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Robin Thicke ist wirklich im Arsch

Jetzt fehlen eigentlich nur noch geleakte Fotos, die beweisen, dass er eigentlich einen Mikropenis hat.
Emma Garland
London, GB

Stellt euch mal vor, ihr wärt gerade Robin Thicke. Die Familie eines der meist geliebten Entertainer klagt dich auf $7,3 Millionen, weil die Vergewaltigungshymne, die man dir auf den Leib geschrieben hat, ein bisschen nach „Got to Give It Up“ klingt. Gleichzeitig steckst du in einem Scheidungsprozess mit einer Frau, mit der du neun Jahre verheiratet warst und einen vierjährigen Sohn hast. Das Album, das du nach besagter Frau benannt hast, hat in UK in der ersten Woche ganze 530 Kopien verkauft. Deine Karriere war eigentlich vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Wenn dieser Clusterfuck der schlechten Umstände irgendjemandem anderen passieren würde, würden wir ihn wahrscheinlich in den Arm nehmen und ihm ein Snickers kaufen. Aber es passiert Robin Thicke, also freuen sich insgeheim alle ein bisschen, weil er ein Arschloch ist und das Ganze verdient. Oder?

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Dem tiefen Fall eines Typen zuzuschauen, der auf einem viel beachteten Foto einfach so den Arsch eines weiblichen Fans knetet, ist auf einem bestimmten Level sehr befriedigend. Aber die Verbechen des Robin Thicke beginnen und enden nicht mit Robin Thicke. Wenn man das Ganze im Kontext der Musikszene betrachtet, hat er eigentlich gar nichts so wirklich Furchtbares getan. Die Hauptanklagepunkte—ästhetische Piraterie und tiefe Misogynie—sind die zwei Pfeiler, auf denen Popmusik ruht. Eine ganze Reihe erfolgreicher Songs klingen extrem ähnlich wie bereits erfolgreiche Lieder: „Stay With Me“ von Sam Smith ist im Grunde genommen „Won’t Back Down“ von Tom Petty, genauso wie Kelly Clarksons „Heartbeat Song“ eigentlich derselbe Song wie „The Middle“ von Jimmy Eat World ist. Und Fetty Wap, Megan Trainor und v.a. Chris Brown—alle gerade mehr oder weniger hoch in den Charts vertreten—bieten wahrscheinlich jeweils genug Inspiration für zehn Artikel über Genderthemen. Robin Thicke ist zu einem Sündenbock geworden, sowohl wenn es um Copyright als auch wenn es um Sexismus geht. Die Dinge könnten für ihn gerade wirklich nicht schlechter laufen. Wobei das so nicht stimmt: Es wird vermutlich noch viel schlimmer werden.

Thicke hatte nur eine große Single, und wegen der wurde er jetzt geklagt. Das heißt, er dürfte einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Einnahmen bereits verloren haben. Laut Celebrity Net Worth ist Thicke $15 Mio schwer. Das heißt, auch nach der Klage bleiben ihm noch $7,7 Mio. Das klingt jetzt nicht wenig, aber Gaye Estate nimmt ihm jetzt gerade wirklich 50% der Einnahmen seiner Karriere weg. Außerdem will die Gaye-Familie dafür sorgen, dass er „Blurred Lines“ nicht mehr live aufführen und nicht mehr digital oder physisch verkaufen darf. Welchen Wert soll Thicke da noch für eine Major Label haben? Wenn die Gayes damit durchkommen, ist Robin Thickes Karriere tatsächlich völlig im Arsch. Außerdem könnten die Familie Gaye das gesamte Genre R’n’B vernichten, wie wir hier letztens bereits festgestellt haben. Was das für die ganze Industrie bedeuten wird man noch sehen. Für Thicke bedeutet es auf jeden Fall erstmal nichts Gutes.

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Was ich an der ganzen Sache am Lustigsten finde: Der professionelle Happy-Macher Pharell Williams ist dem Clusterfuck völlig ohne Beschädigung entkommen, obwohl er im Video nicht weniger schmierig war. Der einzige Unterscheid zwischen den beiden ist, dass Pharrells Karriere zu dem Zeitpunkt bereits etabliert war. Und dass sein Gesicht in dem Musikvideo weniger nach einer Gefahr für die Öffentlichkeit ausschaut, sondern mehr nach einem Teenager, der das erste Mal einen Sideboob zu sehen bekam. Außerdem hatte Pharrell das Glück, bei dem desaströsen Auftritt bei den MTV Awards nicht auf der Bühne gewesen zu sein.

Pharrell veröffentlichte ein Jahr nach „Blurred Lines“ die Single „Happy“, die sich weltweit 12 Mio mal verkaufte und damit in der Liste der meist verkauften Songs ungefähr gleich auf mit „Blurred Lines“ liegt. Thicke veröffentlichte das Album Paula, das—wie oben bereits erwähnt—niemanden interessiert. Das sagt einiges über den Begriff „Vertrauen“ in der Musikindustrie aus. Aus irgendwelchen Gründen vertrauen wir Pharrell. Er ist seit langem einfach da, er hat sich bewährt, und er hat sich stets so vermarktet, dass er gar nicht wirklich bedrohlich rüberkommen kann. Auch wenn er eigentlich fast völlig verantwortlich für „Blurred Lines“ ist, ist es irgendwie völlig OK, dass er jetzt Kinderbücher schreibt oder den Soundtrack zum neuen Spongebob-Film liefert. Kein Wunder, dass er so verfickt happy ist. Könnt ihr euch vorstellen, was passiert wäre, wenn Thicke dasselbe getan hätte?

Vielleicht hätten nicht alle so auf „Blurred Lines“ eingeprügelt, wenn es zu einem anderen Zeitpunkt erschienen wäre. 2009 war „I Know You Want It“ von Pitbull das meistgespielte Music Video auf Youtube in Amerika, ohne dass es jemand gestört hätte. Im selben Jahr stand Jamie Foxx Mach-das-Mädchen-halt-einfach-so-betrunken-wie-möglich-Song „Blame It“ 14 Wochen an der Spitze der HipHop-R’n’B-Charts. Springen wir kurz ins Jahr 2013: „Blurred Lines“ ist ebenso erfolgreich, kostet aber einen Mann seine Karriere. T.I. und Pharrell wurden einfach aus dem Bild geschnitten, und Robin Thicke stand als Alleinverantwortlicher für den sexistischen Bullshit da. Wenn man sich das Video von „Blurred Lines“ heute nochmal anschaut, ist das Level an aufgeblasener Präpotenz fast ein bisschen peinlich. Es ist fast ein bisschen ironisch, was danach mit Thickes Karriere und seinem Privatleben passierte. Als hätte jemand die „Thicke hat einen großen Penis“-Ballons einen nach dem anderen platzen lassen. Jetzt fehlen eigentlich nur noch geleakte Fotos, die beweisen, dass er eigentlich einen Mikropenis hat.

Natürlich ist „Blurred Lines“ ein beschissener Song. Aber das sind auch viele, viele andere Songs, ohne ein derartiges Debakel auszulösen. Wahrscheinlich ist Robin Thicke auch ein Opfer einer Kette von unglücklichen Umständen. Hätte er sein Gesicht nicht für die Nationalhymne der Rape Culture hergegeben, wäre die Gaye-Familie vielleicht nachsichtiger gewesen. Vielleicht wäre er mit der ganzen Sache davon gekommen, wenn die Klage von jemand anderem gekommen wäre. Tom Petty kommentierte den „Stay With Me“-Fall auf seiner Homepage eher lapidar: „Sowas passiert.“ Am Ende verkörpert Thicke den falschen Menschen auf eine falsche Art und Weise, in einer Umgebung, in der das Urheberrecht kompliziert und Feminismus eine wichtige Sache ist. Das Resultat: Thicke ist völlig im Arsch. Alles was er dafür tun musste: Co-Writer eines Songs sein, der zu der schlecht möglichsten Zeit unvorstellbar populär war.

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