vorher keine gewesen wäre, aber heute wird alles viel präziser, vielleicht sogar pedantischer produziert. Alte Platituden, die Hop Hop thematisch auf Knarren und Schlampen reduzieren, oder gar die Verrohung der Jugend vorwerfen, sind, obwohl es sie natürlich noch gibt, nur ein kleines Detail, ein Pixel in einem hochauflösendem HD-Bild. Wir befinden uns am Höhepunkt in einer kreativen Welt, die Videos an Hauswände projiziert, Kurzfilme veröffentlicht und die Kinderstars zu Futter für die Boulevardpresse verarbeitet. Sie sind kulturelle Fußsoldaten, die das Genre in unbekannte Richtungen sannen, neue Berührungspunkte finden und keine Angst haben, diese für sich zu beanspruchen.

Solange die alten nicht ihre Stöcke aus ihrem Arsch ziehen, werden sie sich der neuen Musik verweigern, weil es an Konkretem mangelt. Dieses Jahr allerdings haben wir uns am internationalen All-You-Can-Eat-Buffet die Bäuche vollgeschlagen. Wir haben in einem musikalischen Restaurant geschlemmt, in dem alle populären Kulturliebenden und -schaffenden abhängen. HipHop führt im Moment sowohl die Meinungsdebatte, als auch die Hackordnung Twitter-Diskussionen an. Dieses neue HipHop-Umfeld entwickelte sich in der Umbruchsphase der 00er Jahre.

Es war scheißegal, ob sie ein „fucking walking paradox“ waren, dass „threesomes with a fucking triceraops“ hatte oder als „pretty motherfucker“ Harlem vertraten. Die neue Schule des HipHop war erfolgreich, weil sie einfach das machten, wozu sie Bock hatten. Anstatt weiterhin auf den offensichtlich totgetrampelten Pfaden der Vergangenheit zu wandern, sind sie ihre eigenen Wege gegangen—das zusammen mit ihren Fans, die dank dem Internet in alle Prozesse involviert waren. Abgesehen davon, dass es nicht mehr funktionierte, sich einfach irgendwo dranzuhängen, kümmerte sich kein Mensch um Tha Carter IV oder Lasers. Und mal unter uns, auch Watch The Throne gehört dazu (oder wie oft hast du dir das Album komplett angehört, nach 2011).

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Es fand eine Machtverschiebung statt. Und dieses Jahr sahen wir diese Machtverschiebung, als die Urgroßväter, Großväter und Väter des HipHops glücklich und zusammen ein neues Medium erschufen und ihr Bestes gaben. In seinem „Control“-Verse forderte Kendrick jeden auf, bei diesem Spiel mitzuspielen. Aber er vergaß dabei, dass irgendwann während dieser Machtverschiebung, jeder bereits mitmachte.

Beim Versuch, den Hype, der den alten Künstlern von Jüngeren gestohlen wurde und der drei, vier oder fünf Alben zurück lag, wieder zurück zu erlangen, gaben sie ihr absolut Bestes. Hinter jeder der großen Neuveröffentlichungen dieses Jahr stand eine Marketing-Kampagne, die mindestens so kreativ wie die Musik selbst war. Kanye projizierte sein Gesicht buchstäblich auf den ganzen Globus, JayZ verkauft seine Seele nebenbei an Samsung (was klug war, aber eine andere Geschichte ist), während er sechs Stunden am Stück in einer Galerie performte und mit dem größten Popstar weltweit auf Tour ging, Drake veröffentlichte stückweise sein neues Video und Offcuts seines Albums und von Pusha kam der beste Song des ganzen Jahres, lange bevor sein Album überhaupt erschien.

Aber was mit jeder Tracklist, jeder Albumcover-Vorschau und jedem Lyric-Screenshot ganz offensichtlich wurde, war, dass alle hungrig waren. Die größeren Aktionen, wie Kanyes Gesicht, das an jeder Straßenecke auftauchte, lösten globales Interesse aus. Es ist leicht aufzuzeigen, dass Musikplattformen, die bisher HipHop eher vernachlässigt hatten, sich jetzt damit befassen, weil es wieder populär ist. Aber vielleicht wurde HipHop auch nur wieder so beliebt, weil er verstanden hat, wie er mit dem Internet zusammenarbeiten kann. Ich schreibe eben auch viel lieber über Tyler, The Creator, als über das neuste Lyric-Video der Kings of Leon.

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Diese Ereignisse führten zu einem größeren Interesse am HipHop als je zuvor und brachten Künstler, bei dem Versuch sich Gehör zu verschaffen, auf eine ganz neue Ebene. Anfang dieses Jahres erschien Chance The Rappers Acid Rap und wurde über 270.000 Mal runtergeladen. Im Frühling war es für jemanden mit ein bisschen HipHop-Basiswissen unmöglich herumzulaufen, ohne die Melodien von „Cocoa Butter Kisses“ oder „Chain Smoker“ zu summen. Die Platte war ein großer Erfolg und auch zurecht, da sie einfach zeigte, wieso gute Musik eben auch gute Musik ist. Sie war fesselnd, einprägsam und sofort sympathisch. Aber viel wichtiger, sie war gut gemacht, zusammengestellt und sehr durchdacht.

Dieser Ansatz manifestierte sich in jeder Veröffentlichung von Danny Browns Old über Kanye Wests Yeezus bis zu Tylers WOLF (und fast allen anderen Platten, die dieses Jahr veröffentlicht wurden). Aber dabei ging es nicht nur um Alben. Viele kleine Szenen tauchen immer wieder auf, bleiben bestehen, entwickeln sich weiter und lernen nicht aus, in ihrem jeweiligen Bereich.

Vic Mensa schwimmt jetzt in Chance' verseuchten Gewässern. Wer Old-School-HipHop mag, für den hat Joey Bada$$ sein Summer Knights-Tape rausgebracht, ein paar Monate später hätte dieser weinend in der Ecke liegen können, als Bishop Nehru ankündigte, dass er mit DOOM auf seiner neuen EP zusammenarbeitet. Mit „Hive“ bewiesen Earl Sweatshirt, Vince Staples und Casey Veggies, dass es auch echte Rap-Fans gibt, bei denen Wortspiele in den richtigen Händen sind. Und auf seinem In Dark Denim Mixtape, versorgte uns Antwon mit einem Sound, der ein bisschen wie Vergangenheit und Zukunft gemischt klingt.

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Egal ob ihr ihn mögt oder hasst, oder glaubt, dass er eine typische Erfindung schattiger Internetforen ist, Yung Lean und der ganze Rest der Sad Boys haben einige Post-Lil-B-Songs veröffentlicht, die wirklich faszinierend sind. Für einige anscheinend so sehr, dass sie in ihre Oreo Milchshakes weinen müssen. Angel Haze wiederum hat mit der Veröffentlichung von „Cleaning Out My Closet“ und dem Rest des Classick-Tapes bewiesen, dass weibliche MCs nicht länger Lil Kims aggressive Sexualität kopieren müssen, nur um Texte zu schreiben, die viel tiefsinniger, als die vieler ihrer männlichen Kollegen sind. Es gibt einfach so viele Variationen von HipHop da draußen, dass es unmöglich wäre, sie alle aufzulisten. Wenn wir es täten und als Bild aufbereiten würden, wäre das bestimmt farbenfroher als jeder Dulux-Katalog.

Es ist nicht nur die Musik, die das neue Zeitalter des HipHops einleitet. In den 00er Jahren kam die Diskussion über Rapper als Headliner auf Festivals auf. Wer ist Jay Z und was macht er, und viel wichtiger, warum schreit er über verzerrte Musik auf einem Festival auf die Leute ein? Der Machtverschiebungs-Effekt, der HipHop als eine kreative Kraft katalysiert hat, brachte ihn zurück an die Spitze der Nachrichten. Und jeder achtet auf das kleinste Detail. Das Genre HipHop definierte die Medien dieses Jahr in einem sehr großen Ausmaß. Kein anderer Künstler erregte so viel Aufsehen auf der Internetwelt wie Kanye West es mit einem einzigen Interview tat. Aber auch Danny Browns Fellatio auf der Bühne, Tyler The Creator australische Visum-Saga, Gucci Manes Zusammenbruch und die Samsung-Kampagne von Jay Z brachten wirklich jeden von Jezebel bis zum Guardian dazu, über HipHop zu schreiben.

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Aber Rapper haben nicht nur die Dinge getan, über die berichtet wurde. Sie machten auch Sachen, als Teil der Medien. Odd Future unterzeichneten für eine weitere Staffel ihrer TV Serie und verkauften nebenbei Klamotten. Mac Miller hatte eine ganze Show auf MTV. Riff Raff ist der Vine-König geworden. Pusha Ts Hund hat Instagram. Wir erreichen einen Punkt, an dem Rapper die Medien mehr bestimmten, als das vor zehn oder fünfzehn Jahren der Fall war und mehr, als die Allgemeinheit jemals erwartet hätte.

Es ist einfach zu behaupten, dass das hier eben nicht die goldene Ära des HipHop ist, weil diese Dinge einfach so anders geworden sind. Aber genau das ist der Punkt. Die Dinge SIND nun anders und das ist gut. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem Rapper wahrscheinlich die einzigen Menschen sind, die Grenzen überschreiten. Wenn wir Kanyes Behauptungen über Pusha T als Metapher nehmen, wäre das gar nicht so weit hergeholt. Kultur ist Rap. Die Medien sind Rap. Das Internet ist Rap. Und wir sind in einer verdammt guten Situation, genau deswegen.

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