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Interviews

Black Milk hat es mit Beats und Rhymes aus dem Sumpf Detroits geschafft

Obwohl es mit seiner Stadt bergab ging, bleibt Black Milk positiv und produziert weiterhin fleißig Beats in seinem Keller.

In den letzten Jahrzenten hat sich immer wieder gezeigt, dass nur die wenigsten Städte dieser Welt musikalisch mit Detroit mithalten können. Das ehemalige historische Herz der amerikanischen Automobilindustrie, oft auch Motor City genannt, hat über Jahre nicht nur unzählige Autos produziert, sondern auch Legenden ins Leben gerufen, die bis heute ihre Spuren in den Herzen vieler Musikliebhaber gelassen haben. Blues-Legenden wie Eddie „Guitar“ Burns, Gospel-Stars wie Aretha Franklin, Jazz-Könige wie Stevie Wonder oder Pop-Sternchen wie Madonna—sie alle kamen in ihrer Heimatstadt Detroit mit Musik in Berührung.

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Auch die HipHop-Welt wurde stark von Detroit geprägt. Natürlich kommen einem da immer Eminem und Big Sean in den Sinn. Sollten einem allerdings nur diese zwei Namen einfallen, ist es jetzt an der Zeit, alles stehen und liegen zu lassen und ein bisschen Recherche zu betreiben. Denn während Big Sean 2005 noch in der Hoffnung, einen Deal bei G.O.O.D. Music zu landen, vor dem Gebäude eines Radiosenders für Kanye freestylte und Eminem in den Entzug musste, saß ein junger Curtis Cross alias Black Milk in einem Detroiter Keller und schraubte an dem Sound seiner Stadt. Und das mit Erfolg: Sein Solodebüt Sound of the City wurde schnell zu einem Klassiker der Underground-Szene und verschaffte ihm einen Deal beim Independent-Label Fat Beats Records, bei dem er noch heute gesignt ist. Der Rapper-Producer hat bereits mit HipHop-Urgesteinen wie Pete Rock, DJ Premier und J Dilla zusammengearbeitet, sogar Rocklegenden wie Jack White wollten mit ihm kollaborierten. Black Milks Diskographie ist lang, sein Hunger, den nächsten Banger zu produzieren, weiterhin unersättlich. Verständlich also, dass sein Sound sich über die Jahre immer weiter entwickelt hat.

Noisey: Du hast heute Abend Songs von jedem deiner sechs Alben gespielt. Da merkt man wirklich, in wie viele Richtungen sich dein Sound über die Jahre entwickelt hat.
Black Milk: Ja, Mann. Sound of the City und Popular Demand waren voller Soul-Samples, das war damals einfach mein Ding. Es waren harte Alben, straight aus meinem Keller. Danach habe ich mit Tronic und Album of the Year gemerkt, wie sehr ich auf Live-Instrumente stehe. Außerdem wollte ich mich etwas von dieser Soul-Sample-Schiene wegbewegen. Die letzten zwei Alben—No Poison, No Paradise und If There’s A Hell Below—waren dann wieder anders, ein bisschen experimenteller, fast schon psychedelisch. Diese Entwicklung hat einfach etwas mit dem Erwachsenwerden zu tun. Jedes Jahr erlebt man Dinge, die einen prägen, man bekommt eine andere Sicht auf das Leben und das bedeutet, zumindest für mich, dass sich damit auch die Laune eines Menschen ändert. Man hat irgendwann einfach Bock auf etwas anderes, verstehst du?

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Absolut. Bedeutet das also, dass deine letzten zwei Alben, die ja sehr düster klingen, während einer schweren Phase in deinem Leben produziert wurden?
Definitiv. Die Alben sind auf jeden Fall ziemlich düster und ich musste tatsächlich durch ein paar harte Zeiten. Es gab Familienprobleme, engen Freunden von mir ging es nicht gut—die letzten beiden Alben spiegeln all das wieder. Dazu kommt, dass ich auf meinen früheren Platten nie von meinen Kindheitserfahrungen erzählt habe. Mit den letzten beiden Alben war es also an der Zeit, den Leuten zu erzählen, wo ich herkomme, wie meine Nachbarschaft aussah, was für Freunde ich hatte und wie ich zu der Person wurde, die ich heute bin. Wie gesagt, das hat alles etwas mit Erwachsenwerden zu tun. Wenn du älter wirst, willst du einfach Dinge kreieren, mit denen Außenstehende sich identifizieren können. Als junger HipHop-Künstler geht es nur um rohe Emotionen, was nicht unbedingt schlecht ist, aber man vergisst schnell, dass man die Kunst nicht nur für sich, sondern auch für andere macht.

2013 ging es für Detroits Wirtschaft bergab, die Stadt musste Insolvenz anmelden. Was hatte das für eine Auswirkung auf dich?
Ich habe Detroit schon erlebt, bevor das alles passiert ist. Ich habe die gute Ecken und die schlechten Ecken der Stadt kennengelernt. Was da passiert ist, ist natürlich ziemlich erschreckend, allerdings werde ich mein Leben lang stolz darauf sein, aus Detroit zu kommen. Vor allem als Musiker. Detroit ist so reich an Musik wie keine andere Stadt auf dieser Welt. Natürlich packt es einen, wenn die Heimatstadt durch so etwas durch muss, aber ich habe es aus dem Sumpf geschafft und will positiv bleiben.

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Lass uns doch mal über’s Samplen sprechen, wofür du ja bekannt bist. Du begibst dich regelmäßig in allen möglichen Plattenläden dieser Welt auf die Suche nach dem nächsten Sample. Hast du da eine bestimmte Routine?
Wenn ich nach neuen Samples und neuer Inspiration suche, klappere ich immer alle Ecken des Plattenladens ab. Ich kann mich da nicht nur auf ein Genre konzentrieren, ich muss immer alles auschecken. Sobald mich etwas bewegt, stecke ich es mir in die Tasche und bring es nach Hause. Das kann jedes Genre sein: Rock, Soul, Elektro—völlig egal. In den Platten müssen einfach nur kleine Stückchen Magie stecken, die mich bewegen und die ich in meiner Musik verwenden kann. Wie genau ich merke, was magisch ist und was nicht, kann ich nicht erklären. Man entwickelt einfach ein Gefühl dafür.

Nenn mir doch mal ein, zwei deiner Lieblingssamples, aus denen du Beats gemacht hast.
Davon gibt es viele. Bei manchen Platten muss man einfach nur die Nadel drauflegen, ein Sample choppen, das dann schon so genial ist, dass man gar nicht mehr viel machen muss—außer vielleicht noch eine Kick und eine Snare hinzuzufügen. „Losing Out“ war auf jeden Fall so ein Sample. Ich wusste einfach sofort, dass die Leute diesen Beat alleine wegen des Samples feiern würden. Von meinem letzten Album gibt es auch noch „Monday’s Worst“, für den Song habe ich einen meiner absoluten Lieblingssamples benutzt.

Hast du eigentlich jemals verraten, welches Sample das ist? Außer dir weiß das angeblich niemand…
(lacht) Das konnte ich bis heute nicht offiziell verraten, was daran liegt, dass das Sample nicht freigegeben ist. Zumindest hat sich bezüglich des Songs noch keiner bei mir gemeldet. Sorry Mann, aber mehr kann ich dazu auch nicht sagen (lacht).

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Sehr mysteriös. Aber lass uns trotzdem bei „Monday’s Worst“ bleiben. Den Song hast du passenderweise mit „Sunday’s Best“ verbunden. Im Song gehst es unter anderem darum dass du als Kind null bock auf die Kirche hattest.
(lacht) Ja, es war tatsächlich hart morgens aufzustehen, um in die Kirche zu gehen. Meine Eltern waren extrem religiös. Ich musste zwei Mal pro Woche in die Kirche, Mittwoch und Sonntag, bis ich 17 war. Als Kind versteht man nicht genau was Religion bedeutet. Man will lieber ausschlafen und Videospiele spielen. Heute weiß ich, dass die Gospelmusik, die ich in der Kirche wöchentlich hören musste, meinen Sound auf jeden Fall stark beeinflusst hat. Ich würde heute nicht so extrem auf Soul und Funk-Elemente stehen, hätte ich damals nicht so viel Gospelmusik in der Kirche gehört.

In den Neunzigern hast du deine ersten Reime geschrieben. Das war, bevor du Beats gemacht hast. Wie kam es dazu, dass du auch produzieren wolltest?
Reimen war in den Neunzigern fast schon Pflicht, sobald du angefangen hast, dich mit HipHop zu identifizieren. Irgendwann saß ich mit meinem Cousin im Keller. Seine Freunde und er hatten jede Menge Equipment, rappten und produzierten ihre eigenen Beats. Es dauert nicht lange, bis ich hinter einem Sampling-Keyboard saß und mein Cousin mir zeigte wie man samplet und Beats macht. Plötzlich war alles anders: Meine ganze Leidenschaft für’s Rappen verflog und ich wollte nur noch Beats machen. Am Ende habe ich aber beides weitergemacht.

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Wie lange hat es denn gedauert, bis der erste gute Beat im Kasten war?
Das hat ein bisschen gedauert. Erst mal habe ich meinem Cousin dieses Keyboard abgekauft, mit dem ich ein paar Monate herumgespielt habe. Dann habe ich mir einen MPC-2000 gekauft, mit dem ich in der selben Nacht noch ein paar Beats gemacht habe. Da nahm das Ganze langsam Form an. Freunde und Familienmitglieder sagten plötzlich, dass ich besser sei als der Durchschnitt. Und plötzlich machten ein paar meiner Beats in der lokalen Rap-Szene die Runde.

Und dann kamst du mit der legendären Rap-Crew Slum Village in Kontakt.
Genau. Die haben eine Beat-CD von mir in die Finger bekommen, waren begeistert von meinen Instrumentals und plötzlich wurde ich deren in-house-Producer.

Ich weiß, dass du ein bisschen die Schnauze voll davon hast, immer wieder mit J Dilla verglichen zu werden. Seine Ära ist natürlich schon ein bisschen her. Trotzdem kamst du durch Slum Village mit ihm in Kontakt und er wurde für dich eine Art Mentor. Das ist natürlich krass, mit Anfang 20 einem der legendärsten Produzenten der HipHop-Geschichte zu begegnen und mit ihm zu arbeiten.
Ja, Mann. Ich glaube, dass er 2004 oder 2005 von mir gehört hatte und mich treffen wollte. Ich habe damals Tag und Nacht mit Slum Village im Studio gearbeitet und plötzlich stand er da. Wir haben uns ein bisschen unterhalten, allerdings habe ich nicht viel gesagt, man will schließlich nicht wie ein Über-Fan rüberkommen.

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Was für positive Erinnerungen hast du denn von den Treffen und Zusammenarbeiten behalten?
Er hat mir immer klagemacht, dass er meine Sachen richtig dope findet. Wenn man so etwas von Legenden wie Dilla hört, ist man natürlich sehr stolz. Ich erinnere mich noch genau, wie wir mal im Studio saßen und ich Leuten ein paar meiner neuen Beats vorgespielt habe. Dilla saß auf der Couch und hörte konzentriert zu. Irgendwann sprang er auf und sagte nur: „Okay Jungs, ich muss jetzt nach Hause und arbeiten“. Nach dem Motto: „Ich muss jetzt schnell nach Hause und auch ein paar Beats machen“, denn ich glaube, ich habe ihn in dem Moment einfach inspiriert. Das war absolut verrückt.

Dilla ist nicht die einzige Legende, mit der du gearbeitet hast. Nachdem du 2010 auf Album of the Year mit vielen Live-Rock-Elementen herumexperimentiert hast, kam es nur ein Jahr später zu einer interessanten Zusammenarbeit mit Jack White.
Ja, das war unglaublich. Er hat meinem Manager eine Email geschrieben und ihm gesagt, dass er unbedingt mit mir arbeiten möchte. Daraufhin bin ich sofort nach Nashville gefahren, um ihn in seinem Studio zu treffen. Meine erste Frage an ihn war: „Wie zur Hölle weißt DU, der Mega-Rockstar, wer ICH bin?“. Er erzählte mir, dass er zufällig auf meinen Song „Deadley Medley“ gestoßen und sofort absolut begeistert war. Er erklärte mir auch, dass er schon seit einiger Zeit mit einem HipHop-Künstler aus Detroit arbeiten wollte, er allerdings nie den Richtigen gefunden hatte. Und da ich nicht nur Rapper, sondern auch Producer bin, hat das am Ende für ihn am meisten Sinn gemacht. Also haben wir „Royal Mega“ und „Brain“ aufgenommen.

Letzte Frage: Du bist an einem Punkt wo du alle möglichen Künstler auf deinem Album haben kannst. Nicht, dass das jetzt schlecht ist, aber ich war überrascht zu sehen, dass Bun B das einzige Rap-Feature auf If There’s A Hell Below ist. Warum?
Zusammen mit Sean Price und Guilty Simpson habe ich vor ein paar Jahren die Gruppe Random Axe gegründet. Mein Plan war es damals, Bun B auf unser Debütalbum zu packen, was leider nicht geklappt hat. Also wollte ich es noch mal versuchen und habe ihn auf meinem Album gefeaturet. Ich bin ich ein großer Bun B-Fan, sein Flow und seine Stimme sind einfach einzigartig.

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